Baustein 5: Organisation und Durchführung der Gefährdungsbeurteilung

Gefährdungen am Arbeitsplatz beeinträchtigen Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten sowie die Produktqualität und Produktivität. Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin beurteilt systematisch die mit der Arbeit verbundenen Gefährdungen, legt die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes fest und dokumentiert dies. Die Gefährdungsbeurteilung ist gewissermaßen eine Schwachstellenanalyse zur Identifizierung von Verbesserungspotenzialen.
5.1 Ist die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung organisiert? (Zuständigkeit, Beteiligung, Methode, Anlässe, Zeitpunkte, Überprüfung, Aktualisierung)
Organisation und Durchführung der Gefährdungsbeurteilung
Zum Beispiel:
- Es ist festgelegt, welche Personen die Gefährdungsbeurteilung verantwortlich durchführen.
- Betriebsarzt/ Betriebsärztin, Fachkraft für Arbeitssicherheit und die betriebliche Interessenvertretung werden beteiligt.
- Die Erfahrungen der Führungskräfte und der Beschäftigten werden einbezogen.
- Die Gefährdungsbeurteilung wird nach dem Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung (Regelkreisprinzip) durchgeführt: Festlegen von Arbeitsbereich/ Tätigkeit, Gefährdungen ermitteln, beurteilen, Maßnahmen festlegen, Maßnahmen durchführen, Wirksamkeitskontrolle, Verbesserungsmaßnahmen. Der zeitliche Abstand der Wirksamkeitskontrolle richtet sich nach der Art der Gefährdung.
- Die Gefährdungsbeurteilung wird bei besonderen Anlässen überprüft und angepasst – siehe unten.
Die Fristen für die Wirksamkeitskontrolle werden festgelegt.
Gefährdungsbeurteilungen nach § 5 ArbSchG sind der Dreh- und Angelpunkt für den Arbeitsschutz. Sie müssen unter Berücksichtigung der speziellen Anforderungen und Hinweise, wie sie beispielsweise in der Betriebssicherheits-, Biostoff- (BioStoffV) und Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) sowie in den entsprechenden Technischen Regeln niedergelegt sind, durchgeführt werden. Die Durchführung liegt in der Verantwortung der Leitung. Andere Personen, wie beispielsweise die Fachkraft für Arbeitssicherheit, können mit der Durchführung beauftragt werden. Die Beschäftigten beteiligen sich mit ihrer Expertise für ihren Arbeitsplatz an der Gefährdungsbeurteilung.
Anlässe für eine Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung
Mögliche Anlässe für die Überprüfung der vorhandenen Gefährdungsbeurteilung ergeben sich zum Beispiel
- bei Neu- oder Umbau von Betriebsanlagen und Einrichtungen,
- bei Beschaffung oder Umrüstung technischer Arbeitsmittel, zum Beispiel Werkzeuge, Maschinen,
- bei Einführung von gesundheitsgefährdenden Arbeitsstoffen,
- bei Einführung oder wesentlichen Änderungen von Arbeitsverfahren und -abläufen,
- bei Änderungen der Beschäftigtenstruktur,
- bei neuen Aufträgen und insbesondere bei Zusammenarbeit mit anderen Firmen,
- nach Arbeitsunfällen oder Beinahe-Unfällen,
- bei Verdacht auf Berufskrankheiten oder auf arbeitsbedingte Verursachung von Erkrankungen,
- bei Änderung der Vorschriften.
5.2 Wurde eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt, in der für alle Arbeitsbereiche und Tätigkeiten die Gefährdungen vollständig ermittelt und beurteilt sind?
Organisation und Durchführung der Gefährdungsbeurteilung
- Die Arbeitsbereiche und Tätigkeiten, für die die Gefährdungen ermittelt und beurteilt werden, sind festgelegt.
- Es ist festgelegt, wie mit gleichartigen Tätigkeiten oder Arbeitsplätzen verfahren wird.
- Es ist sichergestellt, dass alle Arbeitsbereiche und Tätigkeiten berücksichtigt sind – auch besondere Arbeitsbereiche und Tätigkeiten mit einbeziehen.
- Es ist sichergestellt, dass alle Gefährdungsfaktoren in den festgelegten Arbeitsbereiche und Tätigkeiten berücksichtigt werden.
- Es ist sichergestellt, dass die Gefährdungsbeurteilung auch Hinweise über Art, Umfang und Fristen erforderlicher Prüfungen an Arbeitsmitteln und Einrichtungen liefert.
Bei den festgelegten Arbeitsbereichen und Tätigkeiten werden die nachfolgenden Gefährdungsfaktoren berücksichtigt und überprüft:
- Mechanische Gefährdungen
- Elektrische Gefährdungen
- Gefahrstoffe
- Biologische Arbeitsstoffe
- Brand und Explosionsgefährdungen
- Thermische Gefährdungen
- Gefährdungen durch spezielle physikalische Einwirkungen
- Gefährdungen durch Arbeitsumgebungsbedingungen
- Physische Belastung/ Arbeitsschwere
- Psychische Faktoren
- Sonstige Gefährdungen (wie Überfälle, sensibilisierende Wirkung von Pflanzen, Gefährdungen durch Tiere)
Gleichartige Tätigkeiten oder Arbeitsplätze, zum Beispiel in Filialunternehmen, können vergleichbar beurteilt werden. Dabei ist es ausreichend, eine Tätigkeit oder einen Arbeitsplatz musterhaft zu beurteilen. Bei nicht stationären Tätigkeiten, zum Beispiel in ambulanten Pflegediensten, ist es im Regelfall nicht ausreichend, nur eine einzige Gefährdungsbeurteilung zu erstellen ohne diese für den Einzelfall anzupassen. Die Anwendbarkeit ist von Fall zu Fall zu prüfen. Gegebenenfalls ist die Gefährdungsbeurteilung an die sich verändernden Bedingungen anzupassen. Ergänzungen oder Anpassungen können zum Beispiel durch eine Pflegekraft auch beim Klienten vor Ort vorgenommen werden.
Besondere Arbeitsbereiche und Tätigkeiten, die zu berücksichtigen sind, sind zum Beispiel:
- Tätigkeiten außerhalb der Betriebsstätte (zum Beispiel Dienstfahrten, Arbeiten beim Kunden)
- Tätigkeiten besonderer Personengruppen (zum Beispiel Jugendliche, werdende oder stillende Mütter)
- Tätigkeiten von Beschäftigten ohne ausreichende Deutschkenntnisse, Menschen mit Behinderungen, Zeitarbeitnehmer, Praktikanten, Berufsanfänger
- Besondere Betriebszustände: Aufbau, Reparatur, Wartung, Rüsten, Abbau, Reinigung (zum Beispiel Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten), wie sie zum Beispiel bei der Instandsetzung, bei Einrichtarbeiten an Geräten und Maschinen entstehen
5.3 Sind in dieser Gefährdungsbeurteilung konkrete Maßnahmen festgelegt und werden diese umgesetzt?
Organisation und Durchführung der Gefährdungsbeurteilun
Zum Beispiel:
- Maßnahmen terminieren
- Person für Umsetzung der Maßnahmen bestimmen
- Beschreiben, wie die Maßnahmen umgesetzt werden
- Sicherstellen, dass alle relevanten Informationen aus der Gefährdungsbeurteilung an alle betroffenen Personen weitergeleitet werden
- Umsetzung der Maßnahmen organisieren
- Maßnahmen umsetzen
Wichtig: Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung müssen Maßnahmen vorsehen, die den Gefährdungslagen Rechnung tragen. Technische Schutzmaßnahmen haben Vorrang vor organisatorischen und diese wiederum vor personenbezogenen Maßnahmen.
5.4 Werden die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit überprüft und bei Bedarf angepasst?
Organisation und Durchführung der Gefährdungsbeurteilung
Zum Beispiel:
- Termin für Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen festlegen
- Person für die Prüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen festlegen
- Vorgehensweise der Überprüfung festlegen, um erforderlichenfalls Verbesserungen und Korrekturen zu veranlassen
5.5 Wird die Gefährdungsbeurteilung dokumentiert?
Organisation und Durchführung der Gefährdungsbeurteilung
Zum Beispiel:
- Die Dokumentation erfolgt in Papierform oder wird elektronisch gespeichert.
Inhalt der Dokumentation:
- Beurteilung der Gefährdungen
- Festlegung konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen mit Terminen und Verantwortlichen
- Durchführung der Maßnahmen
- Überprüfung der Wirksamkeit
- Datum der Erstellung/Aktualisierung
- Meldepflichtige Arbeitsunfälle werden erfasst – § 6 (2) ArbSchG.
Für Betriebe mit 10 oder weniger Beschäftigten reicht es häufig aus, wenn der Betrieb
- eine Hilfe zur Gefährdungsbeurteilung nutzt (Leitfäden der Länder/ Handlungshilfen der Unfallversicherungsträger) oder
- an der Regelbetreuung teilnimmt und seine Fachkraft für Arbeitssicherheit/sein Betriebsarzt/seine Betriebsärztin ihm Unterlagen zur Gefährdungsbeurteilung überlässt oder
- an einem alternativen Betreuungsmodell (zum Beispiel einem Unternehmermodell) seines Unfallversicherungsträgers teilnimmt und er die dort vorgesehenen Instrumente für die Gefährdungsbeurteilung anwendet und eine betriebsspezifische Gefährdungsbeurteilung erstellt.
Achtung: Bei bestimmten Tätigkeiten und Arbeitsbereichen, wie zum Beispiel das Arbeiten mit Gefahr- oder Biostoffen oder beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten, bestehen zum Teil besondere Anforderungen an die Durchführung und Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung.