Arbeitsklima, Teil 1: Konflikte im Team lösen – welche Rolle spielen Hierarchie und unterschiedliche Generationen? #88 BGW-Podcast "Herzschlag - Für ein gesundes Berufsleben"
Im Arbeitsalltag bleiben Konflikte nicht aus. Gerade in stressigen Berufen wie der Pflege kommt es schnell zu Spannungen. Wie kann das Arbeitsklima in Unternehmen gestärkt werden? Welche Konflikte gibt es überhaupt? Und wie können Konflikte am besten gelöst werden. Die Antworten darauf gibt es in dieser und der nächsten Podcast-Folge #89.
Dazu schauen wir uns gemeinsam mit Dr. Marieke Born verschiedene Praxisbeispiele an. Sie ist Psychologin und systemische Therapeutin & Beraterin. Im ersten Teil beschäftigen wir uns mit dem Thema Hierarchie und welche Konflikte sich daraus ergeben. Außerdem schauen wir uns an, wie unterschiedliche Generationen und deren Verständnis für Arbeit Konflikte auslösen können.
Hier kommen Sie zum Transkript dieser Folge
Moderator: Das Gehalt muss stimmen. Viel wichtiger ist vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aber vor allem ein gutes Betriebs- und Arbeitsklima. Ja, das zeigt die aktuelle Job Studie von Ernst und Young zur Motivation, Zufriedenheit und ganz wichtig: Work Life Balance der beschäftigten in Deutschland. Wenn jetzt schon manch eine Führungskraft bei dem Wort „Work Life Balance“ Augenzucken kriegt dann muss diese Führungskraft wahrscheinlich besonders was ändern im Unternehmen. So als kleiner Fingerzeig hier. Ein gutes Verhältnis zu Kolleginnen und Kollegen ist für mehr als jeden zweiten bzw. jede zweite entscheidend. Und das ist dann schon ein guter Arbeitgeber, eine gute Arbeitgeberin, wenn man das alles so zufrieden unter einen Hut bekommt für die Beschäftigten. Ich bin Ralf Podszus und in dieser Folge spreche ich mit einer Psychologin darüber, wie das Arbeitsklima in Unternehmen gestärkt werden kann, welche Konfliktherde es überhaupt gibt und wie Konflikte am besten gelöst werden können, also kurzum, wie das Arbeiten eben auch Freude bereiten kann.
Moderator: Wenn Menschen zusammenarbeiten, dann gibt es natürlich immer mal wieder Spannungen und Reibereien, gerade in Berufen wie zum Beispiel der Pflege. Ja, da kommt oft auch noch der Stressfaktor mit hinzu, Überstunden und man muss auf einmal plötzlich Aufgaben übernehmen. Wir schauen uns jetzt mal ein paar Beispiele aus der Praxis an und lassen uns von Psychologin und systemischer Organisationsberaterin Doktor Marieke Born erklären, wie man sich in der jeweiligen Situation verhalten sollte. Und wie solche Situationen vielleicht sogar vermieden werden können. Hallo Marieke.
Marieke Born: Hallo Ralf.
Moderator: Du arbeitest unter anderem als Supervisorin mit Klinikpersonal. Von welchen Konflikten berichten denn die Teams, mit denen du zusammenarbeitest? Was hörst du so für Klagen?
Marieke Born: Also ich würde sagen, es gibt so drei Top-Konfliktthemen in Kliniken oder vielleicht weiter gefasst in Betrieben, in denen Menschen Carearbeit leisten. Das erste sind Konflikte aus Überlastungssituationen so wie „ich übernehme immer die schlechte Schicht und Kollegin Y nie“ und da stellt sich gerade in Supervisionen dann häufig heraus, eigentlich beruht dieser Konflikt auf einem strukturellen Unterbesetzungsthema in dem Team. Dann hoch im Kurs sind Konflikte, die aus fehlender Führung beziehungsweise Verantwortungsübernahme durch eine Führungskraft im Team entstehen. Also ein Beispiel wäre hier, ein Team hat sich Regeln gegeben, worauf geachtet werden muss, wenn ein Patient von einer Station auf eine andere verlegt wird und Kollegin Y hält manche Regeln davon einfach für unnötig und hier wär es natürlich die Aufgabe der Führungskraft dafür zu sorgen, dass die Regeln umgesetzt werden. Und wenn diese Führungskraft dann nicht der Buhmann sein will, sondern findet, dass das Team das untereinander klären soll, dann verlagert sich der Konflikt ins Team, so unterm Motto „macht es unter euch aus“. Und das ist einfach eine riesige Einladung für Teamkonflikte, ist meine Beobachtung. Und drittens würde ich sagen, natürlich gerade in dem Kontext Krankenhaus, Pflegeeinrichtungen und so weiter: Konflikte, die daher kommen, dass ein Mangel an gegenseitiger Anerkennung und folglich einer ständig vermuteten Kompetenz in Fragestellungen entwickelt werden, also häufig vor allen Dingen zwischen Professionen, Pflege fühlt sich von ärztlichem Personal nicht wertgeschätzt. Und was ich beobachte ist, dass diese Konflikte zunächst häufig implizit, also nicht offen ausgetragen werden. Sondern im Untergrund erstmal lange für eine schlechte Stimmung sorgen. Also die Bereitschaft zu kooperieren, zusammenzuarbeiten, sich das Leben hier gegenseitig einfacher zu machen, schwindet nach und nach, weil jeder in seine individuelle Überlebensstrategie reingeht, das geringe Nervenkostüm einfach dazu führt, dass man versucht, hier irgendwie zu überleben und dann passiert es eben sehr schnell, dass man die anderen für etwas verantwortlich macht, was eigentlich eine äußere Bedingung ist. Und dann merkt man, dass es unfair ist. Aber da entstehen dann eben die Konflikte.
Moderator: Jetzt haben wir über die Reibereien geredet, über die Konflikte. Was zeichnet denn ein gutes Arbeitsklima aus?
Marieke Born: Also ich würde sagen, ein gutes Arbeitsklima ermöglicht eine Atmosphäre, in der ich gerne bin. Also in der ich gerne leben will, weil Arbeiten ist ja erst mal viel Lebenszeit, also eine Atmosphäre, in der man als Mensch brillieren und gedeihen kann, in der man das zur Verfügung stellen kann, was man gut kann und so ein bisschen die beste Version seiner Selbst zeigen kann und ich würde auch sagen in der man gut lernen kann und seine Potenziale ausschöpfen kann. Also immer weiter die beste Version seiner Selbst werden kann würde ich sagen und da spielt natürlich das Team eine wichtige Rolle. Wenn die Kollegen super sind, dann bin ich da gerne, das trägt sehr zu einem guten Arbeitsklima bei und umgekehrt würde ich sagen ein gutes Arbeitsklima ist eben auch die Voraussetzung für ein gutes Team. Das hab ich eben versucht mit den Konflikten zu zeigen. Wenn die Arbeitsbedingungen belastend sind, werden alle Menschen zu unliebsamen Wesen und es entstehen leichter Konflikte, die natürlich dann kontraproduktiv für ein gutes Arbeitsklima sind.
Moderator: Alle, die was mit Kommunikation machen, ob jetzt in der Schule oder im Studium oder vielleicht als Kommunikationsexperte oder -expertin, die kommen an Wazlawik nicht vorbei. Stichwort „man kann nicht nicht kommunizieren“, der Schlüssel ist ganz oft einfach die Kommunikation. Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang jetzt die Kommunikation untereinander dann im Team?
Marieke Born: Ja, da sprichst du einen elementaren Teil an. Kommunikation ist ja erstmal ein großes Wort, ich komme ja hier in Heidelberg aus dem Nest der Systemiker:innen und wir sehen Kommunikation als das zentrale Element, alle sozialen Gebilde bestehen aus Kommunikation. Was meint es alles? Es ist einfach entscheidend wie wir miteinander reden und ich würde noch basaler anfangen nicht nur wie, sondern wieviel wir miteinander reden. Du hast gerade Watzlawick zitiert „man kann mich nicht nicht kommunizieren“ und das wird zur Herausforderung, denn meine Beobachtung ist ein Hauptproblem in solchen Betrieben, wie es Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen uns weiter sind, die stehen ja enorm unter Zeitdruck und da wird eben an der Kommunikation gespart, man hat einfach nicht viel Zeit für viele Worte und damit kommuniziert man dann doch manchmal viel nach Watzlawick. Also Beispiel wäre, man sagt schnell „hier das Dokument“ statt „hier ist das Dokument. Ich konnte Position A bis C noch nicht ausfüllen, es tut mir total leid, ich reiche es nach“ und wenn es aber bei dieser verknappten Kommunikation bleibt, dann bleibt einfach unheimlich viel Raum für Interpretationen. Und das kann dann zu Konflikten führen. „Hat sie mir das nicht gesagt und ist nicht ausgefüllt, weil sie sich aus der Affäre ziehen wollte, hat sie es nicht ausgefüllt, weil sie mich ärgern wollte?“
Moderator: Man vermutet ganz oft immer das Negative, leider.
Marieke Born: Genau, man vermutet das Negative und da macht es einfach einen großen Unterschied, ob ich mir jetzt Zeit nehme für zwei, drei Sätze und etwas Kontext, etwas Wertschätzung, etwas Verständnis entgegenbringe und damit halt Konflikte vermeiden kann.
Moderator: Es kann natürlich auch passieren, dass wir Mimik, Gestik oder Worte falsch verstehen oder interpretieren. Lässt sich das überhaupt vermeiden und ist hier nicht auch gleich wieder der Schlüssel Kommunikation, indem man einfach nachfragt, wie war das gemeint?
Marieke Born: Ja, vermeiden also ich würde sagen vermeiden lässt sich sowas nie ganz, weil wir eben doch verschiedene Menschen sind und Dinge unterschiedlich wahrnehmen also eigentlich würde ich eher sagen es ist ein Wunder wenn Kommunikation gelingt. Also wenn die Senderin das ausdrücken konnte was sie ausdrücken wollte in einer Weise, dass der Empfänger genauso verstehen konnte wie es die Senderin beabsichtigt hatte, das ist eigentlich ein Wunder. Das heißt im Alltag wir müssen uns einfach sau viel Mühe geben und insbesondere in Situationen die sensibel sind, ein paar Worte mehr nutzen, du hast es gerade schon gesagt. Um einfach das auszudrücken, was wir wirklich sagen wollen oder uns mal zu vergewissern, sollte diese Mimik jetzt heißen, dass du dich geärgert hast? Oder wolltest du das gar nicht ausdrücken? Sowas kann vielleicht helfen, aber….
Moderator: Oder rennst du einfach immer mit dem gestreckten Mittelfinger durch die Gegend? Das ist gar nicht so böse so gemeint.
Marieke Born: Genau, genau das ist gar nicht so böse gemeint, das mache ich einfach immer. Oder ich habe Schmerzen am Finger. Genau, aber das ist gar nicht so einfach so auf Kommunikation und die Menge an Kommunikation zu achten, wenn man enorm unter Zeitdruck steht und vielleicht auch einfach sau müde und erschöpft ist.
Moderator: Und das kann nach so einem 24 Stunden-Krankenhaustag eben auch mal sehr leicht der Fall sein. Kommen wir jetzt mal von der Theorie zur Praxis: Jedes Team besteht aus unterschiedlichen Menschen, jeder beziehungsweise jede hat dabei einen eigenen Charakter, ja und natürlich auch eine eigene Art zu kommunizieren, das führt dann früher oder später zu Konflikten. Dieses Wort, das werden wir heute noch öfter hören. Und die belasten dann das Arbeitsklima. Wir wollen jetzt mal ein paar Situationen besprechen, die so oder so ähnlich immer wieder im Alltag von Pflegekräften oder auch Ärztinnen und Ärzten vorkommen können und anhand dieser Beispiele, da wollen wir uns anschauen, wie Konflikte im Team am besten gelöst werden können. Marieke, bist du bereit mit mir das mal so alles durchzugehen?
Marieke Born: Ja.
Moderator: Dann fangen wir jetzt an mit der Hierarchie. Mitunter ist schon dieses Wort Konflikt pur. In der Klinik betrifft das vor allem Ärztinnen und Ärzte, auf der einen Seite und Pflegekräfte auf der anderen Seite. Wir hören uns jetzt mal eine Beispielsituation an:
Sprecher 1: Hi, Julia Meier von der Intensiv, du wir bräuchten hier Platz auf der Station und würden euch deshalb gerne einen Patienten vorbei bringen.
Sprecher 2: Nee, also tut mir leid, aber wir sind hier auf der Neuro echt schon komplett voll und ich habe sogar schon mehr Patienten da als ich eigentlich dürfte, also nee, da kann ich echt nichts machen, sorry.
Sprecher 3: 15 Minuten später: Der leitende Arzt der Intensivstation erscheint mit Patient auf der neurologischen Station.
Sprecher 2: Ich habe es eben schon Frau Meier am Telefon gesagt, wir sind voll, es kann ja wohl echt nicht wahr sein, ich habe keinen Platz mehr für den Patienten.
Sprecher 4: Sie nehmen ihn jetzt auf, Ende der Diskussion.
Moderator: Genau, Ende der Diskussion, fertig, Punkt, drei Ausrufungszeichen, Kapitel geschlossen. Und da ist die Spannung gesetzt. Wir schauen uns das jetzt mal an, Marieke, ist das jetzt schlechte Kommunikation oder einfach fehlende Wertschätzung, woran scheitert es am häufigsten?
Marieke Born: Ja, in diesem Beispiel hört man, finde ich, unheimlich gut, was ich eben mit verknappter Kommunikation gemeint habe und was für schlechte Auswirkungen das haben kann. Der ärztliche Kollege hier, der nutzt seine Position in der Hierarchie, befiehlt und bricht dann die Kommunikation ab, Ende der Diskussion. Ohne Worte des Verständnisses für die Perspektive gegenüber oder irgendwelche Zeichen der Anerkennung. Was soll man darauf noch sagen? Aus meiner Perspektive ist das ein sehr realistisches Beispiel und zeigt einfach, wenn Hierarchie nicht sinnvoll genutzt wird, sondern in Form von schlechter Kommunikation und fehlender Wertschätzung einfach ausagiert wird, dann führt es einfach zu einer massiven Beeinträchtigung des Arbeitsklimas. Wie geht es der Pflegekraft hinterher, habe ich mich gefragt, wie geht da die Arbeitssituation auf der Abteilung weiter, ein Patient mehr ohne irgendwie ein verständnisvolles Gespräch. Das vergiftet einfach die Arbeitsatmosphäre. Und wahrscheinlich muss man fairerweise auf der anderen Seite sagen, dieser leitende Arzt war wahrscheinlich auch einfach massiv in Bedrängnis und hat die Hierarchiekarte quasi wie so eine Überlebensstrategie einfach ausgepackt, aber das führt einfach zu Abwärtsspiralen und zwar abteilungs- professions-, hierarchieübergreifend, wenn eben einfach nicht mehr überlegt wird, wie kriegen wir das hier zusammen gut hin.
Moderator: Am Ende ist es dann auch beim Patienten, bei der Patientin, weil die gar nichts dafür können, aber einfach die schlechte Laune abkriegen, weil sie jetzt hier on top noch mit am Start sind. Es gibt das sogenannte „Regensburger Modell“, das Besondere daran, der Interprofessionelle Teamansatz, also der soll die Beziehung zwischen Pflege und Medizin verbessern, die Tagesabläufe werden synchronisiert und laufen nicht wie bisher oft nebeneinander her. Es gibt gemeinsame Tafelbesprechungen und Visiten und neue Ärztinnen und Ärzte begleiten einen Tag lang eine erfahrene Pflegekraft, um die Prozesse, die Räumlichkeiten und dann natürlich auch die Mitarbeitenden kennenzulernen. Also es auch direkt dann zu erfahren, wie es hier so wirklich ist in der Praxis. Sollte das nicht auch der Standard sein, um künftige Konflikte zu vermeiden, also sind hier die Verantwortlichen und die Führungskräfte mehr in der Pflicht, dieses Regensburger Modell eigentlich überall mal so auszuspielen?
Marieke Born: Also ich muss sagen, ich find dieses Modell unheimlich verheißungsvoll. Was mich besonders beeindruckt hat, war die Doppelspitze zwischen ärztlichen und pflegerischen Personal. Wenn wir hier gerade über Hierarchie sprechen, ich hab ja eben gerade in dem Beispiel gesagt, dass Hierarchie nicht sinnvoll genutzt wird und zwischen Professionen ausgespielt wird und Hierarchie kann ja was unheimlich entlastendes haben, es gibt jemand, der entscheidet einfach und in Notsituationen ist es unabdingbar, dass alle wissen, Frau Meier entscheidet und alle machen das. Aber in Situationen die alltäglich sind, wo keine Notsituation herrscht ist es wichtig, dass Ärztinnen und Pflegekräfte ihre unterschiedlichen Perspektiven austauschen können und gemeinsam Entscheidungen treffen können. Das merken wir einfach immer wieder in Trainings und Krankenhäusern, wie hilfreich das ist, wenn ein multiprofessioneller Austausch stattfinden kann. Und ich bin überzeugt davon, dass das hilft, Konflikte zu vermeiden und zwar die inhaltlichen Konflikte können dadurch bewusst entschieden werden, weil die kommen natürlich daher, dass Pflege und Medizin inhaltlich unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Und das ist per se total schlau. Also jede Fachdisziplin schaut erstmal, dass die eigenen Prinzipien angewendet werden und so ein Modell wie dieses Regensburger Modell hilft natürlich unheimlich zu schauen, was ist den anderen wichtig und wie können wir hier die Schwerpunkte gemeinsam abwägen? Und wenn diese gemeinsame Abwägung nicht explizit passiert, dann werden Konfliktthemen, die eigentlich inhaltlicher Natur sind, ins Persönliche übertragen, dann wird aus „wir müssen den Patienten irgendwie gemeinsam unterbekommen, damit wir hier alle einen guten Job gemacht haben, bleibt der bei euch oder bei uns?“ wird dann eben „Ihr Ärzte ignoriert unsere belastende Arbeitssituation und bürdet uns hier einfach noch mehr auf“. Und andersrum wird daraus „ihr aus der Pflege nörgelt hier immer rum und macht mir hier extra Arbeit und ich muss hier herum zackern, dass sie den Patienten übernehmen“. Und insofern; ja die Verantwortung liegt bei der Führung, inhaltliche Konflikte in einem guten Austausch explizit zu entscheiden. Und das hilft, Konflikte zwischen Provisionen im Team zu vermeiden. Und da ist die Verantwortung bei der Leitungsebene in Kliniken, diesen Perspektivaustausch strukturell zu ermöglichen. Das finde ich einfach eine super Sache.
Moderator. Und ich habe ein neues Wort gelernt: „Herum zackern“ finde ich ganz gut.
Marieke Born: Sehr alltagsnah.
Moderator: Ja und was ich auch gut finde, von diesem Regensburger Modell, dass eben der Arzt, die Ärztin mit einer erfahrenen Pflegekraft einen Tag halt mal mitgehen muss, durch die ganze Station. Dadurch entsteht ja auch schon eine gewisse Beziehung, man lernt die Person kennen, man weiß, was die da alles macht und das ist vielleicht dann später auch ganz wichtig im Arbeitsalltag, dass man dann nicht so von oben herab auf diese Person vom Hierarchie-Gedanken jetzt mal so ausgeht, du bist ja Psychologin, also psychologisch sehr clever eingefädelt, oder?
Marike Born: Naja, es ist ein Element, was Kultur schaffen soll, also dass eben keine Abwertungsidee mit diesem Hierarchiegedanken ausgeschüttet wird. Nichtsdestotrotz, ich will immer dafür werben, dass Hierarchie, zwischen Professionen nicht, aber innerhalb von Organisationen auch sehr entlastend sein kann, wenn es nicht zu einer Abwertung führt.
Moderator: Jetzt geht es um Generationskonflikte. Alt, jung, da treffen Welten aufeinander, teilweise. Ein Thema, das eigentlich auch in jedem Beruf stattfindet. Wie sieht es da aus, Marieke?
Marieke Born: Ja, also auf jeden Fall ein Thema, was in vielen Berufen zutage tritt. Aber meine Beobachtung ist tatsächlich immer wieder auch, dass generationsdurchmischte Teams sich auch toll gegenseitig inspirieren können. Ich finde, das sollte man auch einfach mal nicht vergessen. Spannend ist ja, dass Generationskonflikte unterschiedlich gelagert sind, abhängig davon, in welcher Fachrichtung man unterwegs ist. Also wer ist besser: Jung oder Alt? Die einen kennen neuere Methoden, haben vielleicht noch mehr Kraft, aber weniger Erfahrung und es gibt Berufe, da verändern sich die Methoden nicht sonderlich und Kraft spielt vielleicht auch nicht eine ganz so wichtige Rolle, aber die Erfahrung zählt unheimlich viel. Zum Beispiel kenne ich das aus therapeutischen Berufen. Und da scheinen mir ältere Generationen hoch angesehen und dann gibt es eben andersrum Berufe, da ist es super wichtig, immer auf dem neuesten Stand der Forschung und vielleicht auch der Technik zu sein. Und hier müssen Menschen, die schon länger im Beruf sind, echt hart arbeiten, um weiter zu den besseren zu gehören und das kann schon erheblichen Stress verursachen.
Moderator: Warum kommt es jetzt immer wieder zu Konflikten, gerade so zwischen Jung und Alt? Was sind da so die Hauptgründe? Vielleicht, weil die ganz Jungen einfach immer laut die ganze Zeit ihr Smartphone anhaben. Das war jetzt auch schon wieder, ich werde ja auch älter.
Marieke Born: Ja, das Smartphone, das wird mit Sicherheit aufregen. Ich glaube, dass ein Hauptgrund doch darin liegt, im Grunde, dass sich keiner abgewertet fühlen will, also „ihr Alten habt doch keine Ahnung“ oder „ihr Jungen kennt euch doch gar nicht aus“. Und da ist für mich einfach die Frage, wie schafft man ein Arbeitsklima, in dem die unterschiedlichen Qualitäten, die Alt und Jung mitbringen gut eingesetzt werden und gegenseitig geschätzt werden können. Das ist glaub ich das entscheidende und da ist glaube ich die Frage „sind Kompetenzfelder klar abgesteckt? Wo können jüngere Kolleginnen und Kollegen das, was wir schon immer so gemacht haben, gut in Frage stellen, neue Ideen einbringen und an welchen Stellen werden ältere Kolleginnen und Kollegen vielleicht als bereichernde Erfahrungsquelle eingesetzt?“
Moderator: Wir hören uns auch hier mal in ein typisches Beispiel rein.
Sprecher 1: Ich liebe ja meinen Job, aber wenn ich dran denke, die nächsten 20, 30 Jahre so weiterzumachen, mit Schichtdienst, ständig einspringen, ich glaub das pack ich nicht. Ganz ehrlich, ich bin jetzt schon runter auf 70%.
Sprecher 2: Als ich so alt war wie du, da gab's den Begriff „Work Life Balance“ noch gar nicht. Wenn da jeder auf 70% runtergegangen wäre, na dann, gute Nacht.
Moderator: Da sind wir doch eigentlich auch schon wieder beim Stichwort „Akzeptanz“ angelangt, oder?
Marieke Born: Ja, ein sehr aktuelles Thema. Diesen Generationskonflikt zum Thema Work Life Balance höre ich wirklich fast in jedem Training, in vielen Beratungskontexten, Supervisionen. Und aus meiner Perspektive spiegelt sich hier ein Wertewandel wieder, der sich im Moment in der Gesellschaft vollzieht, also die jüngere Generation ist einfach in der Gesellschaft aufgewachsen, in der das Thema nicht mehr ist: Wohlstand durch mehr, mehr Arbeit, mehr Konsum etc., sondern in der Gesellschaft, in der es darum geht, weniger zum Überlebensthema zu machen, also weniger Stress, weniger Konsum, weniger Ressourcenüberschreitung in jeder Hinsicht braucht es sozusagen. Und meine Erfahrung in den Trainingsberatungskontexten ist, dass es nicht in erster Linie um Akzeptanz geht, sondern vor allen Dingen um die Auseinandersetzung letztlich mit der eigenen Wahl, die man damals und auch heute für sich selbst getroffen hat, beziehungsweise trifft. Also eigentlich geht es doch darum, ehrlich zu schauen, welchen Preis ist diese jüngere Generation nicht mehr bereit zu zahlen? Also die verpassten Familientreffen, die verpassten Urlaube, die verpasste Zeit mit den Kindern und so weiter. In welchen Momenten sagt die jüngere Generation heute: „Ich werde mich nicht mehr einem System in dem strukturell zu wenig Personal vorhanden ist, zermürben lassen und die Preise in meinem Privatleben zahlen.“ Und da sagt die ältere Generation „wir waren damals und sind es auch heute noch, viel eher bereit, unser Privatleben zu opfern, weil wir es eben auch einen hohen Wert finden, dass hier der Laden läuft, dass ich meine Kolleginnen und Kollegen nicht hängen lasse. Und das ist ein sau harter Konflikt und aus meiner Perspektive haben beide Seiten eine Berechtigung. Aber es geht eben nicht darum, Akzeptanz für die unterschiedlichen Seiten zu zeigen in erster Linie, sondern in erster Linie seinen Frieden damit schließen zu können, dass man es selbst anders gemacht hat und einen hohen Preis bezahlt hat und das tut eben noch mehr weh, wenn es die anderen nicht tun und da ist aus meiner Erfahrung heraus eine wichtige Frage: „Wie will ich es heute machen, welchen Kompromiss möchte ich heute schließen?“ Und da steht man natürlich gleichzeitig vor der Frage „wie funktionieren Teams denn dann noch, wenn die Jüngeren sagen, ich werde den strukturellen Personalmangel hier nicht ausgleichen?“ Das kannst zu sehr unguten Dynamiken führen, da haben wir dann die Jungen, die nie einspringen, und die Alten, die immer einspringen müssen. Ein sehr gutes Beispiel ist für mich, wenn jüngere Männer Elternzeit nehmen oder weniger arbeiten wollen, weil sie ihre Kinder sehen wollen und trotzdem Karriere machen wollen. Und diese jüngeren Männer, die treffen auf unglaubliches Unverständnis, zum Teil bei älteren Chefs, eben auch Männern, weil die für ihre eigene Karriere enorm in Kauf genommen haben, wenig zu Hause sein zu können. Das höre ich einfach immer wieder, insbesondere im ärztlichen Kontext.
Moderator: Ich habe tatsächlich damals auch gehört, und ich war da der erste Mann, der Elternzeit genommen hat in den Medien. Da hatte ich noch von meinem Chef gehört: „Aber du machst jetzt hier nicht so einen Quatsch, wie irgendwie Elternzeit oder so Ralf?“ Also da sind wir auch beim Thema Diskriminierung, Sexismus, da ist eigentlich alles drinnen angelangt und so. Das ist natürlich auch immer wieder spannend. Ich nehme vor allem mit, was du eben gesagt hast. Bei der jungen Generation, dass die eben an das weniger denken, weil sie in die Zeit reingeboren wurden, wo man eben weniger machen muss, auch wissenschaftliche Erkenntnis in vielen Bereichen, sehr, sehr spannend. Was mich dabei noch interessieren würde, wie kann jetzt das Verhältnis zwischen erfahrenen und jungen Mitarbeitenden gestärkt werden?
Marieke Born: Aus meiner Perspektive auch wieder ein großes Führungsthema, also welches Arbeitsklima zwischen Generationen fördere ich hier? Ich habe bei der Definition von Arbeitsklima darauf Wert gelegt, dass es sich um eine Atmosphäre handelt, in der jeder zeigen kann, worin er oder sie gut ist. Und das ist doch etwas, was gelingen sollte, dass ältere Kolleginnen und Kollegen ihre Erfahrung als Ressource einsetzen können und jüngere, neue Ideen zur Inspiration reinbringen können. Und dazu gehört natürlich für mich auch die Bereitschaft aller Teammitglieder, eine gegenseitige Neugier aufzubringen. Und auch ich würde sagen, eine gewisse Bescheidenheit. Nicht alles, was wir früher gemacht haben, ist aus Gold und nicht alles, was neu und fresh ist, ist besser.
Moderator: Das war es erstmal für heute. Wir haben heute als Beispiele die Hierarchie gehabt und auch unterschiedliche Generationen, wir wollen uns aber in der nächsten Folge weitere Beispiele anhören, da geht es dann um Rassismus und um Sexismus. Dr. Marieke Born wird dann auch wieder am Start sein, ich kann mich, glaube ich, darauf verlassen, dass du dabei bist oder?
Marieke Born: Ja, natürlich, sehr gerne.
Moderator: Auch da gibt es dann einiges, worüber wir reden können und für euch dann auch viele Tipps, was ihr dann machen könnt, solltet ihr zum Beispiel von Rassismus oder Sexismus betroffen sein. Für den Moment aber jetzt erstmal vielen Dank. Alle Folgen von Herzschlag für ein gesundes Berufsleben findet ihr auf eurer Lieblingspodcast Plattform, zum Beispiel bei Spotify oder bei RTL Plus oder Amazon Music oder auf der Webseite der BGW bei www.BGW-online.de/Podcast. Nehmen wir doch schon mal mit, dass wenn man mehr miteinander denkt und auch vor allem miteinander kommuniziert und sich auch in die Rolle des anderen, der anderen Hineinversetzt, dann klappt das schon mal ein bisschen besser. Aber insgesamt haben wir wieder sehr viel Spannendes heute gehört, woraus wir glaube ich einiges mitnehmen können und speziell alle, die in dem Bereich Pflege und Medizin arbeiten. Tschüss, bis zum nächsten Mal!
Outro
Interviewgast
Dr. Marieke Born
Psychologin und systemische Therapeutin & Beraterin
In der nächsten Folge #89 sprechen wir mit Dr. Marieke Born über den richtigen Umgang mit Sexismus und Rassismus.
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