Arbeits- und Gesundheitssituation in der ambulanten und stationären Jugendhilfe: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Die soziale Arbeit umfasst ein breites Spektrum, darunter Wohnungslosen-, Behinderten- und Familienhilfe. Ihr Ziel ist es, Menschen zu befähigen und zu ermutigen, Lebensherausforderungen zu bewältigen und ihr Wohlergehen zu verbessern, um sie in gesellschaftliche Strukturen zu integrieren (DBSH 2016).
Ein spezieller Bereich der sozialen Arbeit ist die Jugendhilfe, die während der Corona-Pandemie als systemrelevant eingestuft wurde. Besonders gefährdet sind Kinder und Jugendliche in prekären Situationen. Die Jugendhilfe gliedert sich in die ambulante und (teil-)stationäre Jugendhilfe, die beide darauf abzielen, Kinder und Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen und zu betreuen. Das übergeordnete Ziel beider Ansätze ist das Wohl des Kindes bzw. Jugendlichen und die Verbesserung ihrer Lebenssituation (BMFSFJ 2020).
Es ist unklar, ob die Arbeits- und Gesundheitssituation der Beschäftigten in den jeweiligen Bereichen spezifische Unterschiede aufweist, die bei der Arbeitsgestaltung und Gesundheitsförderung berücksichtigt werden sollten.
Gemeinsame Arbeitsbedingungen beider Bereiche sind:
- Hohe emotionale Inanspruchnahme durch den Umgang mit psychisch und physisch belasteten Klienten.
- Häufiger persönlicher Kontakt und Beziehungsarbeit mit Klienten, die oft traumatische Erfahrungen gemacht haben. Dabei besteht ein hoher Zuwachs von Betreuungsanfragen in beiden Bereichen und damit eine erhöhte Arbeitsintensität.
Unterschiede in den Arbeitsbedingungen:
- Im stationären Kontext stehen Beschäftigte eher längerfristig in Kontakt mit Jugendlichen, die oft ein hohes Konfliktpotenzial und traumatische Erfahrungen aufweisen. Dies erhöht die Gefahr verbaler und körperlicher Übergriffe und emotionaler Inanspruchnahme.
- Zusätzlich sind Schichtarbeit, unregelmäßige und flexible Arbeitszeiten typisch für den stationären Bereich.
Ziel dieser Studie ist es, die Arbeits- und Gesundheitssituation der Beschäftigten in der Jugendhilfe allgemein sowie spezifisch zu analysieren, um Hinweise auf Gestaltungsbedarfe der Arbeitsbedingungen zu erhalten. Untersucht werden Arbeitsbedingungen, Bewältigungsstrategien und Gesundheitsindikatoren der Beschäftigten in der ambulanten und stationären Jugendhilfe.
Teilnehmende und Ergebnisse
An der Querschnittsbefragung nahmen insgesamt 1044 Beschäftigte in der Jugendhilfe teil, davon 671 (64,3 %) aus der stationären und 373 (35,7 %) aus der ambulanten Jugendhilfe. Die Teilnehmenden sind im Durchschnitt 37,6 Jahre alt; in der ambulanten Jugendhilfe im Mittel 43,2 Jahre und im stationären Bereich 39,2 Jahre. Weibliche Teilnehmende sind mit 282 (75,6 %) im ambulanten und 457 (68,1 %) im stationären Bereich vertreten.
Allgemein zeigen sich in der Jugendhilfe hohe emotionale, qualitative und soziale Anforderungen sowie Zeitdruck als Stressoren. In der stationären Jugendhilfe sind diese Belastungen, einschließlich der Aggressionen der Klienten, stärker ausgeprägt.
Die Ressourcen sind allgemein hoch ausgeprägt. Handlungsspielraum und organisationales Gesundheitsklima wurden in der ambulanten Jugendhilfe signifikant höher bewertet, während die Sinnhaftigkeit der Arbeit in der stationären Jugendhilfe etwas höher eingeschätzt wird.
Deutliche Unterschiede gibt es beim gesundheitsgefährdenden Bewältigungsverhalten: In der stationären Jugendhilfe werden die Ausdehnung der Arbeitszeit in die Freizeit und Präsentismus (arbeiten trotz Krankheit) signifikant höher angegeben. Ein Grund könnte sein, dass Beschäftigte ihre Kolleginnen und Kollegen vor Ort nicht im Stich lassen wollen und daher eher ihre Freizeit opfern oder krank zur Arbeit kommen. Bei den Gesundheitsindikatoren gab es keine Unterschiede.