Ehrenamtlich helfen – aber sicher!
Sie unterstützen, begleiten, packen mit an. Ihr Lohn ist die Freude, die sie anderen bereiten, und das Wissen, Gutes zu tun. Wer unentgeltlich beziehungsweise ehrenamtlich im Einsatz für andere ist, sollte dabei auf die eigene Absicherung zählen können. Wie sorgen die Einrichtungen für gesunde Einsatzbedingungen?
Ehrenamtliches Engagement kann sehr vielfältig sein. 2023 gab es laut der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse in Deutschland etwa 16 Millionen ehrenamtlich Tätige. Viele Gruppen von Freiwilligen können auf den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zählen – und für einen erheblichen Teil davon ist die BGW zuständig. Die Einrichtungen der Wohlfahrtspflege melden jährlich der BGW, wie viele Ehrenamtliche sie im Einsatz hatten. 2023 waren das insgesamt 1.070.705 Personen.
Der Begriff "Ehrenamt" wird zwar insbesondere für die Übernahme eines gewählten öffentlichen Amts verwendet. Hier geht es jedoch um all diejenigen, die sich bürgerschaftlich beziehungsweise freiwillig engagieren und unentgeltlich tätig sind – und dies im Auftrag von jemandem. Unentgeltliches Engagement im Bereich von Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege ist in der Regel über die BGW abgesichert. Unter den Schutz fallen auch einmalig oder nur gelegentlich ausgeübte Hilfstätigkeiten sowie Unfälle auf dem Weg zum oder vom Einsatz. Falls eine geringe Aufwandsentschädigung – also kein Lohn oder Gehalt – gewährt wird oder die Fahrtkosten erstattet werden, hat das keine Auswirkung.
Automatisch gut versichert
Die Helfenden müssen sich nicht selbst bei der BGW anmelden, genauso wenig muss die Einrichtung etwas veranlassen. Es wird auch kein individueller Beitrag fällig. Im Bereich der Wohlfahrtspflege kommen alle Unternehmen mit einer geringen Ausgleichsumlage solidarisch für den Versicherungsschutz auf. Berechnungsgrundlage sind die Entgelte der Beschäftigten
Selbst wenn eine Einrichtung keine fest angestellten Beschäftigten hat, greift der Versicherungsschutz der BGW für die unentgeltlichen Helferinnen und Helfer: Sie sind bei allen Tätigkeiten im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Aufgabe gegen die Folgen von Arbeits- oder Wegeunfällen sowie Berufskrankheiten abgesichert. Neben vielen weiteren Leistungen erhalten sie beispielsweise Verletztengeld als Ersatz für Verdienstausfall während der medizinischen Rehabilitation.
Einsatz ohne Gefährdung
Freiwilliges Engagement ist gut – sichere und gesunde Rahmenbedingungen sind jedoch Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz. Deshalb müssen die Einrichtungen sich um den Schutz ihrer Ehrenamtlichen genauso kümmern wie um den der angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch wenn das Arbeitsschutzgesetz nur von "Beschäftigten" spricht, sorgt das Sozialgesetzbuch VII in Verbindung mit der DGUV Vorschrift 1 dafür, dass für alle Versicherten der gesetzlichen Unfallversicherung das gleiche Schutzniveau gilt. Ehrenamtlich Tätige sind insbesondere bei Gefährdungsbeurteilungen, Unterweisungen und der Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu behandeln wie das übrige Personal in den Einrichtungen.
DGUV Vorschrift 1 – §2 Grundpflichten des Unternehmers
(1) Der Unternehmer hat die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie für eine wirksame Erste Hilfe zu treffen. (…) Die in staatlichem Recht bestimmten Maßnahmen gelten auch zum Schutz von Versicherten, die keine Beschäftigten sind.
Risiken und Schutzmaßnahmen klären
Wer sich mit großer Motivation für das Wohl anderer einsetzt, denkt oft nicht gleich an die eigene Gesundheit. Der Aufklärungsbedarf kann dementsprechend höher sein als bei den festen Mitarbeitenden. Die Einsatzorganisationen müssen zudem berücksichtigen, dass viele Ehrenamtliche Neulinge im jeweiligen Aufgabengebiet sind. Welches Wissen benötigen sie, um ihrer Tätigkeit ohne gesundheitliche Risiken nachzugehen? Wie eng sind sie an die vorhandenen Schutz- und Informationsstrukturen angebunden?
Fragen wie diese sind vor dem Einsatz unentgeltlicher Helferinnen und Helfer zu klären. Mit Blick auf die gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung heißt das auch: Diese Personengruppe muss bei der Analyse der Arbeitsbereiche und Tätigkeiten gezielt betrachtet werden. Wo ergeben sich beispielsweise zusätzliche oder besondere Gefährdungen? Welche Schutzmaßnahmen sind nötig? Wie können sie verlässlich umgesetzt werden?
Das Thema Psyche darf dabei nicht außen vor bleiben. Anderen zu helfen, kann einem viel zurückgeben. Doch aus der ehrenamtlichen Tätigkeit heraus kann es auch zu psychischer Belastung kommen: Da sind die Sorgen und Nöte derer, die man unterstützt. Das Leid, das man miterlebt. Vielleicht auch die eigene Hilflosigkeit, wenn nur wenig für die Betroffenen getan werden kann. Freiwillige Hilfe bietet oft den Vorteil von Flexibilität und einer gewissen Freiheit zur Selbstgestaltung – doch trotzdem oder gerade deshalb kann Überforderung entstehen.
Weitere Aspekte, die bei der Gefährdungsbeurteilung eine besondere Rolle spielen können, sind beispielsweise Alleinarbeit und die persönliche Sicherheit beim Umgang mit Dritten. Aggressionen oder Gewalt gegen die Helferinnen und Helfer müssen vermieden werden. In bestimmten Einsatzbereichen sind Deeskalationstrainings angezeigt. Für den Fall der Fälle ist sicherzustellen, dass sofort Hilfe geleistet werden kann und auch darüber hinaus ein Auffangsystem bereitsteht. Unabhängig von Hilfsstrukturen für besondere Situationen erhalten Angestellte in der Regel Rückhalt durch Führungskräfte oder Kolleginnen und Kollegen – Ehrenamtliche sollten rund um ihr Einsatzgebiet auf ein vergleichbares soziales Netzwerk zählen können.
Betriebliche Erste Hilfe
Gute Vorbereitung ist auch beim Thema Erste Hilfe wichtig: Sollten ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sich beim Einsatz verletzen oder einen medizinischen Notfall haben, müssen sie gut versorgt werden. Im Idealfall sind Ersthelfende aus dem Kreis der festangestellten Beschäftigten vor Ort. Falls die betriebliche Erste Hilfe nur unter Beteiligung von Ehrenamtlichen sichergestellt werden kann, trägt die BGW die Kosten für die entsprechende Aus- und Fortbildung dieser Personen.
Ehrenamtliche gezielt informieren
Die Fragestellungen rund um den ehrenamtlichen Einsatz unterscheiden sich je nach Tätigkeitsfeld: Schutz vor Infektionsrisiken, psychische und körperliche Belastungen, Unfallgefahren … Die größte Herausforderung für die Einsatzorganisation ist aber stets die gleiche: einen kontinuierlichen Informationsfluss zu gewährleisten. Das fängt bei der Einarbeitung an, geht jedoch nahtlos weiter. Verständliche und praxisnahe Unterweisungen sind Pflicht – und keine einmalige Angelegenheit. Bei längeren Einsätzen müssen sie in regelmäßigen Abständen erneut stattfinden. Auch Änderungen müssen zeitnah kommuniziert werden. Bei der Gestaltung der Tätigkeit von Ehrenamtlichen können sich die Einrichtungen beraten lassen, insbesondere bei der Gefährdungsbeurteilung. Fachkräfte für Arbeitssicherheit sowie Betriebsärztinnen und -ärzte helfen weiter. Sie stehen auch als Ansprechpersonen für die unentgeltlich Tätigen zur Verfügung.
Gut zu wissen: Bei der vorgeschriebenen betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung von Unternehmen werden zunächst nur Beschäftigte berücksichtigt, solange es darum geht, die Betreuungsform auszuwählen und eine Grundbetreuung zu gewährleisten. Die Ehrenamtlichen sind aber im betriebsspezifischen Teil der Betreuung zu berücksichtigen. Dazu gehört beispielsweise die arbeitsmedizinische Vorsorge.
Ähnlich ist es beim Einsatz von Sicherheitsbeauftragten in Unternehmen mit regelmäßig mehr als zwanzig Beschäftigten: Ehrenamtliche werden zwar nicht eingerechnet, wenn die erforderliche Zahl der Sicherheitsbeauftragten ermittelt wird – aber von diesen mitbetreut. Insbesondere sollen Sicherheitsbeauftragte auf Unfall- oder Gesundheitsgefahren aufmerksam machen und darauf achten, dass Schutzmaßnahmen umgesetzt werden.
Anlaufstellen und regelmäßiger Austausch
In weiten Bereichen der Wohlfahrtspflege sind die unentgeltlichen Helferinnen und Helfer schon lange unverzichtbar. Je besser sie in betriebliche Strukturen und Abläufe eingebunden werden, desto zielgerichteter können sie ihrer Tätigkeit nachgehen. Werden neue Einsatzgebiete aufgebaut, lohnt es sich, von Anfang an feste Anlaufstellen und geeignete Informationskanäle einzurichten. Einen wichtigen Beitrag leistet zudem der regelmäßige, persönliche Austausch – sowohl mit der Einsatzleitung und den angestellten Mitarbeitenden als auch untereinander.
Wenn die Rahmenbedingungen des Einsatzes deutlich machen, wie sehr das Engagement der Freiwilligen geschätzt wird, ist das eine Form der Anerkennung und motiviert. Das hat für die Einrichtungen große Bedeutung: Sie wollen schließlich dauerhaft auf die Unterstützung der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer zählen.
Zehn Tipps für die Einsatzplanung
Wie sind die Ehrenamtlichen in die Einrichtung eingebunden? Welche Rolle und Bedeutung kommt ihnen zu? Wie wird ihre Sicherheit und Gesundheit gewährleistet?
Wer ist für die Tätigkeit geeignet? Gibt es besondere Anforderungen, zum Beispiel bei komplexen, herausfordernden Aufgaben?
Auch mit unentgeltlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollten wesentliche Punkte schriftlich festgelegt werden, zum Beispiel die Art und Häufigkeit des Einsatzes.
Wer ist wann wo tätig? Was steht in der nächsten Zeit an? Das zu klären, sorgt auf allen Seiten für Verlässlichkeit. Achtung: Auch bei Ehrenamtlichen Unfälle im Verbandbuch erfassen!
Was müssen sie wissen? Wer hilft ihnen weiter – auch bei Notfällen? Wie sieht es mit dem Versicherungsschutz oder mit Haftungsfragen aus? Gibt es beispielsweise eine Haftpflichtversicherung über die Organisation oder müssen die Ehrenamtlichen sich um eine eigene kümmern?
Welche Freiheiten haben die Ehrenamtlichen? Was sollten sie auf jeden Fall beachten?
Regelmäßige Termine und Treffen ermöglichen den Erfahrungsaustausch.
Was gibt es Neues im Aufgabenfeld oder in der Einrichtung? Wer Hintergründe vermittelt, sorgt auch für Identifikation mit der Einsatzorganisation.
Regelmäßiges Feedback, ein kleines Dankeschön zwischendurch oder eine Einladung zu Teamevents zeigen, dass die Freiwilligen keine Lückenbüßer, sondern eine wichtige Stütze sind.
Je dauerhafter der Einsatz, desto professioneller sollte das Freiwilligenmanagement aufgezogen werden. Dazu gehören auch Informations- und Weiterbildungsangebote für die Ehrenamtlichen.