Interkulturelle Zusammenarbeit in der Pflege #07 BGW-Podcast "Herzschlag - Für ein gesundes Berufsleben"
Wer ausländische Mitarbeitende integrieren möchte, muss sich gut vorbereiten und strategisch vorgehen. Interkulturelle Kompetenz ist gefragt. Die wiederum lässt sich erwerben. Wie? Darum geht es in dieser Podcast-Folge.
Sprachbarrieren, Unterschiede in der Kommunikation oder im Berufsverständnis: Die möchte man am liebsten so schnell wie möglich abbauen. Aber das geht nicht von selbst, sondern braucht geduldige und offene Menschen. Sowohl aufseiten der Beschäftigten als auch aufseiten der Führungskräfte.
Interkulturelle Kompetenz hilft. Was das ist und wie sie wirkt, erklären eine Expertin aus der Praxis und zwei Experten. Darunter der Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus.
Außerdem stellen wir Ihnen die von der BGW entworfene interaktive Ausstellung und Workshops zum Thema "Kulturdimensionen" vor.
Hier kommen Sie zum Transkript dieser Folge
Block 01: Begrüßung und Einleitung
Andreas Westerfellhaus: Wir werden den großen Bedarf an Pflegefachkräften in den nächsten Jahren nicht nur durch Ausbildung hier bei uns decken können. Wir benötigen so viele Arbeitskräfte in der Pflege, dass ich mich über jeden Menschen freue, der sich entscheidet, aus dem Ausland zu uns zu kommen, um hier in der Pflege zu arbeiten. Wir werden diese motivierten Menschen aber nur bei uns halten können, wenn wir für gute Arbeitsbedingungen sorgen und ihnen Zeit und eine Willkommenskultur bieten, um gut bei uns anzukommen. Wenn uns das gelingt, können ausländische Pflegekräfte nachhaltig dazu beitragen, den Fachkräftemangel abzumildern.
Moderator: Das sagt der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus. Und er leitet damit unsere heutige Podcastfolge ein. Denn wir wollen uns anschauen, wie Menschen unterschiedlicher Herkunft gut im Team zusammenarbeiten können, insbesondere in der Pflege. Hier sind bereits viele Beschäftigte in Deutschland in internationalen Teams tätig. Allein in der Altenpflege hat sich die Zahl ausländischer Fachkräfte seit 2013 fast verdreifacht. Und es dürfen und sollen gerne noch mehr dazukommen. Denn mehr Personal wird in den deutschen Pflegeeinrichtungen dringend benötigt. Interkulturelle Zusammenarbeit, wo liegen die Chancen, wo liegen die Herausforderungen? Und wie begegnet man ihnen? Das schauen wir uns in dieser Podcastfolge an. Mein Name ist Ralf Podszus, schön, dass Sie mit dabei sind.
(Podcast-Opener)
Block 02: Interview mit Marie-Luise Eßrich und Björn Teigelake
Marie-Luise Eßrich: Also, die größten Herausforderungen, die ausländische Fachkräfte nehmen müssen, ist natürlich die sprachliche Weiterentwicklung. Und das ist, denke ich, das, was den größten Stellenwert auch hat, in Pflege und wo sie auch sehr stark gefördert werden müssen. Und das tun wir auch sehr stark mit verschiedenen Sprachkursen. Sie müssen unser Pflegesystem kennenlernen. Vielfach ist im Ausland das System anders. Sie haben in ihren Heimatländern häufig eine andere Pflegeausbildung gehabt und da müssen sich natürlich die Kollegen erstmal ein Stück weit hier einfinden.
Moderator: Marie-Luise Eßrich ist Integrationsmanagerin an der Charité-Universitätsmedizin in Berlin. Ihre Aufgabe ist es, ausländische Pflegefachkräfte beim Ankommen an der Charité zu unterstützen. Die Integration ausländischer Kollegen und Kolleginnen bringt Herausforderungen mit sich. Neben den sprachlichen Herausforderungen müssen die Fachkräfte auch viele behördliche Hürden nehmen und dann ist die Integration an der neuen Arbeitsstelle auch besonders wichtig.
Marie-Luise Eßrich: Natürlich, neben den sprachlichen Herausforderungen sind es die behördlichen Prozesse, die laufen müssen. Also die werden einfacher, wenn die Kollegen dann hier im Land sind. Aber man muss vorab natürlich auch schon sehr viel einreichen, bei der Anerkennungsbehörde, bei der Ausländerbehörde. Deswegen arbeiten wir sehr eng auch mit den Behörden zusammen, auch mit der Arbeitsagentur. Das ist eine Sache. Was natürlich auch wichtig ist, dass die Kollegen hier gut in den Teams ankommen und dass auch die Teams, die die Kollegen aufnehmen, vorbereitet sind. Deswegen legen wir Wert darauf, dass wir die Stationen auch schulen. Also, wir haben sogenannte Willkommensstationen bei uns ausgeschrieben. Das sind Stationen, die eine besondere Schulung bekommen, in interkultureller Kompetenz. Die ein Team-Event gesponsert kriegen, und die auch einen Praxisanleiter zusätzlich erhalten. Weil die sich dazu bereit erklären, dann unsere internationalen Kollegen gut zu begleiten und gut einzuarbeiten beziehungsweise eine Anpassungsqualifizierung zu begleiten.
Moderator: Und diese Maßnahmen helfen der Charité dabei, die Herausforderungen zu meistern und die Ergebnisse sprechen für sich.
Marie-Luise Eßricht: Also wir haben die Erfahrung gemacht, dass es ziemlich gut funktioniert. Wir messen das immer daran, wie viele Leute gehen zurück, wie viele bleiben. Und wir haben wirklich eine sehr, sehr gute Quote an Menschen, die auch bei uns bleiben. Also bisher sind ganz wenige nur zurückgegangen, und dann häufig auch aus Gründen, die in der Familie liegen. Ja, also das hat jetzt mit uns gar nicht so viel zu tun. Das ist aber, denke ich, auch normal. Es ist jetzt auch so, dass die ersten Kollegen ihr C1-Zertifikat schon ablegen. Und in bestimmte Funktionen gehen, also Praxisanleiter werden, nochmal ein Studium anfangen, in Richtung Leitung auch gehen. Also da sehen wir, Kollegen kommen an. Und was auch ein großer Indikator ist, ist, wenn die Familie dann auch hergezogen ist. Und da sind wir immer sehr glücklich, wenn dann auch die Kinder hier in unsere Kita gehen oder die Ehepartner auch hier einen Job gefunden haben. Das ist immer so der Indikator, okay, jetzt sind sie gut angekommen. Dann sind wir auch so ein Stück weit raus als Integrationsmanagement, wir merken es immer daran, wenn die Kollegen sich gar nicht mehr melden, dann brauchen sie uns nicht mehr sozusagen.
Moderator: Integration ist kein Selbstläufer, sondern braucht Geduld und Offenheit von allen Seiten. Sprachbarrieren, Unterschiede in der Kommunikation oder auch ein anderes Berufsverständnis können bei der Zusammenarbeit in internationalen Teams zu Konflikten führen. Was hilft, ist interkulturelle Kompetenz. Und hier setzt die BGW wichtige Impulse. Zum Beispiel mit einer interaktiven Ausstellung und Workshops zum Thema Kulturdimensionen. BGW-Gesundheitsreferent Björn Teigelake hat die interaktive Ausstellung und die spannenden Workshops mit entwickelt.
Björn Teigelake: Mit verschiedenen interaktiven Elementen sind Besucher eingeladen, einmal über eigene Stereotype und Vorurteile zu reflektieren. Wo kommen sie her, wozu sind sie nötig? Aber auch, ab wann und wo sind sie hinderlich? Die Besucher können verschiedene Konfliktsituationen aus verschiedenen Perspektiven hören und selbst entscheiden, wer hat eigentlich recht. Am Ende kommen die Besucher dahin, jeder hat erst mal recht, abhängig vom Kontext und den eigenen Wahrnehmungsmustern. Besucher können sich fragen, wie kulturelle Prägung und stereotype Gedankenmuster zusammenhängen. Eine andere Frage ist, welches ist die richtige Distanz zu meinem Gegenüber? Ab wann habe ich das Gefühl, mein Gegenüber kommt mir zu nahe oder wirkt distanziert? Auch hier die Frage, woher kommt das Distanzbedürfnis? Ist es kulturell geprägt, ist es individuell? Wir laden herzlich ein, darüber zu reflektieren.
Moderator: Und aus dem Ausstellungserlebnis können wichtige Erkenntnisse für das Miteinander im Team abgeleitet werden.
Björn Teigelake: Eine wichtige Erkenntnis ist häufig, dass, wenn uns zum Beispiel etwas Ungeschicktes passiert, schreiben wir es der situativen Bedingung zu. Passiert das Gleiche einer Kollegin oder einem Kollegen, schreiben wir es als Eigenschaft der Person zu. Und diese Zuschreibungen beeinflussen unsere weitere Kommunikation. Das können wir ohne weiteres auf kulturelle Themen übertragen. Ein anderer Impuls soll das Nachdenken über den Mechanismus und die Wirkung von sich selbsterfüllenden Prophezeiungen sein. Wenn ich denke, mein Gegenüber ist freundlich, dann wird er es meistens auch sein. Wenn ich glaube, er ist unsympathisch, wird er es auch werden. Auch hier ist die Frage, weswegen denke ich von meinem Gegenüber so?
Moderator: Bei mehreren Veranstaltungen wurde bereits die interaktive Ausstellung zum Thema gezeigt. Und in diesem Jahr folgen noch weitere Angebote der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege im Rahmen des Projektes Kulturdimensionen.
Björn Teigelake: Mir persönlich ist im Laufe der Arbeit mit dem Thema Kulturdimensionen immer klarer geworden, dass wir zunächst immer erst einmal klären sollten, was wir unter Kultur und Kulturdimensionen verstehen. Letztlich stehen dahinter immer Wertvorstellungen darüber, wie etwas sein soll. Und das sollte Gegenstand der Kommunikation und Führung werden. Was sind die Werte dahinter? Eine letzte Erkenntnis, die ich noch ergänzen möchte, steht im Zusammenhang mit unserem Podcast Teamwork. Wenn Menschen mit unterschiedlicher Prägung und Wertesystem zusammenarbeiten, sollte die Führungskraft nach den jeweiligen Führungskulturen schauen und ihr Verhalten beziehungsweise ihren Kommunikationsstil auch entsprechend anpassen. Menschen bevorzugen teilweise unterschiedliche Führungsstile. Teilweise auch abhängig von der kulturellen Prägung. Da gibt es kein richtig oder falsch, wenn, dann nur gewohnt oder ungewohnt. Ein einprägsames Beispiel war mit einem Auszubildenden iranischer Herkunft und seinen Erfahrungen in der deutschen Gastfamilie. Kulturell bedingt ist er es gewohnt, Frauen eben nicht in die Augen zu schauen, sondern direkt nach der Gesprächsaufnahme auf den Boden zu schauen. Alles andere wäre unhöflich der Frau gegenüber. Die deutsche Gastmutter hingegen war empört, warum der Auszubildende ihr nicht in die Augen schaut, wenn er mit ihr spricht. Das war ein wunderbares Beispiel, wie unterschiedliche kulturelle Prägung die Kommunikation beeinflussen kann. Jede Maßnahme, die dazu beiträgt, dass die Beschäftigten in der Pflege eine Entlastung erfahren, ist wichtig. Dazu gehört auch das Projekt Kulturdimensionen der BGW. Eine gute Zusammenarbeit im Team führt zu besseren Arbeitsbedingungen für alle und wirkt sich damit positiv auf die Gesundheit der Beschäftigten und am Ende auch auf die Qualität der Pflege aus.
Block 03: Verabschiedung
Moderator: Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, spricht hier zum Abschluss noch etwas ganz Wesentliches an. Eine gute Zusammenarbeit im Team macht nicht nur allen mehr Spaß, sondern wirkt sich auch positiv auf die Gesundheit der Beschäftigten aus. Gerade für Führungskräfte sollte das auch nochmal ein wichtiger Impuls sein. In dieser Podcastfolge haben wir uns mit der interkulturellen Zusammenarbeit in der Pflege beschäftigt. Die Integration neuer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus dem Ausland braucht Vorbereitung und eine Strategie. Und interkulturelle Kompetenz lässt sich erwerben. Ein Beispiel dafür liefert das Projekt Kulturdimensionen der BGW. Wir alle haben unsere ganz eigene Sicht auf die Dinge, geprägt durch unsere Kultur. Eine wirklich neutrale Betrachtung von Sachverhalten ist uns deshalb nicht möglich. Schon alleine diese Erkenntnis führt vielleicht dazu, dass wir uns im täglichen Miteinander mit mehr Verständnis begegnen. Und bei allen Unterschieden können wir dennoch die gleichen Werte teilen. In der Pflege sind das in erster Linie Empathie und Menschlichkeit. Vielleicht haben Sie selbst schon Erfahrungen mit der Zusammenarbeit in einem internationalen Team gemacht oder Sie haben einen Themenvorschlag für eine unserer nächsten Podcastfolgen. Dann freuen wir uns auf Ihre Mail, die Sie uns über die Website der BGW unter www.bgw-online.de zukommen lassen können. Ich hoffe, wir hören uns bald wieder und bis dahin, bleiben Sie gesund.
(Outro - Herzschlag, für ein gesundes Berufsleben. Der BGW-Podcast)
Die Interviewgäste
Andreas Westerfellhaus
Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung
Marie-Luise Eßrich
Integrationsmanagerin, Universitätsmedizin Charité Berlin
Björn Teigelake
Referent für Gesundheitspädagogik, Kinderkrankenpfleger, Pflege und Gesundheit (B.Sc.), Erwachsenenbildung (M.A.) - BGW
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