Ein Mann stützt sein Gesicht in die Hände und hält sich die Augen zu.

Extreme Erlebnisse: Vorsorgen, begleiten, nachsorgen BGW magazin - 1/2022

Flutkatastrophe in der Klinik, ein Brand auf der Station oder der Suizid einer Klientin – Extremsituationen mitzuerleben kann Traumatisierungen auslösen. Schnelle Hilfe ist nötig, damit das psychische Gleichgewicht der Betroffenen stabilisiert werden kann. Worauf sollten Betriebe achten? Und wann unterstützt die BGW?

Ein Unfall in der Kita – ein Kind ist verletzt. Erzieherin Maria konnte es nicht verhindern. Als ihr klar wird, wie ernst die Situation ist, ruft sie den Notarzt. Es besteht Lebensgefahr. Das Geschehen lässt Maria fassungslos zurück ... Zum Glück ein fiktives Beispiel – doch im beruflichen Alltag kann es zu ähnlichen Situationen kommen.

Betroffene auffangen

Wenn Beschäftigte extremen Ereignissen ausgeliefert sind, ist es wichtig, dass sie Menschen haben, die sie auffangen. Das können Kollegen oder Kolleginnen sein, die sich kümmern, zuhören, in der Krise und danach verständnisvoll zur Seite stehen. 

Vorsorglich Strukturen aufbauen

Ziel der betrieblichen Präventionskultur ist, Beschäftigte möglichst vor Extremereignissen zu schützen. Allerdings gibt es Fälle, die sich nicht vermeiden lassen – für solche müssen Strukturen vorhanden sein. Erste Hilfe zu organisieren ist Aufgabe der Unternehmen. Auch um die Organisation der psychosozialen Notfallversorgung kümmern sie sich zunächst. Die Verantwortlichen im Betrieb sollten sich daher Gedanken machen, was ihre Beschäftigten benötigen, um für Extremerlebnisse gewappnet zu sein. Gibt es ein Notfallmanagement? An wen können sie sich direkt nach einem Erlebnis wenden? Wie sieht es mit der psychischen Nachsorge aus? Auch wenn Betroffene einfach wieder zur Tagesordnung übergehen, kann eine Traumatisierung stattgefunden haben, die Hilfe erfordert.

Kollegiale Erstbetreuung

Eine Form der Unterstützung ist zum Beispiel die kollegiale Erstbetreuung. Dabei kümmern sich speziell geschulte Kolleginnen oder Kollegen innerhalb der ersten 48 Stunden um Betroffene, bieten psychosoziale Erste Hilfe an und steuern in dieser Zeit die weitere Betreuung.

Die BGW vermittelt Unternehmen geprüfte Institute für die Qualifizierung kollegialer Erstbetreuer und Erstbetreuerinnen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch eine Förderung möglich. 

So können Betriebe vorsorgen

  • Erste Hilfe vor Ort: Festlegen, an wen sich Betroffene direkt nach einem Vorfall wenden können. Betroffene beruhigen, nicht allein lassen.
  • Abläufe institutionalisieren: Zuständige Ansprechpersonen bekannt machen, Struktur vorhalten.
  • Psychosoziale Notfallversorgung: Telefonnummern von Kriseninterventions- oder Notfallnachsorge-Diensten bereithalten.
  • Kollegiale Erstbetreuer und Erstbetreuerinnen qualifizieren lassen.

Auf Alarmsignale achten, BGW ins Boot holen

Zeigt sich jemand unmittelbar oder auch einige Zeit nach einem Ereignis unruhig, reizbar, hat Schlafstörungen oder meidet Orte oder Situationen, die mit dem Erlebten in Verbindung stehen, können das Alarmsignale sein. Wenn Betroffene weiteren Beistand benötigen, gibt es unbürokratisch Unterstützung: Die zuständige BGW-Bezirksverwaltung verhilft ihnen zu unverbindlicher, kostenloser und selbstverständlich vertraulicher Beratung. Denn bei einem Extremerlebnis im beruflichen Zusammenhang – wie dem von Maria aus dem Eingangsbeispiel – handelt es sich um einen Arbeitsunfall.

Zu den Hilfsangeboten zählen telefonisch-psychologische Beratung (bis zu fünf Telefontermine mit Psychotherapeuten oder -therapeutinnen) oder bei Bedarf auch ortsnahe Therapiesitzungen – im Rahmen von fünf probatorischen Sitzungen. Dabei kann geklärt werden, ob eine anschließende Psychotherapie sinnvoll wäre, um wieder seelisch stabiler zu werden und einer möglichen Traumatisierung vorzubeugen. Denn gute Nachsorge ist ein erfolgreicher Faktor, um extreme Situationen zu verarbeiten. Falls nötig, vermittelt die BGW zügig Ansprechpersonen für psychotherapeutische Hilfe.

Von: Christina Schiller