Kühlwesten auf dem Prüfstand Vergleichender Produkttest für Gesundheitseinrichtungen

Artikelnummer: BGW 09-14-045

Tage mit Temperaturen über 30 °C sind infolge des Klimawandels keine Seltenheit mehr. Was hilft Beschäftigten in Gesundheitseinrichtungen dabei, die Hitze besser zu ertragen? Abkühlung versprechen Kühlwesten. Aber sind sie wirklich praxistauglich? Die BGW hat in einem umfassenden Produkttest 10 marktrelevante Kühlwesten untersucht. Wer Kühlwesten in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen einsetzen möchte, muss dabei einiges bedenken. 

Kühlwesten schnelle Lösung bei Hitze?

Ab 26 °C Raumtemperatur müssen Arbeitgebende Maßnahmen prüfen, um negative Auswirkungen für ihre Beschäftigten zu reduzieren (ASR A3.5 „Raumtemperatur“). Hierfür notwendig sind effektive Kühlstrategien in durchdachten Hitzeschutzplänen. Darin häufig genannt: Kühlwesten. Sie scheinen im Vergleich zu baulichen Maßnahmen – wie etwa Sonnenschutz-, Lüftungs- und Kühlsystemen – eine einfache, schnelle und kostengünstige Lösung zu sein.

Für den Einsatz in Krankenhaus oder Pflege gibt es jedoch einiges zu bedenken:

Ein Mann zieht eine blaue Kühlweste über sein Shirt. Vor ihm auf dem Tisch liegt ein Fragebogen mit Stiften.

Wie praxistauglich sind die Kühlwesten?

  • Erfüllen Kühlwesten die dort gültigen Hygienevorschriften?
  • Beeinflussen Schutzkittel und Arbeitskleidung die Kühlleistung?
  • Behindern Kühlwesten Arbeitsabläufe und Pflegeprozesse?
  • Welche organisatorischen Maßnahmen sind notwendig, um Kühlwesten effizient einzusetzen?

Aus Sicht der Nutzenden sollten die Kühlwesten über einen ausreichend langen Zeitraum konstant kühlen. Gleichzeitig muss sich die Weste schnell und unkompliziert aktivieren und anziehen lassen, ohne den Arbeitsablauf zu stören. Außerdem darf sie nicht einengen oder sich unangenehm auf der Haut anfühlen, geschweige denn sie reizen. Die Bewegungsfreiheit sollte nicht eingeschränkt werden. Und: Die Kühlweste sollte das professionelle Erscheinungsbild der Beschäftigten nicht beeinträchtigen.

So funktionieren Kühlwesten

Die Kühlwesten basieren auf unterschiedlichen Kühlprinzipien. Für den Einsatz in Gesundheitseinrichtungen kommen PCM- sowie Verdunstungskühlwesten infrage:

Bild vergrößern Diagramm: Kühlleistung im Vergleich, dargestellt mit verschieden farbigen Grafen. Höchste maximale Kühlleistung erreicht die BodyCap Sport, gefolgt von der BodyCap Komfort und der INUTEQ PCM CoolOver 21C.

Die maximale Kühlleistung flacht in den ersten 20 Minuten rasch ab. Entscheidend ist aber nicht unbedingt hohe maximale Kühlleistung, sondern Kühlung über einen ausreichend langen Zeitraum.

  • PCM-Kühlwesten (PCM = Phase Change Material) verwenden Kühlelemente, die entweder in die Weste eingelegt werden oder fest eingearbeitet sind. Durch Lagerung im  Kühlschrank nehmen die Elemente Kälte auf und erstarren. Beim Tragen absorbieren die Kühlelemente Körperwärme, wodurch sie langsam schmelzen und die Person kühlen.
  • Verdunstungskühlwesten nutzen den Verdunstungsprozess, um Wärme abzuleiten. Ihr synthetisches Material speichert Wasser, das durch die Umgebungstemperatur und die Körperwärme verdunstet. Das entzieht dem Körper Wärme und kühlt die Haut. Zur Aktivierung werden die Westen in Wasser getränkt.

So haben wir getestet

Mehrere unabhängige Prüfinstitute haben die Kühlwesten geprüft – mit wissenschaftlichen Labortests und praktischer Bewertung durch Pflegekräfte und Fachpersonen aus dem Gesundheitswesen.

Untersucht wurden diese Aspekte: 

  • Schadstoffe: Sind die Westen frei von Schadstoffen nach OEKO-TEX® STANDARD 100?
  • Kühlleistung im Labortest: Wie stark und wie lange kühlen die Kühlwesten?
  • Hautfreundlichkeit: Bestehen aus dermatologischer Sicht Risiken für die Haut?
  • Praxistauglichkeit: Wie ist der Tragekomfort der Westen? Wie ist die Akzeptanz bei Pflegekräften? Bewertet wurden die Bedienung und der Tragekomfort im Pflegealltag.
  • Haltbarkeit/Materialbeständigkeit und Reinigung: Erfüllen die Westen die hohen Hygienestandards von Krankenhäusern? Funktionieren sie auch noch nach 50 desinfizierenden Reinigungszyklen? Wie reiß- und berstfest sind die Produkte?

Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick

Bild vergrößern Balkendiagramm: Verteilung der Gesamtnoten für die 17 Venenverweilkanülen. Ganz links der Balken "sehr gut" (Anzahl 3), daneben "gut" (4), in der Mitte "befriedigend" (1), daneben "ausreichend" (2) und ganz rechts "mangelhaft" (7)

Das Balkendiagramm zeigt die Mittelwerte über alle 10 Kühlwesten. Unter dem Kasack verlängert sich die Kühldauer durchschnittlich um 39 Prozent. 

Ob sich eine Kühlweste für eine Gesundheitseinrichtung eignet, hängt maßgeblich davon ab, welche Anforderungen an die Reinigung sowie den Einsatzzweck bestehen. Je nach Rahmenbedingungen fällt die Bewertung unterschiedlich aus. Wenn Kühlwesten nach Krankenhausstandards gereinigt werden müssen und gleichzeitig in Bereichen mit vor­geschriebener persönlicher Schutzausrüstung eingesetzt werden sollen, eignet sich von den 10 getesteten Modellen nur eines.

Die maximale Kühlleistung der Kühlwesten variiert um bis zu 300 Prozent. Manche Westen sind für einige Menschen zu kalt. Überraschend: Im Test zeigte sich, dass die maximale Kühlleistung im Schnitt um 25 Prozent höher ist, wenn die Kühlwesten unter und nicht über einem Kasack getragen werden. Die Kühldauer wird dadurch im Durchschnitt um 39 Prozent verlängert. Sie variiert zwischen 2 bis über 4 Stunden. Die Westen unter dem Kasack zu tragen, ist zudem auch aus hygienischer Sicht empfehlenswert.

Verdunstungswesten wurden als angenehmer zu tragen empfunden als PCM-Westen. Für die Lagerung und Aktivierung sind Kühlschränke, Wannen und Platz nötig. Die Aktivierungszeit der Kühlwesten liegt zwischen wenigen Sekunden bis über 15 Minuten – vorausgesetzt, die PCM-Elemente sind gekühlt im Kühlschrank vorrätig.

Alle detaillierten Ergebnisse finden Sie in der Vergleichstabelle in der Broschüre ab Seite 26.

Die Ergebnisse von BGW test können Sie als Hilfe bei Ihrer Kaufentscheidung nutzen – für einen gesunden, sicheren Arbeitsalltag. Beziehen Sie Ihre Beschäftigten aktiv ein und testen Sie die Kühlwesten vor dem Kauf.

Wie wähle ich passende Kühlwesten aus?

Worauf Sie beim Auswählen achten sollten
  • Kühlleistung und Kühldauer: Aufgrund des subjektiven Kälteempfindens sollten Sie Kühlwesten zusammen mit den Beschäftigten aussuchen. Je kürzer die Kühldauer, desto mehr Kühlwesten werden benötigt.
  • Tragedauer: Die maximale Tragezeit von Kühlwesten sollten Sie gemäß den Hersteller­angaben festlegen. Westen mit Restfeuchte oder ohne Atmungsaktivität sollte niemand regelmäßig länger als 2 Stunden tragen. Weisen Sie die Beschäftigten an, wie sie negative Auswirkungen der Kühlwesten erkennen – etwa anhand von Kreislaufbeschwerden, Unwohlsein, Hautirritationen, Frieren. Dann sollten sie die Westen ausziehen.
  • Lagerung: Für PCM-Kühlwesten müssen Kühlschränke oder Tiefkühlgeräte zur Verfügung stehen. Da externe Kühlelemente verloren gehen können, empfiehlt sich ein gutes Lagerungs­system. Für Verdunstungswesten benötigen Sie Platz zum Aufhängen und Trocknen. Außerdem in unmittelbarer Nähe Wasserwannen für die Aktivierung.
  • Aktivierung: Westen, die sich schnell aktivieren lassen, erhöhen die Tragebereitschaft. Achten Sie bei PCM-Westen auf die Anzahl einzusetzender Kühlelemente. Verdunstungs­westen sollten aus hygienischen Gründen  nicht in Waschbecken aktiviert werden. Vermeiden Sie bei Verdunstungswesten Restfeuchtigkeit.
  • Reinigung und Aufbereitung: Eignet sich die Kühlweste für die Wischdesinfektion oder für Waschverfahren nach Krankenhausstandard? Ansonsten müssen die Kühlwesten stets unter der Arbeitskleidung getragen  werden, um Kontaminationen zu vermeiden.
  • Gewicht: Leichte Kühlwesten erhöhen den Tragekomfort und halten die zusätzliche Belastung bei Hitze gering.
  • Tragweise: Empfehlenswert ist ein atmungsaktives Unterhemd, um Hautkontakt mit der Kühlweste zu verhindern. Aus hygienischen Aspekten sollte die Kühlweste unter der Arbeitskleidung getragen werden.
  • Tragekomfort: Die Kühlwesten sollten leicht unter der Arbeitskleidung zu tragen sein, nicht einengen und die Bewegungsfreiheit nicht mindern.
  • Lebensdauer der Kühlelemente: Kühlwesten lassen sich unterschiedlich oft aktivieren. Im Test wurden bis zu 60 Aktivierungen bzw. eine Haltbarkeit von bis zu 3 Jahren dokumentiert. Da nicht alle Hersteller hierzu Angaben machen, sollten Sie eventuell vor der Beschaffung direkt beim Hersteller nachfragen.
  • Verarbeitung: Prüfen Sie die Verarbeitung auf Risiken für Reibungsstellen wie Reiß- oder Klettverschlüsse, Knöpfe, Nähte, Schnallen und scharfkantige Applikationen.
  • Herstellerangaben: Die Herstellerangaben sind oft nicht ausreichend. Sprechen Sie Hersteller zur Unterstützung für die Unterweisung in die richtige Anwendung der Kühlwesten an.
  • Temperatur: Kühlpacks von PCM-Westen sollten nicht kälter als 15 °C sein, um Hautreizungen und Kälteverbrennungen zu verhindern. Achten Sie darauf, dass kälteempfindliche Organe wie die Nieren nicht gekühlt  werden.

 

Dieser Artikel ist ausschließlich als PDF verfügbar und nicht bestellbar.