Zwei junge Frauen stehen sich vor einem Gemälde gegenüber - eine von ihnen droht der anderen mit einem Pinsel. Hinter beiden steht je eine Doppengängerin. Sie zeigen beschwichtigende Gesten.

Auf dem Weg zum Deeskalationskonzept Das St. Josephshaus qualifiziert Beschäftige in Deeskalationstrainings – gefördert von der BGW

Kinder- und Jugendhilfe ist oft herausfordernd: Grenzüberschreitendes Verhalten, Aggressionen gegenüber pädagogischem Personal oder unter den jungen Menschen sind nicht selten. Mitarbeitenden wird psychisch viel abverlangt. Aber wie lassen sich die Rahmenbedingungen für Beschäftigte verbessern? Das St. Josephshaus, eine Jugendhilfe-Einrichtung in Hessen mit 300 Mitarbeitenden, wählte den Weg über die Online-Selbsttests zum Arbeitsschutz, BGW Orga-Check und Orga-Check plus. Benefit war eine finanzielle Förderung der BGW – die das St. Josephshaus in die Ausbildung eigener Deeskalationstrainer und -trainerinnen investiert.

Für Geschäftsführer Thomas Domnick stand am Anfang die Frage: Wie können wir ein guter Arbeitgeber sein? Der BGW Orga-Check war dabei ein Mosaikstein, um das Thema Gesundheitsförderung voranzubringen. Vorteil war, dass wir unsere Einrichtung systematisch betrachtet haben. Wir haben Stellschrauben gesehen, an denen wir nachsteuern können, um Rahmenbedingungen zu verbessern. Für uns waren das die Themen 'Umgang mit Aggressionen und Gewalt' und 'Mitarbeitergesundheit', sagt Domnick. Zwischen der Idee und der erfolgreichen Umsetzung inklusive der BGW-Auszeichnung „Sicher und gesund organisiert“ lag rund ein halbes Jahr. 

Angesichts des Fachkräftemangels lohnt es sich als Einrichtung, die Rahmenbedingungen für Mitarbeitende stets zu verbessern, um sich als Arbeitgeber gut aufzustellen.

Porträt von Thomas Domnick
Thomas Domnick, St. Josephshaus Kinder- und Jugendhilfezentrum
Geschäftsführer

Pädagogisch gut reagieren – mit Deeskalationstrainings

Der Blick auf die tägliche Arbeit offenbarte Problemstellen: Typisch ist, dass Kinder sich scheinbar aus dem Nichts heraus hochfahren und die Kollegen verbal aggressiv angehen. Selten gibt es auch handgreifliche Übergriffe, erzählt Frank Wiedenmann, stellvertretender Heimleiter. Aggressives Verhalten von betreuten Kindern und Jugendlichen braucht professionelles Agieren auf Betreuungsseite. Wie lässt sich aber pädagogisch gut reagieren? Es gehe darum, deeskalieren zu können in entsprechenden Situationen. Aber auch darum, im Vorfeld beim Entstehen von Konflikten Handwerkszeug zu haben, Situationen zu erkennen, sensibilisiert zu sein für Veränderungen an den Betreuten. Wiedenmann ist es wichtig, den jungen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. 

Mithilfe der BGW fanden Domnick und Wiedenmann ein Institut für professionelles Deeskalationsmanagement, das über Erfahrung im schulischen und Jugendhilfe-Kontext verfügt. Im Januar 2022 starteten 20 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus der Einrichtung mit einer Inhouse-Fortbildung. Die Teilnehmenden lernen zum einen vorbeugende Maßnahmen, Deeskalationstechniken und Soforthilfe nach einer Konfrontation. Zum anderen entwickeln sie ein Konzept für den Umgang mit Gewalt in den Einrichtungen.

Ausbildung mit Multiplikator-Effekt

Unsere Idee ist, dass die ausgebildeten Mitarbeitenden ein Training für alle Beschäftigten anbieten mit dem Fokus, wie sie herausforderndem Verhalten von Kindern und Jugendlichen begegnen können. Im nächsten Schritt möchten wir dann ein Coolness-Training für die Kinder und Jugendlichen anbieten. Also Impulse geben, wie sie besser mit Konflikten umgehen können, ohne aggressiv zu werden oder ihre Aggressionen anders zu steuern, erklärt Domnick den Multiplikations-Ansatz.

Voraus ging der Konzeptentwicklung eine Gefahrenanalyse. Anhand eines Fragebogens bewerteten die Mitarbeitenden verschiedene Situationen im Arbeitsalltag, etwa: Wie sicher fühle ich mich an meinem Arbeitsplatz? An welchen Orten kommt aggressives Verhalten vor? Welche Maßnahmen könnten mehr Sicherheit bieten? Um die Eskalationsspirale zu stoppen, zählen viele Faktoren – zum Beispiel auch bauliche Aspekte wie unbeobachtete Ecken, Türrahmen mit Verletzungsgefahr, notwendige Notrufknöpfe oder Farbgestaltung in den Räumen. All diese Faktoren fließen nach der Auswertung der Gefahrenanalyse in das Deeskalationskonzept der Einrichtung mit ein.

Die Pädagogen, die in der Ausbildung sind, melden zurück: Sie gehen mittlerweile mit Konflikten anders um oder erkennen viel früher, wenn es schwierig werden könnte. Und können dann anders gegensteuern.

Porträt von Thomas Domnick
Thomas Domnick, St. Josephshaus Kinder- und Jugendhilfezentrum
Geschäftsführer

Die Anstrengungen tragen also bereits Früchte. Der Weg, den das St. Josephshaus beschreitet, zeigt: Herausforderungen verschwinden nicht, indem man sie ignoriert. Sondern indem man sich ihnen professionell mit neuen Lösungen nähert.