BGW-"Inkluthon": Inklusive Arbeitsplätze voranbringen Power-Workshop zur Inklusion von Beschäftigten mit Behinderungen

Wie können wir Menschen mit Behinderungen als Beschäftigte gewinnen? Wie sprechen wir sie an? Welche Barrieren gibt es intern – baulich, digital, in den Köpfen? Und auf welche Hürden treffen potenzielle Bewerber und Bewerberinnen mit unterschiedlichen Einschränkungen? Vom 10. bis 12. April 2024 trafen sich bei der BGW in Hamburg 17 angehende Inklusionsmanager und -managerinnen mit BGW-Führungskräften, um beim "Inkluthon" Ideen und Lösungsimpulse zu finden.

Bild vergrößern 24 Menschen sitzen und stehen als Gruppe vor einer Wand im BGW-Foyer mit Worten wie Zahnmedizin, Humanmedizin, Kinderbetreuung, Pflege u. a.

Ideen-Sprint für mehr Inklusion: Die Inkluthon-Teilnehmenden kommen aus ganz verschiedenen Branchen: Wirtschafts-, Finanz- und Versicherungsektor sowie Medien. Als Inklusionsmanager und -managerinnen bauen sie die Inklusionskompetenz in ihren Firmen aus.

Potenzial nicht unbeachtet lassen

Die BGW möchte inklusiver und diverser werden, was nicht nur im Hinblick auf den Fachkräftemangel immer notwendiger wird. Wir wollen die Potenziale von Menschen mit Behinderungen nicht ungeachtet liegen lassen, weiß Kerstin Ashauer. Jeder Mensch kann seine Stärken bei der BGW einbringen. Ashauer ist frisch gebackene Inklusionsmanagerin und bei der BGW zuständig für die "Praxiswelten" im geplanten Präventionszentrum PREVIER. Dieses Leuchtturmprojekt für Inklusion soll im Sommer 2026 eröffnen. Im barrierefreien Gebäude sollen auch inklusive Arbeitsplätze entstehen: zum Beispiel in den sogenannten Praxiswelten, Mitmach-Ausstellungen zu Präventionsthemen wie Hautschutz, Ergonomie oder psychische Gesundheit, und im Gastro-Bereich.

Inklusion, also dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt am (Arbeits-)Leben teilhaben können, fördert die BGW bereits vielfältig. Seit Mai 2023 nimmt sie daher gemeinsam mit 12 anderen Unternehmen und Institutionen aus ganz Deutschland am Modellprojekt „Innoklusio“ teil. Ziel ist der Ausbau von Inklusionskompetenz und -kultur in den Unternehmen.

Marathon für Inklusion – mit kreativer Expertise und Ideen-Sprints

Die Teilnehmenden, die sich zum "Inkluthon" getroffen haben, absolvieren im Rahmen des Innoklusio-Bildungsprogramms eine berufsbegleitende Zusatzausbildung für ihre Unternehmen. Sie arbeiten etwa für Beiersdorf, die Deutsche Welle, Bayer, Generali, die GLS Bank, die Agentur MaschmannFautzHuff und das Chancenwerk. Beim "Inkluthon", angelehnt an "Hackathon", sollen sie in drei Tagen kreative Lösungswege und Umsetzungsideen erarbeiten. Unterstützt von der Hochschule für gesellschaftliche Gestaltung. Ziel ist für Kerstin Ashauer, einen konkreten Weg zu finden, um Beschäftigte für inklusive Stellen bei der BGW zu rekrutieren. Der Inkluthon ist gleichzeitig das Abschlussprojekt für ihre Inklusionsmanager-Ausbildung und die ihres Kollegen Dr. Alexander Simokat, BGW-Referent für Arbeitsrecht. Und er soll Kick-off für die internen Maßnahmen sein, die für wirksame Inklusion neuer Beschäftigtengruppen nötig sind.  

Bild vergrößern Zeichnung: Ein Berg mit Gipfelkreuz "Inklusives Praxisweltenteam", am Berg 4 Zelte: Camp 1 Personalfindung, Camp 2 Qualifizierung, Camp 3 Abbau von Barrieren, Camp 4 Entwicklung inklusives Team. Am Bergfuß eine Gruppe Figuren mit Fragezeichen: Inklusion?

Gesucht: der Weg zum Gipfel des Inklusionsberges. Um ein inklusives Praxiswelten-Team aufzubauen, stehen die Basis-Punkte (Camp 1 bis 4). Aber der Pfad dorthin muss noch konkret werden.

Inklusiv – aber wie?

Acht Scouts sollen in Zukunft im PREVIER durch die Praxiswelten führen. Aber wie kommt die BGW an geeignete Personen? Gesucht sind unterschiedliche Menschen, die eine Bandbreite an Behinderungen abbilden – und ein Spektrum an Talenten mitbringen. Was Kerstin Ashauer sieht: Der Weg zum Ziel ist herausfordernd. Es gibt einiges zu tun, um die passenden Menschen zu finden. Und sie so zu qualifizieren und zu begleiten, dass sie sich in ihrem Job als Scouts wohlfühlen und diesen gut ausfüllen. Dafür müssen auch intern Mitarbeitende qualifiziert werden, damit sie zukünftig inklusive Teams leiten können.

Die "Inkluthon"-Teilnehmenden haben an Tag 1 die Raphael-Schule besucht, eine Förderschule in Hamburg. Dort haben sie sich mit Schülerinnen und Schülern aus Klasse 11/12 und deren Eltern ausgetauscht – über Bedürfnisse, über Hürden und das Gefühl, überbehütet zu werden. "Menschen ohne Abschluss finden kaum Anschluss", lautet häufig der Tenor. Dabei haben alle jungen Menschen ähnliche Träume und Wünsche, egal ob mit oder ohne Behinderung.

Ohne Abschluss kein Anschluss?

Oft scheinen die Systeme unverträglich: der ideelle Rahmen der Förderschulen-Parallelwelt auf der einen Seite  und starre, an möglichst hohen Abschlüssen interessierte Ansprüche auf Seiten der Betriebe. Nötig sei ein "Reframing bei den Unternehmen", findet Prof. Andreas Heinecke, Gründer der Dialogue Social Enterprise GmbH, die das Projekt Innoklusio begleitet. Warum nicht Menschen ohne Abschluss einstellen?, fragt Heinecke. Es läge in der Hand der Unternehmen, ihre Bewerbungsprozesse anders aufzustellen. 

Eindrücke aus der Ideenpräsentation des Inkluthons

Die BGW ist gut aufgestellt

Die BGW ist dabei insgesamt schon gut aufgestellt. Das Bewusstsein, dass Talentscouting bei Menschen mit Einschränkungen unabhängig von formalen Abschlüssen sein müsse, ist in der Personalabteilung und Organisationsentwicklung verankert. Die BGW fängt keinesfalls bei Null an. Wir arbeiten bereits mit der Hamburger Arbeitsassistenz zusammen, um Menschen mit Behinderungen bei uns zu integrieren, etwa über Praktika., sagt Monika Eggeling, Leiterin Personal. Auch die Idee, gezielt mit der Raphael-Schule zu kooperieren, um dort vorab junge Menschen auf ihren Einsatz im PREVIER vorzubereiten, finde ich gut. Insgesamt ließen sich Kooperationen mit Schulen ausbauen. 

Wer Menschen mit Behinderungen besser erreichen möchte, muss aber auch Bewerbungsverfahren anpassen: Besonders interessant finde ich den Ansatz, Videobewerbungen zu ermöglichen, so Dr. Alexander Simokat. Auch die Sprache anzupassen ist nötig – sowie Tätigkeiten statt Rollen bei der Stellenausschreibung ins Zentrum zu rücken.

Feld für Menschen mit Behinderungen bei der BGW erweitern

Die BGW will versuchen, die Möglichkeiten auszubauen, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigten. Auch Modellprojekte voranzutreiben, etwa um Menschen mit Einschränkungen als Pflegeassistenzen einzusetzen, steht auf der Ideenliste. Ein Projekt, um diese Menschen für soziale Tätigkeiten in der Pflege zu qualifizieren, läuft bereits, weiß Björn Kähler, Leiter für BGW-Modellprojekte und Kongresse.

Mir hat die Offenheit gefallen während des Inkluthons. Inklusion funktioniert nur Top-down und muss sich über alle Fachbereiche ziehen. Wir sind dabei alle auf einem ähnlichen Weg. Aber bei der Schwerbehinderten-Quote liegt die BGW mit 9 Prozent deutlich vor Beiersdorf., fasst Barbara Wentzel von der Beiersdorf AG ihre Eindrücke zusammen. Den Ansatz, Menschen mit Behinderungen als Alltagsbegleitung in der Pflege einzusetzen, findet sie auch für ihren Verein Haus für morgen spannend.

Inklusion ist ein dickes Brett und bleibt oft ein Lippenbekenntnis, ergänzt Andreas Heinecke. Das scheint bei der BGW anders zu sein, die Führungsriege zeigt viel Offenheit. Die Impulse des Inkluthons für Maßnahmen scheinen zu fruchten. Auch bei zwei Müttern der Raphael-Schule: Sie können sich die BGW als Arbeitgeberin für ihre Kinder gut vorstellen. Vielleicht bringt der Austausch hier meinem Sohn neue Ideen für zukünftige Arbeitsplätze. Und vielleicht bewirbt er sich ja initiativ., sinniert eine der beiden.

Der Inkluthon und die dabei gewonnenen Anstöße sind vielversprechend. Die BGW nimmt daraus einiges mit – für eine inklusivere Zukunft.