5 Jahre Covid-19-Pandemie: Rückblick, Situation, Ausblick
Mehr als 5 Jahre ist der Beginn der Covid-19-Pandemie inzwischen her. Versicherte der BGW waren in besonderem Ausmaß betroffen und sind es zum Teil noch. Wie hat sich die Situation bis heute entwickelt und welche Rolle spielt Post-Covid?
Covid-19 als Berufskrankheit: Monatlich gemeldete Verdachtsfälle
Dass die Covid-19-Pandemie eine besondere Herausforderung für die BGW werden würde, wurde schnell klar. Vor der Pandemie wurden der BGW bundesweit etwa 1.000 Infektionskrankheiten pro Jahr als Verdachtsfälle auf eine Berufskrankheit gemeldet. In Hochzeiten der Pandemie waren es mehr als 8.000 pro Woche allein für Covid-19. Knapp 417.000 meldepflichtige Verdachtsanzeigen auf Covid-19 als Berufskrankheit erhielt die BGW insgesamt bis zum 31.12.2024.
Das meldungsreichste Pandemiejahr war 2022 – mit insgesamt über 226.000 Verdachtsmeldungen. Seit 2023 geht die Zahl zurück, für das Jahr 2024 waren es noch etwa 4.500 Verdachtsmeldungen. Die ganz überwiegende Anzahl zeichnete sich glücklicherweise durch leichte Verläufe aus. Ein deutlich geringerer Anteil hat anhaltende Erkrankungsfolgen, allgemein unter dem Begriff Post-Covid zusammengefasst.
Umfassende Begutachtungsempfehlung für Post-Covid
Seit Juni 2025 gibt es eine Begutachtungsempfehlung zu Post-Covid, die in einem interdisziplinären Arbeitskreis entstanden ist. Beteiligt waren neben medizinischen Fachgesellschaften, Experten für Arbeitsschutz und Unfallversicherungsträgern auch die Betroffenen-Initiative ‚Long COVID Deutschland‘ und der Deutsche Sozialgerichtstag e. V.
Mit der Begutachtungsempfehlung liegen jetzt erstmals Qualitätsstandards für das Vorgehen vor. Damit soll eine einheitliche Begutachtung durch Sachverständige und eine einheitliche Rechtsanwendung durch Unfallversicherungsträger und Sozialgerichte erreicht werden. Aller Voraussicht nach wird dies auch zur Beschleunigung der Verfahren beitragen.
Im Folgenden sind häufige Fragen zum Thema Post-Covid und Verletztenrente zusammengestellt.
Fragen und Anworten
Als Post-Covid-Syndrom werden Beschwerden bezeichnet, die noch mehr als 12 Wochen nach Beginn der SARS-CoV-2-Infektion vorhanden sind und als Folge dieser Infektion verstanden werden können. Das besagt unter anderem die S1-Leitlinie "Long/ Post-COVID" der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Das Krankheitsbild ist vielfältig und kann körperliche und psychische Symptome unterschiedlichster Art und Stärke beinhalten.
In der Regel ist es die initiale Covid-19-Erkrankung, die der BGW als Verdacht auf eine Berufskrankheit gemeldet und bei Vorliegen der Voraussetzungen anerkannt wird. Anhaltende Funktionseinschränkungen, im Allgemeinen als Post-Covid bezeichnet, können Folge der Berufskrankheit sein, wenn nach medizinischer Bewertung ein Ursachenzusammenhang hergestellt werden kann.
Anwendbar für Covid-19 ist die Berufskrankheit Nr. 3101 (Infektionskrankheiten). Diese wird anerkannt, wenn die Betroffenen sich
- bei ihrer beruflichen Tätigkeit in Gesundheitsdienst oder Wohlfahrtspflege
- nachweisbar (mindestens durch qualifizierten Schnelltest) mit SARS-CoV-2 infiziert haben und
- an Covid-19 erkrankt sind – leichte Symptome reichen dafür aus, die reine Infektion aber nicht.
Das heißt im Umkehrschluss: Eine Ablehnung erfolgt, wenn kein positiver SARS-CoV-2-Test vorliegt, wenn keine Krankheitssymptome nachgewiesen sind oder wenn die Infektion nicht bei der beruflichen Tätigkeit passiert ist.
Die Aufzählung der Berufskrankheiten laut Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) Anlage 1 ist abschließend.
Als Lohnersatzleistung erhalten die Versicherten das sogenannte Verletztengeld. Benötigen Betroffene Unterstützung bei der Heilbehandlung oder Rehabilitation, werden von der BGW zeitnah die notwendigen Maßnahmen veranlasst, nach dem Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“. Das heißt, die Rehabilitation hat stets Vorrang. Sie erfolgt bei der gesetzlichen Unfallversicherung "mit allen geeigneten Mitteln".
Mögliche Maßnahmen sind ambulante oder stationäre Reha, Physio- oder Psychotherapie. Sind Betroffene längerfristig beeinträchtigt, werden sie vom Reha-Management der BGW persönlich betreut, um individuell die bestmögliche Rehabilitation zu erreichen. Für Beschäftigte mit anerkannter Berufskrankheit und Post-Covid-Beschwerden hat die BGW gemeinsam mit den BG-Kliniken das Post-COVID-Programm entwickelt. Die diagnostische Abklärung in den BG Kliniken erfolgt interdisziplinär unter Einbeziehung der relevanten Fachbereiche.
In den allermeisten Fällen, in denen Covid-19 als Berufskrankheit anerkannt wurde, handelte es sich um leichte Erkrankungen ohne weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Covid-19-Erkrankung heilte ohne längerfristige Folgen aus.
Ein Rentenanspruch kann bestehen, wenn Beeinträchtigungen über mehr als 26 Wochen nach dem Versicherungsfall hinaus bestehen. Es wird geprüft, ob die Erkrankungsfolgen der Berufskrankheit eine rentenberechtigte Minderung der Erwerbsfähigkeit bedingen. Die Entscheidung über Verletztenrenten fällt ein paritätisch aus Versicherten und Arbeitgebern besetzter Rentenausschuss der BGW nach den gesetzlichen Vorschriften.
Für die Zuerkennung einer Rente gelten gesetzlich festgelegt besondere Maßstäbe: Jede Diagnose und Beeinträchtigung muss im Vollbeweis nachgewiesen werden. Ebenso ist nachzuweisen, dass die gesundheitlichen Einschränkungen Folge der Berufskrankheit sind. In der Regel erfolgt das durch die Einholung von Gutachten. Wenn grundsätzlich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 Prozent auf die Berufskrankheit zurückführbar ist, erhält der oder die Betroffene von der BGW eine Rente. Diese errechnet sich aus dem Jahresarbeitsverdienst und der Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit.
Zunächst kann durch den Rehabilitationsprozess seit der initialen Erkrankung viel Zeit vergehen. Gesetzlicher Auftrag und Ziel der BGW ist es vorrangig, die Gesundheit der Versicherten wieder herzustellen und ihnen die berufliche und soziale Teilhabe wieder zu ermöglichen – mit allen geeigneten Mitteln nach dem Grundsatz "Rehabilitation vor Rente".
Daneben kann die BGW nicht alle Gründe für die Bearbeitungsdauer unmittelbar beeinflussen. Für die medizinische Abklärung des Post-Covid-Syndroms sind in der Regel Begutachtungen mit Kausalitätsbeurteilung zur Sicherung aller Diagnosen auf den relevanten medizinischen Fachgebieten notwendig. Dafür steht nur eine gewisse Kapazität von fachlich versierten Sachverständigen zur Verfügung. Deshalb nehmen die Gutachten einen langen, meist mehrmonatigen Zeitraum in Anspruch. Verzögerungen können auch dadurch eintreten, dass Sachverständige Gutachtenaufträge ablehnen.
Wie lange die Entscheidung für eine Rente dauert, hat keinen Einfluss darauf, ab welchem Zeitpunkt der Anspruch besteht.
Oftmals ist es notwendig, Versicherte auf verschiedenen medizinischen Fachgebieten zu begutachten, je nach Schwerpunkt der Symptome und Beschwerden. Häufig sind bei Versicherten mit Post-Covid neurokognitive Beeinträchtigungen (zum Beispiel Aufmerksamkeitsstörungen) und Fatigue zu beurteilen, die eine Begutachtung auf neurologischem beziehungsweise neuropsychologischem Fachgebiet erfordern, um organische Ursachen abzuklären.
Die S1-Leitlinie "Long/Post-Covid" (Stand 30.05.2024) gibt vor, dass neurokognitive Beeinträchtigungen auch unter Berücksichtigung der psychischen Gesundheit zu interpretieren sind (siehe 15.2 Diagnostikempfehlungen). Dies gilt in vergleichbarer Weise für Fatigue. Daher ist in vielen Fällen neben der neurologischen beziehungsweise neuropsychologischen Begutachtung eine Begutachtung auf psychiatrischem Fachgebiet erforderlich.
Nach den gesetzlichen Vorgaben (§ 200 Absatz 2 SGB VII) haben die Unfallversicherungsträger den Versicherten drei Gutachter zur Auswahl zu benennen. Grundsätzlich steht es Versicherten frei, einen eigenen Gutachter oder eine eigene Gutachterin vorzuschlagen, der/die über die erforderliche Qualifikation verfügt.
Die Gutachten selbst sind unter Berücksichtigung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstandes zu erstellen. Die BGW kann Entscheidungen über Leistungen, wie zum Beispiel Rentenzahlungen, nur auf Basis des aktuellen medizinischen Wissensstands treffen. Wenn es neue Erkenntnisse gibt, können ablehnende Entscheidungen geändert werden.
Seit Juni 2025 gibt es eine Begutachtungsempfehlung zu Post-Covid, die in einem interdisziplinären Arbeitskreis entstanden ist. Beteiligt waren neben medizinischen Fachgesellschaften, Experten für Arbeitsschutz und Unfallversicherungsträgern auch die Betroffenen-Initiative ‚Long COVID Deutschland‘ und der Deutsche Sozialgerichtstag e. V.
Mit der Begutachtungsempfehlung liegen jetzt erstmals Qualitätsstandards für das Vorgehen vor. Damit soll eine einheitliche Begutachtung durch Sachverständige und eine einheitliche Rechtsanwendung durch Unfallversicherungsträger und Sozialgerichte erreicht werden. Aller Voraussicht nach wird dies auch zur Beschleunigung der Verfahren beitragen.
Eine Rentenzahlung muss abgelehnt werden, wenn für die gestellten Diagnosen kein hinreichend wahrscheinlicher Ursachenzusammenhang mit der ursprünglichen SARS-CoV-2-Infektion nachgewiesen werden kann. Eine Rente wird grundsätzlich erst ab einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 Prozent gezahlt.
Die BGW handelt im gesetzlichen Auftrag nach entsprechenden gesetzlichen Vorgaben. Versicherte haben einen Anspruch auf Rente, wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Gegen Verwaltungsakte der BGW können Versicherte Widerspruch einlegen. Über den Widerspruch entscheidet ein paritätisch aus Arbeitgebern und Versicherten besetzter Widerspruchsausschuss. In einem weiteren Schritt können Versicherte die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen durch die Sozialgerichtsbarkeit überprüfen lassen.