Zwischen Stress und Selbstsorge: Führungskräfte der Pflegebranche im Dilemma #93 BGW-Podcast "Herzschlag - Für ein gesundes Berufsleben"
Wir alle kennen das: Wichtige Entscheidungen treffen, die langfristige Auswirkungen auf unser Leben haben. Welchen Job will ich machen? Soll ich ausziehen und mein gewohntes Umfeld verlassen oder bleibe ich lieber, wo ich jetzt bin?
Solche Entscheidungen fallen schwer und führen oft sogar zu psychischen Problemen. Wenn man jetzt aber nicht nur für sich selbst, sondern für ein ganzes Team entscheiden muss, dann ist man beim Thema dieser Episode angelangt – das Führungsdilemma.
Um Führungskräfte in Pflegeberufen sowohl präventiv als auch kurativ bestmöglich unterstützen zu können, gibt es zahlreiche Methoden und Angebote. Gemeinsam mit Prof. Dr. Harald Gündel, Kajsa Johansson und Dr. Marieke Born spricht Moderator Ralf Podszus über eines dieser Projekte und wie hoch der Einfluss auf die Praxis wirklich ist.
Hier kommen Sie zum Transkript dieser Folge
Moderator
Personalentscheidung, Krisenmanagement und Finanzen: Führungskräfte, die müssen jede Menge Aufgaben und Herausforderungen meistern. Das kann vor allem in schwierigen Zeiten zu psychischen Problemen führen. Das gilt nicht nur für sie selbst, sondern auch für das ganze Team. Welche Präventivmethoden gibt es, um besser damit umgehen zu können und was für Angebote existieren, wenn es für Präventivmittel schon zu spät ist? Das ist das heutige Thema der Podcast Folge. Gleich an meiner Seite Professor Harald Gündel, er ist Leiter des Forschungsprojekts Seegen und forscht zur seelischen Gesundheit am Arbeitsplatz. Außerdem mit dabei Kajsa Johansson, die Diplom Pädagogin und systemische Therapeutin, die leitet seit über 10 Jahren den Arbeitskreis „Führung & Gesundheit“ bei der BGW. Und Doktor Marieke Born ist auch am Start als Psychologin und systemische Therapeutin hat sie im Seegenprojekt zum Thema Dilemma-Kompetenz promoviert und dafür einen Forschungspreis erhalten. Ihr merkt jede Menge Kompetenz ist am Start, damit ihr die besten Tipps bekommt. Ich bin Ralf Podszus und ich freue mich, dass ihr wieder eingeschaltet habt.
Jingel
Herzschlag für ein gesundes Berufsleben der BGW Podcast
Moderator
Herzlich willkommen Kajsa!
Kajsa Johansson
Hallo!
Moderator
Und hallo Harald.
Professor Dr. Harald Gündel
Hallo!
Moderator
Marieke ist später in dieser Folge am Start. Der Fokus liegt heute vor allem auf die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz für die Führungskräfte. Passend dazu sprechen wir heute auch über das Forschungsprojekt Seegen und über die Erfahrung aus diesem Projekt und konkrete Folgeprojekte. Harald da frage ich dich doch jetzt direkt mal als Projektleiter, was genau steckt hinter dem Seegenprojekt und warum habt ihr euch für genau dieses Thema entschieden?
Professor Dr. Harald Gündel
Wir arbeiten schon seit 15/20 Jahren, so in der Schnittstelle Arbeit und Gesundheit. Sehr stark eben auch im Bereich Prävention. Einfach aus der Erfahrung heraus, dass das, was wir in der psychosomatischen Medizin an „Werkzeugen“ lernen, also Empathie, Perspektivübernahme, die Fähigkeit, Konflikte auch offen zu besprechen und auch wieder zu reparieren. Etwas, was wir Rupture Repair nennen, die Kraft der Gruppe also sprich das ist eine Gruppe, wenn sie zusammenkommt und über komplexe, manchmal auch schwierige Themen redet, oft besser ist, bessere Lösungen findet, besseren emotionalen Support leisten kann als der Einzelne und auf bestimmten Umständen teilweise sogar auch Zufällen, sind wir dann, vor ungefähr 20 Jahren dazu gekommen, uns zu fragen, wieso nutzen wir das, was wir in unserem Fach lernen, eigentlich nur bei Menschen, die schon signifikant erkrankt sind? Warum gehen wir damit nicht in die Prävention? Das ging los in einem großen Industriebetrieb. Produktionsbetrieb und dann gab es verschiedene weitere Projekte mit dem Ziel, die Gesundheit von Mitarbeitern am Arbeitsplatz präventiv zu erhalten, auch früh zu erkennen, wenn was ins Ungleichgewicht gerät und früh dann auch wieder den Betreffenden zu helfen. Und schrittweise haben wir uns dann von einer primärmedizinischen Perspektive, wie kann ich dem Einzelnen helfen, dass er gesund bleibt in Zusammenarbeit mit der Arbeitsmedizin und der Arbeits- und Organisationspsychologie insbesondere dahin entwickelt zu sehen, dass eben die Gesundheit des Menschen, aber auch die Kreativität, die Freude an der Arbeit nicht nur abhängig davon ist, was er selber mit sich macht und wie er sich stärkt. Sondern auch davon, wie die Umgebungsbedingungen sind, also die Gruppe bzw. das Team. Aber auch ganz konkret die Arbeitsbedingungen des Mindset in der gesamten Organisation, sodass wir schrittweise dahin gekommen sind, komplexe Interventionen zu entwickeln. Einmal Angebote zu machen, dem Einzelnen zu helfen, stärker zu werden und auf der anderen Seite aber auch einfach auf eine mehr übergeordneten Ebene schauen, wie sind denn Arbeitsbedingungen, wie funktioniert das Team? Kann ich an verschiedenen Stellen eingreifen? Um am Ende ein Arbeitsumfeld zu schaffen, wo Menschen gerne hingehen und dann auch weniger krank sind in der Regel und einfach mit mehr Freude und oft auch Kreativität ihre Arbeit tun.
Moderator
Harald du hast es gesagt 20 Jahre macht ihr das schon gibt es so im Rückblick irgend so ein Meilenstein der da so forschungsmäßig aufgeploppt ist? Und du hast auch erwähnt zufällig ist man auch auf so ein paar Dinge gekommen. Da entdeckt man irgendwelche Bakterien auf dem Pilz und schon gibt es Penicillin und so weiter habt ihr da auch so etwas? Wie ist das zufällig zustande gekommen?
Professor Dr. Harald Gündel
Also was mir spontan einfällt als Meilenstein ist zunächst mal unsere erste Studie, was wir sagen Proof of Concept. Also so gucken funktioniert das überhaupt so wie wir es im Kopf haben? Wir haben für Führungskräfte in einem großen Produktionsbetrieb ,also insbesondere Meister, ein damals Führungskräfte- Gesundheitstraining aufgelegt, was heute relativ gang und gäbe ist, damals aber relativ neu war. Also haben im Prinzip mit Führungskräften jeweils Pi mal Daumen 20 Stunden in der Gruppe gearbeitet, also so 2 Tage plus dann im Abstand von 3 und 6 Monaten noch mal ein sogenannter Booster von jeweils 3 Stunden, wo die Gruppe noch mal zusammen gekommen ist. Es waren aber jetzt keine Patienten wie bei uns in der Klinik, sondern es waren gesunde Menschen in der Regel gesund, die aber verschiedene Themen und Probleme hatten, einfach die sie manchmal auch nachts beschäftigt haben. Also wir konnten quasi wie bei einem Medikament nachweisen, wenn Menschen in einer Gruppe gemeinsam arbeiten, unter Anleitung eines Profis, sich mit ihren Themen beschäftigen, die sie lösen müssen, die sie auch manchmal belasten, die sie vielleicht auch unruhig machen, dann kommen die wirklich weiter. Also, das bringt was, ja, und es ist nicht nur wie ein Medikament, das es etwas bringt zu dem Zeitpunkt, wo das Medikament eingenommen wird, sondern quasi die Menschen in der Gruppe lernen in einer etwas anderen Weise ihr denken zu erweitern. Also Perspektivenübernahme, sich in andere hineinversetzen, sich auch mal austauschen, nicht alles für sich behalten. Also es kommt ein Gruppenprozess zustande, wo am Ende etwas gestärkt wird, was wir Mentalisierungs- oder Reflexionsfähigkeit nennen, das heißt, ich tu nicht nur einfach Tag für Tag meine Aufgaben und denk nicht so groß drüber nach. Sondern ich schaffe mir Räume, wo ich auch mal aus der Arbeit rausgehe und gemeinsam mit anderen überlege, was läuft hier eigentlich, wo kann ich was verändern, was sollte so nicht weitergehen und wie können wir das gemeinsam machen. Wir nennen das Reflexionsräume und wir haben dann Jahre später noch mal ein weiteres Forschungsprojekt vom BMBF genehmigt bekommen, wo wir nachschauen konnten, wie ist denn der Verlauf, also gibt es da eine Langzeitwirkung von diesen 20 Stunden Gruppentherapie? Und da lagen dann einige Jahre dazwischen und wir konnten zeigen, dass es tatsächlich eine Langzeitwirkung gibt. Also seelische Belastung wie das Gefühl, nicht ausreichend gewertschätzt zu werden, das nennen wir zusammengefasst „Gratifikationskrise“ oder auch so eine Neigung zu depressiven Gedanken, dass das noch Jahre später gegenüber einer vergleichbaren Gruppe verringert war.
Moderator
Halten wir also fest: Gruppenarbeit hilft, löst Probleme und es ist für jeden individuell und für jeden auf jeden Fall auch hilfreich und gut. Kajsa, du bist als systemische Therapeutin und Leiterin des Arbeitskreises Führung und Gesundheit bei der BGW bestens vertraut mit Führungskräften und ihren Problemen. Was würdest du sagen, sind die größten Herausforderungen, mit denen Führungskräfte, aber auch Mitarbeitende zu kämpfen haben?
Kajsa Johansson
Also ich glaube Harald hat es schon ganz gut gesagt mit dieser Initialzündung für die Forschung es geht ja darum gesunde Arbeitsbedingungen zu schaffen. Also sicher und gesund durch den Arbeitsalltag zu kommen und die Führungskräfte in unseren Mitgliedsbetrieben nehme ich mal die Pflege des Gesundheitswesens, die Jugendhilfe, die Kita, die Friseure haben eigentlich mit einem dauerhaften Dilemma zu tun. Nämlich auf der einen Seite wollen sie die eigenen Ansprüche an die Qualität ihrer Arbeit aufrechterhalten und gleichzeitig gibt es strukturell bedingt eine Fülle an Anforderungen die dem wiedersprechen. Nämlich ich soll in ganz kurzer Zeit jemanden komplett waschen, gleichzeitig dokumentieren, was ich tue, mit ihm sprechen, seine seelischen Probleme lösen, die Angehörigen betreuen und so weiter und sofort. Oder ich soll mit zu wenig Fachkräften eine zu große Anzahl schwer belasteter BewohnerInnen, PatientInnen Kita-Kinder betreuen und versorgen und das steht in einem Widerspruch. Ich kann also gar nicht eine richtige oder eine gute Entscheidung treffen und befinde mich in einem dauerhaften inneren Konfliktzustand. Und da haben wir als BGW erkannt, wir können nicht nur das bestätigen, was Harald sagt, sondern also, sie brauchen darin Unterstützung, wie sie gesund und gut gestalten und führen können. Und dieses Dilemma auflösen können wir nicht von der BGW, da gibt es einfach, wir wissen alle, es gibt den Fachkräftemangel, es gibt die Digitalisierung, Pandemie und so weiter, aber den Umgang damit, den kann man verändern. Und da können wir nur bestätigen, wir versuchen deshalb, daran anzusetzen, Führungskräfte zu stärken, ihre Mitarbeitenden und sich selbst gesund zu führen. Also wie kann ich eine richtige oder eine verantwortbare Entscheidung treffen und die entsprechend kommunizieren, zum Beispiel: „Ja, wir machen den Kita Ausflug auch trotzdem mit weniger Personal, weil die Kinder sich seit Wochen darauf gefreut haben und es uns sehr wichtig ist“ oder „nein, an dieser Stelle hole ich trotzdem noch die Mitarbeitende aus dem Frei muss sie leider doch holen, obwohl ich eigentlich gesagt habe es geht nicht weil wir aber ansonsten die und die Sachen nicht erledigen können. Also das ist tatsächlich etwas, denn nur Führungskräfte, die sich gut um ihre eigene Gesundheit kümmern und darin unterstützt werden, gesund zu führen, können auch ihre Mitarbeitenden entsprechend gesund führen.
Professor Dr. Harald Gündel
Ja, möchte ich nur unterstützen, auch aus einer medizinischen Perspektive. Also der Mensch ist ein Organismus, also ein Zusammenspiel von ganz vielen Untereinheiten und am Ende ein Gesamtkunstwerk, und es geht darum, da ein, wir nennen das „Homöostase“, ein Gleichgewicht zu erhalten, und wenn dieses Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Systemen, Hormonen, Nervenbahnen, vegetatives Nervensystem etc., dann entspricht das Gesundheit oder ist zumindest die Voraussetzung für Gesundheit. Diese vielen komplexen Dinge sind im Gleichgewicht. Und dazu gibt es im menschlichen Organismus Feedbacksysteme, wo Organe sagen können, jetzt ist es mir zu viel liebes Gehirn, das CEO sozusagen des Körpers. Ich schalte mal bisschen zurück hier ein bisschen weniger vielleicht woanders ein bisschen mehr. Das Gleichgewicht in einem komplexen System herstellen bedeutet Gesundheit für uns Menschen, weil wenn es auf längere Zeit nicht passt, dann entsteht im menschlichen Organismus Krankheit, die nach einer Zeit oft nicht mehr rückgängig zu machen ist. Und in einem Betrieb entsteht dann ne Schieflage und im Krankenhaus mit mehr AU Zeiten also andere Krankheitssymptome des Ganzen. Mehr Menschen die nur halbtags arbeiten, eine höhere Fluktuation bei den Mitarbeitern, das heißt dieses was Kajsa grad gesagt hat, ist total wichtig.
Moderator
Wir schauen mal ins letzte Jahr zurück da gab es den höchsten Krankenstand in Deutschland seit Jahrzehnten. Und man führt das ja auch so wissenschaftlich jetzt dann auch belegt auf die Pandemie zurück auf COVID 19 diese ganzen Nachwirkungen das Immunsystem ist geschwächter und man wird eben kränker, hat es länger an der Backe. Und mit dieser Erkenntnis müsste man jetzt eigentlich sehr viel verändern und arbeiten und machen. Stellt ihr fest dass immer ganz schnell auch reagiert wird auf äußeren Einflüsse und auch auf neue Erkenntnisse, die man hat, desto einfacher ist es dann am Ende für alle Beteiligten, auch für die Führungskräfte, und am günstigsten am Ende auch, weil man nicht so viel mit Ausfällen kompensieren muss?
Kajsa Johansson
Also wenn ich darauf mal eingehen kann. Also ich glaube, dass es wichtig ist, deutlich zu machen, dass die Führungskräfte, die ja die Arbeitsbedingungen gestalten, die oberen, mittleren und unteren Führungskräfte, dass die gestärkt werden, gesund durch diese Nachkrisenzeiten kommen. Und deshalb ein Reagieren ist auf jeden Fall da. Also wir von der BGW haben beispielsweise ein Krisencoaching für Führungskräfte entwickelt, was heute übrigens noch als Angebot wunderbar zu finden ist. Auf unsere BGW Online Seite, denn dort können sich Führungskräfte. Sich mit den Konflikten im Alltag, den Fachkräftemangel, den schwierigen Themen im Team auseinandersetzen müssen, können sich per Video per Telefon unkompliziert von einem erfahrenen Code zum Thema gesunde Führung, gesunde Selbstführeng beraten lassen, weil eben genauso etwas gefehlt hat. Oder wir haben eine Führungskräfte Workshopreihe, wenn man das Suchstichwort Fkws eingibt, bei der BGW online. Da gibt es eine Workshopreihe, die genau das unterstützt, nämlich wie kann ich in Krisenzeiten, aber auch in diesen verschärften Bedingungen für mich einen verantwortbaren Weg finden, um meine Teams durch diese Zeiten zu geleiten. Und ich glaube, das ist die Unterstützung bei den Führungskräften, die dort nicht alleine zu lassen. Das ist uns als BGW ein großes Anliegen.
Professor Dr. Harald Gündel
Ich würde ergänzen, dass ich glaube, dass natürlich die hohe Krankenquote auch daran liegt, dass wir in einer Zeit ja zunehmend dynamischen Beschleunigung leben, dass sich unheimlich viel verändert auf allen Ebenen, die ich hier gar nicht aufzählen brauche. Und diese zunehmend hohe Veränderungsgeschwindigkeit natürlich irgendwo auch Stress bedeutet. Und also, wir Menschen sind evolutionär darauf angelegt, uns auch auf sich ändernde Bedingungen anpassen zu können. Aber das schaffen nicht alle und es gibt ganz unterschiedliche Voraussetzungen, zum Beispiel Ältere reagieren, wenn sie dann plötzlich irgendwelche besonders ausgefeilten neuen Online Technologie lernen müssen anders als Jüngere. Also es heißt, Führungskräfte sind oft belastet in dieser sehr dynamischen Zeit mit so von einer Krise in die andere. Und Führungskräfte, die so in einer mittleren Position sind, sogenannte Sandwich-Führungskräfte sind da oft besonders belastet, die brauchen Unterstützung, völlig klar, und das ist eine Ebene. Eine andere Ebene ist es dann nochmal in verschiedenen Bereichen und Abteilungen die besonders belastet sind. Ich sag mal Krankenhaus zum Beispiel Intensivstation, Notaufnahmen überall da, wo es besonders interdisziplinär und akut zugeht, aber natürlich auch woanders, da, wo Belastungen da sind mit der ganzen Gruppe zu arbeiten, also mit den Führungskräften, aber auch mit ihren Mitarbeitern, und dann diese Gruppe zu befähigen, gemeinsam letztlich eine, was ich am Anfang sagte, auch Probleme, gemeinsame Themen zu identifizieren und dann auch Lösungsvorschläge zu entwickeln.
Moderator
Was sind noch wichtige Erkenntnisse aus der Seegen Studie Harald?
Professor Dr. Harald Gündel
Also ein Ergebnis ist, dass wir verschiedene Interventionen entwickelt haben, also drei verschiedene Interventionen für Führungskräfte. Davon eine zum Beispiel, die jetzt nicht so sehr die eigene Gesundheit fokussiert, sondern mehr, wie sind denn die Arbeitsbedingungen in meiner Abteilung und macht es Sinn, an denen was zu verändern, auch vielleicht mit dem Vorstand dann zu sprechen? Also drei Bausteine waren Führungskräftetrainings, und dann hatten wir noch so ein Thema, das heißt seelische Gesundheit über die Lebensspanne. Und da gab es ein Seminar „Vereinbarkeit Beruf und Familie“ und ein Seminar „Gesund bleiben im Beruf, gesund älter werden“, wo es darum geht, dass Mitarbeiter, die älter werden, zum Beispiel Pflegekräfte, oft zum Beispiel ganz praktisch nicht mehr so gut heben können wie als sie 20 waren. Und das es dann hilfreich ist, zusammen mit ihren Vorgesetzten, mit ihrem Team zu besprechen, vielleicht kann ich ein bisschen weniger heben aber vielleicht mehr ans Telefon gehen oder mehr mit Patienten sprechen oder so. Die Arbeitsbedingungen ein Stück so zu verändern, dass sie wieder besser zur Person passen. Dann haben wir in einer zweiten Phase Mitarbeitern von ganzen Krankenhäusern angeboten, eins von fünf Seminare maximal 12 Stunden Dauer zu besuchen. Und wir haben dann gemessen verändert sich im gesamt der Krankenhausmitarbeiter plus der betroffenen Teilnehmer, verändert sich da messbar was? Und das war tatsächlich nicht der Fall, da gab es ein paar schwierige Einflussfaktoren. Aber am Ende können wir sagen, also es ist uns nicht gelungen, ein Großteil der Mitarbeiter zu erreichen, sondern eine wichtige Rückmeldung auch aus der qualitativen Begleitstudie war, die einzelnen Seminare sind gut und sinnvoll, aber ganz oft haben wir keine Zeit gehabt, in diesen Seminaren teilzunehmen. Das heißt, wir haben daraus auch gelernt, so ein ganzes Krankenhaus zu versuchen, in 2 Jahren zu erreichen war, ich denke auch ohne die Auswirkung der Corona Pandemie, zu ambitioniert. Unter den Bedingungen des Gesundheitssystems. Ich mein, wir haben ein total gutes Gesundheitssystem, das möchte ich auch mal sagen, es gibt kaum Länder, die so gut sind und so viel Geld in die Gesundheit investieren wie Deutschland. Aber aus verschiedenen Gründen gibt es in den einzelnen Kliniken doch eine hohe Belastung bei den Mitarbeitern und es gibt ein Personalmangel und das hat dazu geführt, dass viele, die teilnehmen wollten, auch nicht konnten. Was wir gelernt haben, ist also, ein ganzes Krankenhaus zu erreichen, dauert länger und ist anspruchsvoll. Aber ich denke nach wie vor, das ist absolut möglich, Organisationskultur zu verändern, ein ganzes Krankenhaus positiv zu beeinflussen.
Moderator
Wenn es um die mentale Gesundheit geht, dann kann man präventiv einiges machen. Angebote gibt es dazu zum Beispiel von der BGW. Kajsa welche Möglichkeiten gibt es, die psychische Gesundheit von Angestellten und Führungskräften zu stärken?
Kajsa Johansson
Also ich denke einmal, zunächst ist Aufklärung Information total wichtig, da findet sich nicht nur bei der BGW, überall finden sich Hinweise zum Umgang mit Stress, da gibt es Aufklärung. Ich glaube, was Harald auch sagte, dieses Bewusstmachen davon, wo befinde ich mich gerade, wenn ich also verstehe, ach, das ist gerade Stress, und den habe ich vielleicht daher, weil ich gerade zu viel auf einmal versorgen muss, in zu wenig Zeit, das ist ein erster Schritt, um präventiv tätig zu werden. Und auch eine Würdigung des Leides zu erfahren. Das zweite ist dann zu schauen, was brauche ich denn jetzt hier als Führungskraft, ich nehme mal als Beispiel der Führungskraft, um mich zu stärken, um da durchzukommen? Und da bietet unter anderem eben die BGW vieles es an, wie ich nannte, an Seminaren, es gibt Informationsbroschüren, es gibt Organisationsberatung, und da wirkt das, was Harald sagte, die Wirkung der Gruppe. Also uns schildern, die Führungskräfte, die aus den Seminaren rauskommen und sagen „ich wusste ja nicht also das ist überall ein bisschen schlecht ist ja aber dass die anderen das auch so empfinden“ und dann hat der eine oder die andere Führungskraft vielleicht einen Tipp den ich mitnehmen kann denn die arbeiten unter denselben Bedingungen häufig und geben sich gegenseitig und entdecken Ressourcen die vorher so nicht sichtbar waren. Und dann wird es vielleicht auch deutlich warum die Mitarbeitenden die schönen Sportangebote gar nicht annehmen wenn sie nämlich ausgebrannt von der Schicht kommen schaffen sie nicht mehr den Weg ins Fitnessstudio. Sondern gesunde Führung zu verstehen hat vielleicht dann damit zu tun mehr damit zu tun wie ich den Dienstplan stricke und ob ich gucke wo ich noch im Springer aus dem Frei holen kann oder ähnliches einen Notfallplan habe. Bringt vielleicht mehr, als im Nachhinein ein Wellness Angebot zu bieten. Und das ist uns von der BGW wichtig, die gesunden Verhältnisse zu denken. Harald, Du willst dazu ergänzen, denke ich.
Professor Dr. Harald Gündel
Also 2 Anmerkungen dazu. Erstens die Kraft der Gruppe, was du gesagt hast Kajsa. Das ist also in der Psychotherapie, Gruppentherapie gibt es den Begriff Discontentment, das heißt, wenn ich etwas teile, was schwierig ist und gemeinsam nach Lösungen suche, dann bewirkt das etwas, was wir neurobiologisch auch mittlerweile verstehen, was mit Erleichterung und einer Zunahme von Selbstwirksamkeit zu tun hat. Also diese Gruppenarbeit ist mega wichtig, ist gerade vor einem Jahr Systematic Review erschienen, also eine Übersicht über alle wissenschaftlichen Arbeiten, die es zu dem Thema gibt. Die gesagte Verstärkung von Kajsa. Also Wellness Programme sind auch wirksam, aber nicht so wirksam wie man sich das oft erhofft. Sondern was echt wirksam ist, ist dass der sogenannte partizipative Ansatz in der Gestaltung von Arbeitsbedingungen, also das, worüber wir auch reden, dass verschiedene Mitarbeiter zusammen sich zusammensetzen und zusammen mit ihren Führungskräften schrittweise entwickeln wie wollen wir Veränderung gestalten. Das wirklich gemeinsam überlegt wird und dass alle mitgenommen werden und die besten Ideen sozusagen gesammelt werden, da gibt es auch eine gute Evidenzbasis mittlerweile dafür. Aber es ist noch nicht vollständig, wir wollen diese Evidenzbasis stärken im Laufe der nächsten Jahre.
Moderator
Sehr interessant und auch vielen Dank Kajsa und Harald. Ich danke euch für eure interessanten Einblicke und Eindrücke.
Kajsa Johansson
Gerne danke auch an dich.
Professor Dr. Harald Gündel
Sehr gerne, vielen Dank.
Kurzes Jingel
Moderator
Jetzt sprechen wir über den praktischen Nutzen von Seegen im Alltag. Bei mir ist Dr. Marieke Born, ich grüße dich.
Dr. Marieke Born
Hallo schön hier zu sein.
Moderator
Ja schön dich im Podcast zu haben. Du hast im Seegenprojekt promoviert und bist sogar mit einem Forschungspreis ausgezeichnet worden. Herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle.
Dr. Marieke Born
Vielen Dank.
Moderator
Wo macht sich der Forschungspreis in welcher Vitrine besonders schön in deiner Wohnung?
Dr. Marieke Born
Ja, leider habe ich keinen Vitrinen reifen Forschungspreis überreicht bekommen. Es war während der Corona Zeit war eine sehr feierliche aber dennoch digitale Veranstaltung und eine Urkunde gab es, die habe ich mir aber nicht aufgehängt.
Moderator
Immerhin eine digitale Trophäe dann, die kann man auch schlecht aufhängen. Dann erzähl uns doch mal, was du im Projekt Seegen so konkret gemacht hast und wie du aktuell mit Dilemma-Kompetenz arbeitest. Das müssen wir uns auch noch mal als Begriff natürlich gleich noch mal angucken, das ist ja ein ziemliches Wort. Und starten wir doch erstmal mit: Wie sieht es denn insgesamt aus mit einem Dilemma am Arbeitsplatz und was zeichnet das aus?
Dr. Marieke Born
Also ein Beispiel für ein Dilemma, ich finde immer leichter vorstellbar, eine Zwickmühle, in der man sich befindet. Ist eine Entscheidung zum Beispiel rund um die Dienstplanung. Das kennen glaube ich viele im Kontext Krankenhaus ist jemand ausgefallen und die Teamleitung steht jetzt vor der Frage, wen aus dem Frei holen. Und besonders im Kontext Personalmangel fühlen sich solche Situationen oft an wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Es handelt sich also bei einem Dilemma um eine Entscheidung, in der alle Optionen mit erheblichen Nachteilen einhergehen. Ich muss aber entscheiden. Nichts zu tun, ist keine Option und auch auf Dauer nichts zu tun, ist keine Option und auch auf Dauer lässt es sich nicht auflösen. Also kann man sich so vorstellen, je häufiger ich mich dafür entscheide Frau X zu belasten, desto mehr muss ich sie in Zukunft entlasten und jemand anderen belasten. Und solche Situationen sind für Führungskräfte häufig unheimlich belastend. Egal wie ich es mache, es fühlt sich mies an und ich bin hier die Person, die entscheiden muss. Und da ist einfach die Frage, wie halte ich das aus. Und was häufig passiert ist, dass Menschen sich in diesen Positionen so fühlen, als wäre das ein persönliches Versagen. Ich persönlich krieg das hier nicht hin, wenn ich mich besser verhalten würde, dann wird es hier kein Problem geben. Dass wir als Führungskräfte aber in solche Situationen kommen, in denen wir diese schweren Entscheidungen treffen müssen, ist der Normalfall. Das ist quasi die inhärente Aufgabe von der Führungskraft in Betrieben, also sie müssen entscheiden, was schwer zu entscheiden ist. Und das ist oft schon eine erleichternde Einsicht. Häufig werden solche Situationen aber eben nicht nur für die Führungskräfte selbst zum Problem, sondern auch für die Teams. Es gibt einige Forschungen dazu, die zeigt, wenn Führungskräfte solche Dilemmasituationen nicht gut managen, sind auch die Teams davon beeinträchtigt, zum Beispiel gibt es mehr Konflikte. Teams fühlen sich blockiert, weil keiner entscheidet oder auch Einzelne im Team sind diejenigen, die das dann versuchen abzufedern und damit besonders belastet werden.
Moderator
Da kannst du jetzt vielleicht mal direkt die Dilemma-Kompetenz erklären, definieren, was versteht man da drunter?
Dr. Marieke Born
Julika Zwack und Ulrike Bossmann haben diesen Begriff in unserer Arbeitsgruppe in einem kleinen Büchlein sehr prägnant, wie ich finde, beschrieben. Das nennen sie Wege aus beruflichen Zwickmühlen. Dilemma-Kompetenz ist die Fähigkeit, sich in solchen Situationen gut zu navigieren. Ich habe das in meiner Doktorarbeit in vier Komponenten gefasst, also zunächst überhaupt wahrzunehmen, dass es sich um eine solche eigentlich unentscheidbare Situation handelt. Ich kann keine perfekte Lösung finden, ich muss eine Lösung finden, mit der ich irgendwie leben kann, das ist Komponente zwei, also dieses Anerkennen, dass ich Nachteile in Kauf nehmen muss. Und im dritten Schritt geht es dann darum, sich zu positionieren, also eine stimmige Position zu finden. Wen ruf ich hier an, ist die Frage. Und hier arbeiten wir in den Trainings viel mit unterschiedlichen Entscheidungshilfen, wie man sich gut positionieren kann. Und der vierte Aspekt von Dilemma-Kompetenz ist dann, wie kommuniziere ich es, also wie gelingt es mir, meine schwierig betroffene Entscheidung im außen zu vertreten und den anderen mitzuteilen. Und ganz wichtiger Aspekt, da kommt ja was zurück, wie gehe ich damit um, was mir dann entgegengeworfen wird.
Moderator
Jetzt gibt es Kompetenztrainings sie sollen dann helfen, solche unmöglichen Entscheidungssituationen zu trainieren. Wie kann ich mir solche Kompetenztrainings vorstellen, was genau passiert dort?
Dr. Marieke Born
Also die Führungskräfte lernen in den Trainings, wie es gelingt, solche Entscheidungen, die ja eben täglich auftreten, bewusst zu entscheiden und sich selbst in solchen Situationen besser navigieren zu können. Wichtig ist mir hier in den Trainings von Anfang an mit den Fällen der Teilnehmenden direkt zu arbeiten und das erstmal aufzudröseln. Was passiert da eigentlich? Warum fühle ich mich eigentlich so diffus, getrieben, diffus, gefangen? Was sind die Entscheidungsoptionen? Was sind die Nachteile dahinter und auch zu schauen, warum scheue ich mich so sehr, das zu entscheiden? Und wenn das klar ist, dann geht es im zweiten Schritt darum, sich persönlich damit auseinanderzusetzen, warum sich die Entscheidungsoptionen für mich so schwer anfühlen. Da sind wir bei Glaubenssätzen zum Beispiel, wer denke ich, soll ich als Person sein, dass ich eine gute Führungskraft, ein guter Mitmensch bin. Und wir arbeiten hier auch viel mit Organisationsspielregeln. Also was gilt hier in dem Krankenhaus, wann mach ich hier einen guten Job, was geht hier auf gar keinen Fall? Also zum Beispiel in völlig unterschiedlichen Krankenhäusern herrschen da sehr unterschiedliche Regeln und in manchen gilt zum Beispiel Bettenschließen ist ein komplettes No Go. Und deshalb ist natürlich die Entscheidungsoption wir machen einfach Betten zu, wenn es kein Personal gibt nicht vorstellbar. Und hier also besser zu verstehen warum sind diese Optionen so schwer für mich hinnehmbar. Eine andere Entscheidungshilfe und das funktioniert erstaunlich gut ist das Thema Gefühle und gerade auch in Arbeitskontexten oder in Disziplinen die sehr männlich geprägt sind, merken wir immer wieder, dass es ein totaler Gamechanger ist, das Thema Gefühle zu erkunden. Und ich schick da die Trainingsteilnehmenden gerne auf so eine Erkundungstour was für Gefühle steigen denn in dir hoch wenn du A oder B entscheiden sollst. Spannend ist das dann da häufig so Themen aufkommen wie ehrlich gesagt, ich fühl mich total ratlos. Ich weiß eigentlich überhaupt nicht, was ich hier machen soll und damit kann man dann wieder gut arbeiten. Und am Ende des Trainings ist uns auch immer wieder wichtig zu schauen, was sind im Prinzip die systematischen Komponenten, warum ich als Führungskraft damit konfrontiert werde, das ist die inhärente Aufgabe von der Führungskraft, solche Fragen zu entscheiden, ist also der Normalfall, dass ich damit betraut werde als Führungskraft, solche Dilemmasituationen zu entscheiden. Und zuletzt auch mal drauf zu gucken, wie kann uns das wir in diesem Kontext helfen, also wie können wir es hier gemeinsam uns besser mit solchen Situationen machen. Wie schaffen wir es, hier gemeinsam in eine Aufwärtsspirale zu kommen, anstatt in der Abwärtsspirale? Wie können wir uns gegenseitig das Leben einfacher machen, anstatt es uns noch schwerer zu machen und das ist unheimlich hilfreich für Teams, insbesondere wenn es interdisziplinäre Teams sind.
Moderator
Marieke, was denkst du, wie kann man Führungskräfte bestmöglich stärken, also was hilft bei psychischem Stress und dem Umgang mit harten Entscheidungen? Wir haben ja eben schon auch gehört, als Führungskraft bleiben die einem nicht erspart.
Dr. Marieke Born
Na, ich würde sagen Dilemma-Kompetenztraining (lacht).
Moderator
Und damit können wir auch die heutige Podcast Folge beenden. Vielen Dank (lacht).
Dr. Marieke Born
Nee, Spaß bei Seite. Aber meine Beobachtung ist schon wirklich, dass das Training häufig wirklich ins Schwarze trifft. Und zwar deswegen, weil es Führungskräfte klar macht, was in ihre inhärente Aufgabe in Organisationen ist. Und deutlich macht, ich bin hier nicht der Doofe, der das nicht gemanagt bekommt. Das entlastet erstmal unheimlich und bringt auch wieder ein Gefühl zurück gestalten zu können. Dann ist es unglaublich wichtig für Führungskräfte, sich auszutauschen, zu merken, Mensch, die anderen struggeln auch oder für die ist auch manches belastend. Ich habe vorhin die Glaubenssätze benannt, die Gefühle, das einfach verstehen zu können, damit ich wieder sozusagen ans Steuer komme. Also das Stichwort ist Selbstwirksamkeit, also wieder selber das Gefühl zu haben, gestalten zu können, das ist, glaube ich, ein wichtiger Präventionsfaktor. Und der zweite ist und da sprechen wir eher sozusagen um Umweltfaktoren, die zu einer Stärkung beitragen. Und da ist die oberste Leitungsebene gefragt, welche Kultur wird hier geschaffen? Also wird hier eine Kultur gepflegt, in der ich sagen darf ich bin gerade ratlos und bräuchte jemanden, mit dem ich mal kurz sprechen kann? Oder müssen wir hier alle so tun, als gäbe es überhaupt kein Problem? Wird Telekultur gepflegt, in der kollegiales Verhalten gefördert wird oder wird eine gepflegt, in der wir es verhindern? Da kann obere Leitung sehr viel kreieren. Kreieren wir eine Kultur in der wir offen sind für Veränderungsvorschläge oder kreieren wir eine Kultur, in der strukturelle Probleme als solche besprochen werden können? Oder müssen wir so tun, als wären struktureller Personalmangel ein noch nicht gelöstes Einzelproblem? Also das sind, glaube ich, Faktoren, die auch stark zur Entlastung von Führungskräften beitragen, dieser Kulturaspekt.
Moderator
Sollten sich Führungskräfte vielleicht auch selbst geißeln? Also wenn sie jetzt unpopuläre Entscheidungen treffen, da wurde mal wieder der Geburtstag verdorben, weil muss jemand halt trotzdem jetzt eine Schicht übernehmen. Und das ist schon wiederholt vorgekommen, dass man dann selbst auch am Start ist, mit anpackt oder einfach auch auf sein eigentliches Freizeitding verzichtet, damit auch dann die Mitarbeitenden das sehen oder ist es halt einfach so? Du bist halt die Führungskraft, du musst es jetzt festlegen und die anderen sind ja in diesem Bereich tätig.
Dr. Marieke Born
Also ich glaube, es macht natürlich eine gute Teamatmosphäre, wenn die Führungskraft auch mal mit einspringt und sich nicht zu schade ist. Aber auch eine Führungskraft muss dafür sorgen, dass sie sich nicht komplett ausbrennt, sonst kann sie ihren Job nicht mehr tun und sie ist eben eigentlich nicht eingestellt dafür, die Schicht mit zu übernehmen. Das ist jetzt sehr unterschiedlich im Krankenhaus, wenn wir in einer klassischen Leitungsposition sind, dann ist eben auch die reine Leitungsaufgabe für die Führungskraft bestimmt. Im Krankenhaus sind es ja oft Doppelrollen, und das ist ein Balanceakt: Also an welchen Stellen sage ich, ich springe mit ein und an welchen Stellen tue ich es nicht? Und ich würde sagen, mal so, mal so. Es ist einfach ein Balanceakt und da sind wir mitten in der Dilemma-Kompetenz, die die Führungskräfte da für sich und das Team anwenden müssen.
Moderator
Was können denn einzelne Teammitglieder oder das ganze Team tun, um die Führungskraft zu unterstützen? Also was ist auf der anderen Seite vielleicht eher nicht ratsam?
Dr. Marieke Born
Das finde ich eine tolle Frage, weil es ist ja oft so leicht, die Führungskräfte in die Pflicht zu nehmen. Also Teammitglieder schaffen auch eine Kultur und sie können eben sich auch entscheiden, ob sie eine soziale Aufwärtsspirale erzeugen in einem Team. Also ob sie eine Kultur kreieren, des Geben und Nehmens, die eine Hand wäscht die andere oder geht hier jeder in eine individuelle Überlebensstrategie und schaut einfach, dass er selber oder sie selber gut wegkommen? Versuchen wir hier wohlwollend dem anderen gegenüber zu treten und ein Wohlwollen zu unterstellen. Auch versuchen wir eine Schicht mehr zu übernehmen, weil wir wissen, dass grad Not auf Station ist. Versuchen wir ins Gespräch zu gehen, wenn irgendwas schwierig war oder verstummen wir? Und da ist einfach die Frage, nehme ich mir die Energie, ins Team zu investieren und da haben Teammitglieder einfach auch eine Möglichkeit zu gestalten.
Moderator
Wie kannst du für dich in der Praxis die Erfahrung und Erkenntnisse aus dem Seegen Projekt nutzen? Also um eine noch bessere Unterstützung anbieten zu können?
Dr. Marieke Born
Also ich hab einfach erst mal mitgenommen, wie komplex das System Krankenhaus ist. Also da hab ich eine große Ehrfurcht vor Menschen die dort einen guten Job machen unter denen zum Teil wirklich so belastenden Situationen ihren Optimismus nicht verlieren. Das macht mich als Beraterin unheimlich bescheiden und hilft mir in Trainings zu gehen und zu sagen, ich bin nicht die Expertin die hier kommt, die ExpertInnen sitzen vor mir. Und es hat mir auch geholfen, so zu merken, welche völlig unterschiedlichen Unterstützungsprogramme es gibt im Krankenhaus und wie wichtig es ist, auch strukturell anzusetzen. Zum Beispiel mit runden Tischen mit der obersten Führungsebene verhältnispräventiv zu arbeiten. Und so weiter und sofort. Das ist etwas, was mir in der Praxis unheimlich hilft, nach rechts und links schauen zu können und zu merken, was es alles andere noch an hilfreichen Interventionen gibt, die hier wertstiften.
Moderator
Marieke nach all dem, was wir jetzt in dieser Folge gehört haben, wie wichtig ist es, Führungskräfte zu stärken, sowohl für die Führungskraft selbst als auch für das Team dahinter?
Dr. Marieke Born
Naja, also 10 von 10 würde ich sagen, da bin ich einfach echt total parteiisch.
Moderator
Ok, dann nehmen wir das so gerne mit und dann wissen wir auch, wie wichtig das ist. Auch wenn der oder die Entscheidungsträger oder Trägerin mal unpopulärer Entscheidung für das Team fällen müssen. Marieke, vielen Dank für deinen Input und deine Gedanken zu diesem sehr relevanten Thema.
Dr. Marieke Born
Ja, sehr gerne. Schön hier gewesen zu sein.
Moderator
Danke euch fürs Zuhören. Schön, dass ihr wieder eingeschaltet habt und ich hoffe, wir hören uns in der nächsten Folge wieder. Alle Infos und alle Podcast Folgen findet ihr auch auf der Webseite der BGW unter www.bgw-online.de/podcast. Lasst gerne eine Bewertung da, wenn ihr mögt und schreibt uns auch gerne, wenn ihr ein Thema habt, über das wir hier im Podcast unbedingt mal sprechen sollten. Tschüss und bis zum nächsten Mal.
Jingle
Interviewgäste
Kajsa Johansson
Systemische Therapeutin und Leiterin des Arbeitskreises Führung und Gesundheit der BGW
Prof. Dr. Harald Gündel
Leiter Forschungsprojekt „SEEGEN“
Dr. Marieke Born
Psychologin und systemische Therapeutin
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