Arbeitsschutz in Physiotherapiepraxen Teil 2: Die Basics des Arbeitsschutzes #86 BGW-Podcast "Herzschlag - Für ein gesundes Berufsleben"
Der Arbeitsschutz ist nicht immer das beliebteste Thema in Unternehmen, aber ein besonders wichtiges. In dieser Folge verrät uns Alexander Roth von der BGW, was zu den Basics des Arbeitsschutzes zählt. Das Ganze schauen wir uns am Beispiel der Physiotherapie einmal genauer an.
Hier gibt es oft auch kleinere Betriebe, die noch einmal mit ganz anderen Herausforderungen zu kämpfen haben. Wo fängt man beim Thema Arbeitsschutz am besten an und was sollte man bei der Gefährdungsbeurteilung beachten? Die Antworten darauf gibt's in dieser Folge. Außerdem erfahren wir, was der Erfolg eines Unternehmens mit dem Arbeitsschutz zu tun hat.
Hier kommen Sie zum Transkript dieser Folge
Moderator: Auf Baustellen sind Handwerkerinnen und Handwerker in der Regel nicht ohne Schutzhelm und Sicherheitsschuhe unterwegs. Ganz schön laut da auch. Wer bei der Polizei arbeitet, der trägt im Einsatz eine Schutzweste und bei einer Operation gehören Masken, Kittel und Überzieher zur Grundausstattung. Zugegeben, bei diesen Beispielen liegt es auf der Hand, dass die Arbeit mit gewissen Risiken verbunden ist. Das gilt natürlich für jeden Beruf, auf irgendeine Art und Weise. Deshalb sollte das Thema Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz auch in allen Betrieben eine wichtige Rolle spielen. Ich bin Ralf Podszus und ich schaue mir heute die Basics des Arbeitsschutzes am Beispiel der Physiotherapie genauer an. Und damit knüpfe ich an die Herzschlag-Folge 82 an: Arbeitsschutz in Physiotherapie-Praxen Teil 1. Dort haben wir gehört, wie die Betriebskontrolle in therapeutischen Praxen aussieht. Ihr hört da gerne noch mal rein, falls ihr die Folge noch nicht kennt. Jetzt starten wir erstmal diese Folge, okay?
Intro
Moderator: Alexander Roth von der BGW ist Experte in Sachen Arbeitsschutz. Welche Tipps er in Bezug auf die Gesundheit und Sicherheit in therapeutischen Praxen hat, das wird er uns gleich verraten. Hallo Alexander.
Alexander Roth: Hallo Ralf.
Moderator: Du bist Aufsichtsperson im Vorbereitungsdienst bei der BGW Bezirksstelle in Würzburg. Ja, was sind denn da ganz konkret deine Aufgaben und was macht dich gerade im Bereich Physiotherapie zum Experten, wenn es um die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz geht?
Alexander Roth: Ja, als Aufsichtsperson betreiben wir schlussendlich Präventionsarbeit. Das heißt, wir wollen verhindern, dass etwas im Arbeitskontext passiert. Und dazu überwachen wir und beraten wir die von uns versicherten Betriebe, und dazu gehören eben auch entsprechend Physiotherapie-Praxen, das heißt, wir fahren zu den Betrieben raus, führen eine Betriebsbesichtigung vor Ort durch und gleichen dann dort den Ist- und Soll-Zustand im Arbeitsschutz ab. Der Unternehmer beziehungsweise der Praxisinhaber justiert daraufhin entsprechend nach und wir verfolgen das Ganze dann auch nach. Also das was besprochen wird, das was festgestellt wurde, das muss entsprechend dann auch nachjustiert werden. Ja, das macht mich zum Experten im Bereich des Arbeitsschutzes. Also Experte finde ich persönlich ein bisschen übertrieben, aber vielen Dank für die Vorschuss-Lorbeeren, ne.
Moderator: Ja, gerne. Wir checken das am Ende der Folge noch mal aus, Alexander.
Alexander Roth: Also ich denke ich kenn halt einfach beide Perspektiven. Ich kenn einmal die Perspektive aus der Sicht des Physiotherapeuten und einmal aus der Sicht der Aufsichtsperson. Und dadurch fällt es mir gegebenenfalls ein bisschen leichter, Theorie und Praxis im Kontext des Arbeitsschutzes in der Branche zu verbinden.
Moderator: Was sind die größten Gefahren, also auch die Gefährdungsquellen in der Physiotherapie?
Alexander Roth: Also die größten Gefährdungsquellen, die können ganz unterschiedlich ausfallen. Also es kommt ganz darauf an, auf welche Fachrichtung sich eine Praxis schlussendlich spezialisiert hat. Also es gibt zum Beispiel Praxen, die haben sich allein auf den Bereich Pädiatrie spezialisiert oder auf den Bereich Geriatrie, das sind natürlich ganz verschiedene Gefahrenquellen dann vor Ort, ich denke, ganz allgemein, können hier aber trotzdem gewisse Themen genannt werden, das sind einmal die Themen oder die Gefährdungen, die auf einen längeren Zeitraum sich entwickeln und Gefährdungen, die eher akut passieren können. Gefährdungen, die länger existieren oder über einen längeren Zeitraum sich ereignen können, sind zum Beispiel Hautprobleme. Ich denke mal, du kannst dir ganz gut vorstellen, wenn du als Therapeut arbeitest, hast du eine gewisse Taktung, die du Patienten abarbeiten musst. Und nach jedem Patienten musst du gegebenenfalls die Hände desinfizieren oder vielleicht auch waschen, das kann auf lange Sicht gesehen natürlich die Haut beeinträchtigen. Ein anderer guter Punkt wären die Rückenbeschwerden, also Rückenbeschwerden klingt vielleicht jetzt erstmal absurd, weil eigentlich sind Physiotherapeuten ja, könnte man meinen, die Experten, was Sachen wie Rückenbeschwerden angehen. Als Patient gehe ich zum Therapeuten.
Moderator: Ich meine ich hab auch rauchende Ärzte und Ärztinnen gesehen, auch Lungenfachkräfte.
Alexander Roth: Ja, also wir sind alles nur Menschen, auch wenn wir wissen, was zu tun ist. Nach einem anstrengenden Arbeitsschutz und vielleicht einer privaten Verpflichtung im Nachgang mache ich auch nicht immer das Richtige. Ne, also das ist denke ich was ganz normales und wenn sich das über 20, 30 Jahre im Leben hinzieht, können sich hier natürlich auch körperliche Beschwerden wie Rückenprobleme einfach entwickeln. Und als drittes, das würde ich auch gerne hier auf jeden Fall nennen, das sind die psychischen Belastungen.
Ich hab die Taktung bereits angesprochen, sagen wir mal, ich arbeite im 20 Minuten Takt, das heißt ich habe einen gewissen zeitlichen Druck, der immer dahinter steht und ich möchte dem Patienten gerecht werden innerhalb dieser Zeit, ich will meinen eigenen Ansprüchen innerhalb dieser Zeit gerecht werden und das macht was als Physiotherapeut mit einem. Also es gibt verschiedenste Fortbildungen und jeder denkt, man muss alle Fortbildungen machen, man muss alles können, man muss der Heiler schlechthin sein, das ist natürlich nicht der richtige Ansatz. Und das geht vielleicht mal ein, zwei Wochen gut oder vielleicht auch ein paar Monate, aber über die Jahre gesehen kann es natürlich zu Problemen führen. Das sind aber wie gesagt alles nur die Themen, die sich über längere Zeit entwickeln. Jetzt gibt es natürlich auch Gefährdungen, die akut auftreten können.
Wir führen ja auch Hausbesuche durch, also Physiotherapeuten fahren zu Leuten nach Hause, die vielleicht nicht mehr gehfähig sind, um auch hier Behandlungen durchzuführen. Das in Kombination mit einer sehr engen Taktung und Patienten, die einen gegebenenfalls aufhalten oder ich finde nicht gleich einen Stellplatz für meinen Dienstwagen oder mein Dienstfahrrad. Das kann dazu führen, dass wir natürlich uns unter, ja unter so einen gewissen Zeitdruck setzen. Ich muss jetzt schnell zum nächsten, weil der Patient dann später wartet, dann schon wieder da in der Behandlung und der nächste Patient wartet ja auch schon wieder, dann kann es dazu führen, dass ich natürlich vielleicht nicht ordnungsgemäß nach links und rechts schaue, weil ich es einfach zu eilig habe, also betriebliche Wegeunfälle sind auch ein ganz, ganz wichtiger Faktor, was an Gefährdungen existiert.
Moderator: Was sind denn so die Basics beim Arbeitsschutz in der Physiotherapie, Alexander?
Alexander Roth: Also die Basics unterscheiden sich jetzt grundsätzlich nicht von anderen kleineren Betrieben oder auch größeren Betrieben. Also das Wichtigste ist schlussendlich immer erst einmal die Organisation, wir brauchen eine Grundlage, auf der das Ganze aufbaut und erst wenn ich diese Basis habe, dann kann ich den Arbeitsschutz auch adäquat umsetzen. Also ich kann nicht planlos mit irgendwas beginnen, ich muss meine Basis schaffen, wenn ich die habe, dann kann ich den Arbeitsschutz auch so umsetzen, so wie er auszusehen hat.
Moderator: Hast du mal ein paar Beispiele für uns?
Alexander Roth: Ein Beispiel wäre, wenn ich zum Beispiel direkt mit einer Gefährdungsbeurteilung anfange, ohne mich vorher informiert zu haben, wie das eigentlich durchzuführen ist. Das kann entsprechend natürlich nichts werden. Genauso kann ich, wenn ich keine Gefährdungsbeurteilung habe, direkt alle Gefährdungen erkennen. Ich brauche hier ein systematische Vorgehen. Also der Schlüssel zum erfolgreichen Arbeitsschutz ist schlussendlich immer die Systematik bei der Vorgehensweise.
Moderator: Gerade im Bereich Physiotherapie gibt es oft kleinere Betriebe mit wenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Worin unterscheidet sich hier der Arbeitsschutz im Vergleich zu größeren?
Alexander Roth: Ja, wir können das ja mal anhand, im Vergleich zu einem Pflegeheim machen. Ein Pflegeheim ist in der Regel größer, hat mehr Mitarbeiter, die Verantwortung ist schlussendlich erst einmal identisch, also die Verantwortung ist im Pflegeheim, beim Geschäftsführer, in der Praxis ist es in der Regel die Praxisinhaberin oder Praxisinhaber, also das ist erstmal identisch. Der Unterschied ist allerdings, dass der Geschäftsführer im Pflegeheim in der Regel nicht ins Tagesgeschäft eingebunden ist. Der Geschäftsführer kommt vielleicht aus der Pflege, aber er ist nicht mehr in der Pflege tätig. Eine Praxisinhaberin oder ein Praxisinhaber arbeitet in der Regel noch ganz normal auch an Patienten und das merken wir allein schon immer an der Terminvereinbarung.
Also wenn ich einen Termin zur Betriebsbesichtigung in einem Pflegeheim mach, hab ich den Termin gegebenenfalls in 2 Wochen, wenn ich in der Physiotherapie-Praxis anrufe ja, also von 2 Wochen ist da keine Rede, der Plan ist voll, also wenn ich Glück habe kann ich in einem Monat vorbeikommen und es wurde ja auch in der letzten Podcast Folge bereits erwähnt, wir können natürlich auch spontan vorbeikommen, aber natürlich ist es in der Therapiepraxis, wo ja einfach laufend Patienten getaktet sind, nicht gerade förderlich. Was einen weiteren Unterschied darstellt zwischen den großen und kleinen Unternehmen, ist, dass der Geschäftsführer einem Pflegeheim gewisse Verantwortungen im Arbeitsschutz auf seine führenden Mitarbeiter übertragen kann, in Form von einer Pflichtenübertragung, das heißt, der Arbeitsschutz wird auf mehrere Mitarbeiter eben aufgesplittet. Das macht eine Praxisinhaberinerin oder ein Praxisinhaber in der Regel nicht, weil da hat man keine Abteilungsleiter.
Wenn wir jetzt einen 7 Mann-Betrieb nehmen, da hat man in der Regel jetzt nicht unbedingt noch mal eine eigene Führungsposition. Die Verantwortung bleibt trotzdem beim Geschäftsführer, aber er hat trotzdem Unterstützung im Team, das ist eine ganz wertvolle Unterstützung für den Unternehmer. Und als dritten Grund, der mir jetzt hier wirklich spontan einfällt ist, es gibt ja die Fachkraft für Arbeitssicherheit und den Betriebsarzt, die müssen Einsatzzeiten je nach Größe des Betriebes ableisten. In einem größeren Betrieb ist die Fachkraft für Arbeitssicherheit relativ häufig vor Ort. In kleineren Unternehmen kann es sein, dass die Fachkraft für Arbeitssicherheit alle 5 Jahre da ist. Das heißt, der Unternehmer ist sehr auf sich alleine gestellt. Und dadurch, dass er in der Kombination mit dem Eingebunden-sein im Tagesgeschäft, hat er natürlich nicht die Kapazitäten, sich so umfangreich um den Arbeitsschutz zu kümmern wie ein Geschäftsführer im Pflegeheim.
Moderator: Da gibt es wirklich einiges zu beachten. Ja, ein paar Beispiele hast du uns jetzt auch schon genannt, Alexander, du reifst langsam zum Experten heran, muss ich feststellen, ja, also es könnte am Ende klappen, wenn die Folge vorbei ist.
Alexander Roth: Bin ich ja froh, dass ich so wirke.
Moderator: Wo fängt man jetzt am besten an, wenn man sich mit dem Thema Arbeitsschutz beschäftigt?
Alexander Roth: Also ich hatte ja vorhin bereits erwähnt, dass die Basis erst mal eine gute Organisation ist, dass wir ein strukturiertes Vorgehen brauchen und jetzt ist es natürlich so, jetzt ist es zwar schön und gut, ich weiß dass ich mit der Basis anfangen muss aber wie mache ich das denn jetzt eigentlich? Wo kriege ich die Informationen her? Und da würde ich immer erstmal empfehlen: Geht an eure Verbände heran. Also wir haben viele Verbände in der Physiotherapie, manche haben in Sachen Arbeitsschutz mehr Informationen, manche weniger. Informiert euch dahingehend. Aber ihr könnt euch genauso gut bei uns informieren.
Wir haben auch viele nützliche Informationen auf der Website. Wir können uns auch gerne anrufen dahingehend und was ich eigentlich fast allen rate ist, sich untereinander auszutauschen. Also vielleicht kenne ich Kollegen, die zusammen mit mir die Ausbildung gemacht haben, ich habe Kollegen, mit denen habe ich zusammen Fortbildungen bestritten und in der Physiotherapie machten sehr, sehr viele Fortbildungen, das heißt, ich habe an sich ein relativ großes Netzwerk, auf das ich zurückgreifen kann, und vielleicht habe ich hier einen Kollegen, der vielleicht schon seit 20 Jahren Praxisinhaber ist, und ich möchte mich jetzt selbstständig machen. Dann kann ich natürlich an den herantreten und fragen: Hey, was muss ich denn hier eigentlich alles beachten? Ich bin da auch ganz ehrlich, es gibt ganz, ganz viele Regelungen und Verordnungen, da blickt am Anfang kein Mensch durch. Also ich hab hier angefangen und ich war auch erst mal vor einem Berg gestanden und natürlich muss mir das erst mal einer erklären, damit ich das erstmal verstehe. Und auf Grundlage dieser Informationen kann ich dann weitergehen. Also ich habe meine Basisinformationen und anhand dessen sorge ich dann dafür, dass ich die Arbeitsschutzmaßnahmen umsetze.
Moderator: Stichwort Gefährdungsbeurteilung. Was sollte man hier beachten?
Alexander Roth: Ich erkläre vielleicht erstmal die Gefährdungsbeurteilung, so wie es mir ein Kollege an meinem, glaube ich 8. / 9. Arbeitstag mal erklärt hat. Bei der Gefährdungsbeurteilung gehe ich in einen Raum. Ich schaue mir an, was kann hier passieren und ich überlege mir, wie schwer ist das Ausmaß, was hier passieren kann, wie häufig kann das vielleicht auch passieren. Und anhand dessen überlege ich mir Maßnahmen. Jetzt ist aber wichtig, sie sich nicht nur zu überlegen, sondern sie auch durchzuführen, das ist denke ich relativ logisch. Und diese Maßnahmen dann auch entsprechend auf Wirksamkeit zu überprüfen. Und dann ist es wichtig, dass ich das nicht nur einmal gemacht, sondern dass ich das in regelmäßigen Abständen mache, also nach 2 Jahren beispielsweise mir überlege, hey, greifen denn meine Maßnahmen überhaupt noch? Ich hab neue Mitarbeiter, ich hab vielleicht neue Gerätschaften angeschafft. Es ist wichtig, sich das immer auch wieder zu aktualisieren, diese Gefährdungsbeurteilung. Der Hauptknackpunkt ist aber in der Regel die Dokumentation, also Gefährdungsbeurteilung schön und gut, ich weiß, wie es funktioniert, aber wie dokumentiere ich denn das Ganze überhaupt?
Moderator: Es brennt in diesem Augenblick, sehr gefährlich.
Alexander Roth: Genau, es gibt da einfach keine direkten Vorgaben. Es gibt jetzt nicht, genauso musst du das aufführen, genauso musst du das niederschreiben, das gibt es einfach nicht. Und dann hat man vielleicht von einem Kollegen oder von einem Praxisinhaber ein Muster einer Gefährdungsbeurteilung bekommen, das sieht aber ganz anders aus als das Muster, was jetzt zum Beispiel von der BGW beworben wird. Also das kann natürlich zu Verwirrung sorgen und da verweise ich auch wieder auf die Unterstützungsmöglichkeiten. Physiotherapeuten müssen keine Experten im Arbeitsschutz sein, die müssen nicht die perfekte Gefährdungsbeurteilung dezidiert runterformulieren, dazu haben sie ja ihre Fachkraft für Arbeitssicherheit und den Betriebsarzt, der ihnen da wirklich zur Seite steht. Und wir bieten den Praxisinhabern natürlich auch Unterstützung an.
Wir haben Infomaterialien. Wir haben eine Broschüre, die heißt „Gefährdungsbeurteilung in den therapeutischen Praxen“. Da ist ein Muster drin, wie die aussehen kann, und es sind auch konkrete Beispiele aufgeführt, und das ist ja eigentlich eine schöne Sache, daran kann ich mich super orientieren. Weil die Gefährdungsbeurteilung sollte im Endeffekt nicht irgendwo im Schrank verstauben. Die Gefährdungsbeurteilung ist an sich das Tool für den Arbeitsschutz, die persönliche Grundlage für das Unternehmen, wie sie den Arbeitsschutz umsetzen. Wenn ich mir dafür mal Zeit genommen habe, wenn ich mich da weitreichend informiert habe, dann habe ich mir einen extrem hohen Gefallen getan und natürlich machen sie die Gefährdungsbeurteilung auch für uns, für die BGW, wenn wir die einsehen wollen. Aber natürlich machen Sie es auch für Ihre Mitarbeiter, also für ihren Betrieb.
Moderator: Du bist tagtäglich im Austausch mit Menschen aus der Branche. Gibt es da Erlebnisse oder auch Begegnungen, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind? Jetzt, egal ob positiv oder negativ, sind beides sehr spannend.
Alexander Roth: Also was mir wirklich sehr positiv aufgefallen ist, ist, dass die Mitarbeiter mittlerweile wirklich als das höchste Gut von einer Praxisinhaberinnen oder von einem Praxisinhaber gesehen werden. Vor geraumer Zeit war das noch anders. Da war der Patient im Mittelpunkt gestanden. Also jetzt ist wirklich dieses Umdenken da, wir haben einen Fachkräftemangel, das ist in jeder Branche denke ich mal ganz gut ersichtlich, in der Gesundheitsbranche ist es nicht anders. Jede Praxis sucht Mitarbeiter und finden tun das fast alle nicht. Das ist natürlich ein großes Problem. Was mir aber auch noch auffällt ist, es gibt wirklich große Unterschiede in den Betrieben. Wenn ich an einem Tag 2 Praxen besichtige, dann ist die eine Praxis vielleicht super aufgestellt und die andere Praxis wiederum gar nicht und dann frage ich mich immer, woher kommt denn das eigentlich?
Wenn man sich dann den Betrieb anschaut, dann ist es ganz oft ich will dir nicht sagen, dass das immer so ist, weil ganz oft ist es so, dass wenn der Arbeitsschutz nicht organisiert ist, nicht adäquat, dann ist auch vieles andere nicht organisiert und das merkt man finde ich in den Abläufen. Arbeitsschutz ist genauso eine organisatorische Aufgabe wie jetzt das Abrechnungssystem oder die Zulassungsvoraussetzung für die gesetzlichen Krankenversicherungen. Das muss genauso einen Stellenwert haben. Das hat es aber oftmals einfach nicht. Manche Praxen erkennen das, manche Praxen erkennen das nicht und zusammenfassend lässt sich hier wirklich sagen, eine Praxis die den Arbeitsschutz gut organisiert hat, hat in der Regel auch den Rest gut im Griff.
Moderator: Da kann man ja vielleicht sagen, wer schon so ein bisschen rumschlampert, der oder die ist dann dafür nicht so unbedingt geeignet vielleicht eine Praxis zu führen, weil das setzt sich dann in allen Bereichen fort. Ich möchte ja auch als Patient nicht vor einer offenen Steckdose behandelt werden oder so. Der Eindruck beim Reinkommen ist ja schon Gold wert, da checkt man ja auch schon als Patientin oder Patient ab, möchte ich hier sein, ist das gut? Gebe ich den Menschen hier, die mich behandeln, das Vertrauen?
Alexander Roth: Das ist ein ganz wichtiger Punkt also es kann auch jeder bei sich selber denke ich auch erleben. Ich kann es ja auch auf eine Arztpraxis beziehen, wenn ich eine Arztpraxis reingehe und da geht es drunter und drüber, fühl ich mich gleich schlechter aufgehoben, obwohl der Arzt vielleicht sehr kompetent ist. Wenn ich hingegen in die Praxis nebenan gehe und es ist ein super schöner Wartebereich mit einer tollen Organisation, dann kann der Arzt fachlich schlechter sein und trotzdem fühle ich mich da besser aufgehoben. Also das ist ja doch etwas, womit man auch einen Eindruck weckt auf den Patienten.
Moderator: Und ich achte da sehr drauf. Ich gebe dir ein Beispiel, das hab ich in einer Arztpraxis schon mal erlebt, da sind dann auf dem Tisch die Magazine, die man dann lesen kann, die ich natürlich aus bakteriellen Gründen sowieso eigentlich nicht in die Hand nehme, aber dann hab ich da ein Nachrichtenmagazin gesehen, das war schon 8 Monate alt und lag da als einziges News Magazin rum und da fühlte ich mich als Patient in dem Moment überhaupt nicht wertgeschätzt, weil ich mir gedacht habe, hier, da wird einfach random irgendwas auf den Tisch geknallt, hier lies, fertig. Das hat bei mir keinen guten Eindruck gemacht, auf jeden Fall.
Alexander Roth: Genau das ist in therapeutischen Praxen genau dasselbe. Und das macht natürlich auch keinen guten Eindruck auf die Mitarbeiter, muss man ja ehrlich sein, also der Patient ist ja das eine, für einen Mitarbeiter ist es das andere, ja, also eine Praxis, die gut organisiert ist, da arbeite ich ja auch lieber.
Moderator: Welche Vorteile hat es, dass du selbst jahrelang Erfahrungen in verschiedenen Physiotherapie-Praxen gesammelt hast? Hast du aus den Fehlern der anderen gelernt?
Alexander Roth: Das kann ich natürlich nicht allgemein beantworten, ob ich aus allen Fehlern gelernt habe, aber ich denke, ich kenne die Gefährdungen ganz gut. Ich hatte es eingangs erwähnt, welche Gefährdungen in therapeutischen Praxen wirklich präsent sind, also eben einmal diese langfristig gesehen, die sich auf längere Zeit entwickeln und einmal diese akuten. Aber ich kenne auch neben den Gefährdungen so alltägliche Problematiken, die in Praxen einfach allgegenwärtig sind. Und das ist zum Beispiel diese engen Zeittaktungen zwischen den Patienten. Patienten, die an der Anmeldung stehen, die natürlich jetzt gerade, wo sie akute Beschwerden haben, natürlich sich als größten Notfall sehen und sofort einen Termin haben möchten. Und aber eigentlich hat man keinen Termin-Slot frei und Abrechnungsprobleme mit Krankenkassen und dann gibt es auch noch hausgemachte Probleme aus der Branche der Therapie, also das sind ja jetzt erstmal vielleicht externe Probleme.
Aber dann gibt es auch noch diese hausgemachten Probleme, wie große Diskussionen zwischen Therapieansätzen, zwischen Hands-Off- oder Hands-on-Behandlungen oder evidenzbasiert versus non-evidenzbasiert. Also das sind wirklich Schwierigkeiten, die einmal von außen kommen, aber auch Schwierigkeiten, die aus der Branche selber sich entwickeln. Und das ist natürlich dann schwierig, wenn man dann noch den Arbeitsschutz auch noch unter Dach und Fach bringen möchte, weil und den Vorteil habe ich ja einfach, ich weiß, was in dieser Branche in den Köpfen steckt, welche Probleme einfach allgegenwärtig sind. Ich kann diese Probleme nachvollziehen und dadurch spricht man dieselbe Sprache und dadurch schaffe ich es vielleicht auch eher mit Praxisinhabern an einem Strang zu ziehen, anstatt dass wir an gegensätzlichen Seilenden ziehen. Den Vorteil habe ich in Betriebsbesichtigungen.
Moderator: Woran liegt es, dass es einige Praxen nicht schaffen, sich mit dem Arbeitsschutz zu beschäftigen?
Alexander Roth: Also ich denke das Hauptthema ist Unwissenheit. Also im Studium war das Thema Arbeitsschutz nicht präsent, auf manchen Gründungsseminaren spielt es nur eine untergeordnete Rolle. Und ein schönes weiteres Beispiel ist auch noch, ich übernehme als Angestellter nach 20 Jahren in dieser Praxis plötzlich die, ja den Inhaber, also ich beerbe ihn, also der geht in Rente und ich übernehme die Praxis, ich hab ja da lang genug gearbeitet. Aber man muss sich ganz bewusst machen, dass wenn ich Praxisinhaber bin, ich mich aus dem Tagesgeschäft auch eher rausziehen muss. Und das ist vielen einfach nicht bewusst. Und ein weiterer Grund ist, dass Arbeitsschutz erst einmal sehr kompliziert wirkt. Das hatte ich vorhin schon erwähnt, es gibt ganz viele Regelungen und Verordnungen, und die versteht man halt einfach erst mal nicht. Und was ich auch gerne noch hervorheben möchte ist, dass man in Kooperation mit Verbänden oder in Kooperation von solchen Gründungsseminaren vielleicht auch hier von Seiten der BGW etwas mehr Fuß fassen müsste, um dieses ganze Wissen an die Praxisinhaber auch zu vermitteln.
Moderator: Ich kann es absolut verstehen, wenn Menschen beim Thema Arbeitsschutz, Gefährdungsbeurteilung oder DGUV Vorschrift 2 die Augen verdrehen. Alexander, auch dein Titel „Aufsichtsperson im Vorbereitungsdienst“, das klingt sowas von behördlich trocken.
Alexander Roth: Absolut.
Moderator: Es ist jedoch ein sehr wichtiges Thema und kann, wie wir eben gehört haben, sogar ausschlaggebend für den Erfolg eines Unternehmens sein. Wer sich bisher noch nicht so intensiv mit der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz auseinandergesetzt hat, konnte dank Alexander heute vielleicht schon mal den einen oder anderen wichtigen Punkt dazu mitnehmen und ich kann dir sagen, Alexander, ich konnte sehr viel aus dieser Folge mit rausnehmen, danke Vorbereitungsdienst-Man Alexander!
Alexander Roth: Sehr gerne.
Moderator: Wenn ihr noch mehr Infos zum Thema Arbeitsschutz braucht, Fragen dazu habt oder Unterstützung von der BGW benötigt, dann schaut gerne in die Show Notes dieser Podcast Folge rein. Dort findet ihr passende Links. Es wird übrigens noch eine 3. Folge zum Arbeitsschutz in therapeutischen Praxen geben, da schauen wir uns dann an was bei der Auswahl von Therapie-Liegen wichtig ist und wie man schwere Arbeitsunfälle vermeiden kann. Alle Podcast Folgen zum Nachhören findet ihr überall dort, wo es Podcasts gibt und natürlich auch auf der Website der BGW, www.bgw-online.de/podcast. Lasst gerne eine Bewertung da, wenn euch die Folge gefallen hat. Wir hören uns dann in 2 Wochen wieder mit einer neuen Folge. Tschüss bis zum nächsten Mal!
Outro
Interviewgast
Alexander Roth,
angehende Aufsichtsperson in der BGW-Bezirksstelle Würzburg, ehemaliger Physiotherapeut
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