Hämodialysegeräte im BGW test Vergleichender Produkttest für Gesundheitseinrichtungen
Hochtechnisierte Geräte reinigen täglich das Blut etlicher Dialysepatientinnen und -patienten. Doch ihre Ergonomie – und damit ein wichtiges Kaufkriterium für Dialysezentren – wurde bisher kaum verglichen. BGW test nahm dies zum Anlass, die Geräte einmal eingehend zu untersuchen.
Rund 80.000 Menschen in Deutschland sind auf eine Dialyse angewiesen - Tendenz steigend. Die am häufigsten genutzte Dialyseform ist die Hämodialyse, also das regelmäßige Reinigen des Bluts außerhalb des Körpers. Unerlässlich dabei: Die Beschäftigten in Dialysezentren müssen ständig mit Hämodialysegeräten umgehen. Bei diesen handelt es sich um Medizinprodukte, die grundsätzlich die vorgegebenen Richtlinien erfüllen und entsprechend zugelassen sind. Dennoch gibt es Unterschiede zwischen den Modellen. Mögliche Bedienfehler stören die Arbeit. Schwergängige Drück-, Dreh- und Klemmsysteme erschweren das Auf- und Abrüsten – also das Vorbereiten beziehungsweise Abbauen der Geräte. Studien weisen darauf hin, dass jede zweite Dialysefachkraft im Laufe ihres Berufslebens Beschwerden der Arme und Hände erleidet. Zum Vergleich: Die Inzidenz bei Pflegekräften anderer Bereiche ist nur halb so hoch.
Die Ergonomie im Fokus
Für die BGW war dies Grund genug, Hämodialysegeräte genauer unter die Lupe zu nehmen und ihre Ergonomie zu untersuchen. Das Ziel: Gesundheitseinrichtungen bei Kaufentscheidungen unterstützen. "Für eine gesunde Arbeit sind bei der Beschaffung auch ergonomische Aspekte zu berücksichtigen. BGW test stellt hierfür Erkenntnisse zur Verfügung, auf die Betriebe sonst kaum stoßen", sagt Lorenz Müller, Projektleiter bei der BGW.
Im Vorfeld hat sich die BGW eingehend mit Hämodialysegeräten befasst. Unter anderem fand ein reger Austausch mit Expertinnen und Experten aus Dialysezentren und Verbänden sowie mit Geräteherstellern statt.
Fachkräfte testeten die Bedienbarkeit
In einem vergleichenden Produkttest hat ein beauftragtes Prüfinstitut sieben gängige Hämodialysegeräte untersucht, unter anderem mit einem groß angelegten Bedienbarkeitstest. 36 Beschäftige in der Dialyse erhielten die Aufgabe, die Geräte aufzurüsten, eine simulierte Dialyse durchzuführen und die Geräte anschließend wieder abzurüsten und zu reinigen. Auch mussten sich die Testpersonen mit einem zufällig ausgelösten Alarm auseinandersetzen.
Insbesondere das Auf- und Abrüsten verlief nicht immer glatt. Trotz unterstützender Softwareführung und vorhandener Farbcodierung traten vor allem beim Einlegen des arteriellen Schlauchsystems oder beim Einlegen von Kassettensystemen Bedienfehler auf. Häufigster Grund: Jeder Hersteller hat hier seinen eigenen Standard.
Darüber hinaus mussten die Testpersonen Fragebögen ausfüllen. So wurde ermittelt, wie zufrieden die Anwenderinnen und Anwender mit den jeweiligen Geräten waren. Optimierungspotenziale zeigten sich beispielsweise bei der Displaygestaltung, Menüführung, Reinigung sowie dem Kraftaufwand beim Manövrieren und Aufrüsten.
Im Labor untersucht: Die körperliche Belastung
Wie hoch ist der Kraftaufwand wirklich? Das wurde im Labor untersucht. Messungen erfassten den Kraftaufwand beim Schieben und Ziehen sowie die Handkräfte und Handaktivitäten beim Aufrüsten der Geräte. Alle Aspekte zusammen geben Auskunft über die körperliche Belastung. Diese ist bei allen Geräten "befriedigend“.
Ein Ergebnis: Hämodialysegeräte sind nicht für lange Transportwege ausgelegt. Auch beim Positionieren am Arbeitsplatz wirken teilweise hohe Kräfte auf die Beschäftigten. Nur die Baxter AK 98 konnte hier die Note "gut“ erreichen.
Das Aufrüsten erfordert bei allen geprüften Geräten eine hohe Handaktivität. Zudem kann das Schließen von venösen und arteriellen Klemmen besonders kraftaufwändig für die Hände sein.
Fazit: Ein Gerät ist "gut“, der Markt insgesamt nah beieinander
Beim Produkttest schnitt die Fresenius 6008 insgesamt am besten ab. Das Gerät konnte – trotz höchstem Kraftaufwand beim Manövrieren – durch eine gute Bedienbarkeit und eine sehr gute Anwenderzufriedenheit die Gesamtnote "gut“ erreichen. Fünf weitere Hämodialysegeräte sind dicht beieinander und erhielten ein "befriedigendes“ Ergebnis. Die Baxter Artis Physio Plus ist als einziges Gerät "ausreichend“.
Die getesteten Dialysegeräte – aus Sicht des Arbeitsschutzes
Um die einzelnen Geräte größer sehen zu können, klicken Sie bitte auf die Lupe zur Bildvergrößerung!
7 unterschiedliche Hämodialysegeräte in einem Raum
7 unterschiedliche Hämodialysegeräte in einem Raum
Einzelergebnisse des Tests
Fresenius Medical Care 6008
Die besten Noten sowohl bei der Anwenderzufriedenheit (Note: 1,1), der Bedienbarkeit (Note: 1,7) und der körperlichen Belastung beim Aufrüsten (Note: 2,9) erreichte im Test die Fresenius 6008. Dafür aber ist die körperliche Belastung beim Schieben und Ziehen am höchsten (Note: 3,8). Das Aufrüsten wird durch die Software sowie Form- und Farbkennzeichnung unterstützt. Durch das Kassettensystem mit vormontierten Blutschläuchen sind weniger Anschlüsse zu verbinden. Jedoch fehlt hier ein Hinweis zur Entfernung einer Schutzkappe. Diese haben alle Pflegekräfte übersehen, wodurch das Gerät nicht ohne Hilfestellung in Betrieb genommen werden konnte. Auch die Halterung für den Dialysator sollte beweglicher sein. Außerdem fiel auf, dass sich die Fresenius-Geräte bei der Farbkennzeichnung der Dialysator-Kupplung von allen anderen Herstellungsfirmen im Testfeld unterscheiden. Und sonst? Der Monitor ist nach links sowie rechts verstell- und kippbar. Leider lassen sich der Monitorkontrast und die Schriftgröße nicht einstellen und die Helligkeit ist nur im Ruhe-Bildschirm anpassbar. Die Einsatzzeit im Test war am kürzesten. Positiv ist auch, dass die Sterilfilter abgedeckt sind und sich der Abstellbereich für Kanister gut reinigen lässt. Die Zentralbremse ist einfach erreichbar, aber der Stellzustand nicht gut ersichtlich. Top: Die Fresenius 6008 hat zusätzliche Griffe zur einfacheren Positionierung des Geräts. (Eingesetztes Verbrauchsmaterial: 6008 CAREset-R, FX80 CorDiax, bibag, AC-F211,5)
Nipro Surdial X
Die Nipro Surdial X hat bei der Bedienbarkeit (Note: 2,6) und der Anwenderzufriedenheit (Note: 2,8) "befriedigend“ abgeschnitten, die körperliche Belastung ist knapp "ausreichend“ (Note: 3,6). Die Einsatzzeit im Test war schneller als der Durchschnitt. Zudem wird man beim Aufrüsten durch die Software sowie durch die Form- und Farbkennzeichnung unterstützt. Schlauchhalterungen sind nicht ausreichend vorhanden. Aber dafür wurde die Gestaltung der Geräteoberfläche, der Pumpen und der Spritzenhalterung mit Blick auf die Reinigung positiv hervorgehoben. Praktisch ist auch ein extra Tablett für Verbrauchsmaterial. Zusätzliche Griffe zum Positionieren gibt es keine, hierfür wurde im Test häufig der Infusionsständer genutzt. Außerdem gibt es keine Zentralbremse. Was den Monitor betrifft: Dieser ist nach links und rechts verstell- und kippbar. Die Helligkeit ist anpassbar, der Monitorkontrast und die Schriftgröße aber nicht. (Eingesetztes Verbrauchsmaterial: Surdial X HD DIF, ELISIO-19H, NiproCart A2F 760, A-Conncentrate 201)
Fresenius Medical Care 5008S CorDiax
Die Fresenius 5008S CorDiax erreichte eine "befriedigende“ Anwenderzufriedenheit (Note: 3,2) und eine "befriedigende“ Bedienbarkeit (Note: 2,7). Die Einsatzzeit im Test war schneller als der Durchschnitt. Die körperliche Belastung ist knapp "ausreichend“ (Note: 3,6). Die gemessenen Handaktivitäten beim Aufrüsten gehören zu den höchsten im Test. Dank der Software und der Form- und Farbkennzeichnung wird man beim Aufrüsten vom Gerät unterstützt. Zu erwähnen ist, dass sich Fresenius-Geräte bei der Farbkennzeichnung der Dialysator-Kupplung von den anderen Herstellungsfirmen unterscheiden. Die Fresenius 5008S CorDiax besitzt keine extra Griffe, um das Gerät positionieren zu können. Deshalb besteht die Gefahr, dass die schützenden Türen im offenen Zustand zur Positionierung zweckentfremdet werden. Dank der Türen vereinfacht sich die Reinigung des Geräts – obwohl sich die zu reinigende Fläche vergrößert. Der Abstellbereich für Kanister lässt sich gut reinigen. Außerdem: Die Zentralbremse ist gut erreichbar, allerdings ist der Stellzustand nicht gut ersichtlich. Der Monitor ist nach links und rechts verstell- sowie kippbar. Der Monitorkontrast und die Schriftgröße sind nicht anzupassen, die Helligkeit hingegen schon, aber nur im Ruhe-Bildschirm. (Eingesetztes Verbrauchsmaterial: AV-Set ONLINEplus 5008-R, FX80 CorDiax, bibag, AC-F211,5)
B.Braun Avitum Dialog iQ
Sowohl die Bedienbarkeit (Note: 2,8) als auch die Anwenderzufriedenheit (Note: 3,3) und die körperliche Belastung (Note: 3,2) sind bei der B.Braun Avitum Dialog iQ "befriedigend“. Bei der Hand- und Handgelenksbelastung beim Aufrüsten erreichte das Gerät die zweitbeste Note. Das Dialysegerät hatte eine schnellere Einsatzzeit als der Durchschnitt. Zudem wird man beim Aufrüsten dank der Software und der Form- und Farbkennzeichnung unterstützt. Kleine Abstriche: Die Schlauchführung ist negativ aufgefallen. Zudem besteht die Gefahr, dass die Druckaufnehmer aufgrund uneindeutiger Kennzeichnungen verwechselt werden können. Positiv aufgefallen ist die große Ablagefläche für Akten und Verbrauchsmaterialien. Top ist auch, dass sich die Geräteoberfläche gut reinigen lässt. Die Sterilfilter sind verdeckt. Lediglich der Abstellbereich für Kanister kann bei möglichen Verunreinigungen eher schwierig gereinigt werden. Was noch? Griffe zum Positionieren sind nicht vorhanden, stattdessen wird der Infusionsständer hierfür häufig eingesetzt. Statt einer Zentralbremse gibt es lediglich Einzelradbremsen. Was den Monitor angeht, so ist dieser nach links und rechts verstellbar, jedoch nicht kippbar. Die Helligkeit ist anpassbar, der Monitorkontrast und die Schriftgröße jedoch nicht. (Eingesetztes Verbrauchsmaterial: DiaStream iQ Premium, Diacap Pro, Sol-Cart B, SW 285 A)
Nikkiso DBB EXA
Bei der Bedienbarkeit (Note: 3,0), der Anwenderzufriedenheit (Note: 3,5) und der körperlichen Belastung (Note: 3,2) erreichte die Nikkiso DBB-EXA ein "befriedigend", wenn auch für die Anwenderzufriedenheit nur knapp. Dank Softwareunterstützung sowie Form- und Farbkennzeichnung wird der Aufrüstprozess entsprechend geleitet. Vor allem die Schlauchhalterungen unterstützen die gut getrennte Schlauchführung. Der Druckaufnehmer und das Blutschlauchsystem sind nicht farblich gekennzeichnet. Dafür aber ist die Spritzenpumpe positiv bei der Reinigung aufgefallen. Die Sterilfilter sind verdeckt und von vorne zugänglich. Nicht so perfekt bei der Reinigung erscheint die Sensorklappe des Blutvolumenmonitormoduls. Diese lässt sich nur nach unten öffnen, was bei Verunreinigungen nicht ideal ist. Die Einsatzzeit der Nikkiso DBB EXA war im Test länger als der Durchschnitt. Der Monitor lässt sich nach links und rechts verstellen, aber nicht kippen. Weder Schriftgröße, Monitorhelligkeit oder -kontrast lassen sich anpassen. Das Gerät verfügt über eine Zentralbremse. Griffe zum Positionieren gibt es nicht, der Infusionsständer wird hierfür häufig eingesetzt. (Eingesetztes Verbrauchsmaterial: OHD DN, VitaPES LF 18 plus, DiaCart 720 g, A-Concentrate 248)
Baxter AK 98
Die Baxter AK 98 erreichte eine "ausreichende“ Anwenderzufriedenheit (Note: 3,9) und eine "befriedigende“ Bedienbarkeit (Note: 3,1). Die körperliche Belastung beim Schieben und Ziehen hingegen ist im gesamten Test am geringsten (Note: 2,0). Die gemessenen Handaktivitäten beim Aufrüsten gehören zu den höchsten im Test. Die Einsatzzeit im Test war bei dem Gerät länger als im Durchschnitt. Zudem unterstützt die Software nicht beim Aufrüsten. Auch wird vom System beim Großteil der Fehlermeldungen keine Hilfestellung gegeben. Hier muss die Bedienungsanleitung hinzugezogen werden, was schlecht ist. Was beim Aufrüsten positiv auffiel: Form- und Farbkennzeichnung sind vorhanden und die Schlauchführung ist aufgrund des Single-Pumpen-Systems übersichtlich und wird zusätzlich über Markierungen am Gerät unterstützt. Außerdem fiel die Gestaltung der Spritzenpumpe mit Blick auf die Reinigung des Geräts positiv auf. Dafür ist auch praktisch, dass die Ablage am Gerät abnehmbar ist. Jedoch sind die Sterilfilter auf der Geräterückseite offen und Desinfektionsmittel kann sich am Monitorrand sammeln. Der Monitor ist in der getesteten Ausstattung nicht verstellbar. Auch der Monitorkontrast und die Schriftgröße können nicht angepasst werden, dafür aber die Monitorhelligkeit. Die Baxter AK 98 verfügt über Einzelradbremsen. Spezielle Griffe zum Positionieren gibt es keine, der Infusionsständer wird hierfür schnell zweckentfremdet. (Eingesetztes Verbrauchsmaterial: NovaLine, Polyflux, BiCart, SoftPac Citrate C240, CleanCart C)
Baxter Artis Physio Plus
Die Baxter Artis Physio Plus erreichte eine "ausreichende“ Anwenderzufriedenheit (Note: 3,9) und Bedienbarkeit (Note: 3,8). Die körperliche Belastung ist knapp "befriedigend" (Note: 3,5). Das Aufrüsten wird durch eine Software und Farbkennzeichnungen unterstützt. Dennoch machten die Pflegekräfte bei der Bedienung der Artis Physio Plus beim Auf- und Abrüsten die meisten Fehler im Test (Note: 4,3). Die Einsatzzeit war die längste im Test. Aufgefallen ist auch, dass es keine Halterungen für die Schlauchführung gibt. Lobenswert waren die Einsparungen an den Seiten, die als Griffe zum Positionieren genutzt werden können. Zudem können auf dem Gerät Akten und Verbrauchsmaterialien problemlos abgelegt werden. Was die Reinigung betrifft, weist die Geräteoberfläche einige schwierig zu reinigende Stellen auf. Besonders aufgefallen sind tiefe Rillen sowie der Monitorrand, an dem sich Desinfektionsmittel sammeln kann. Zudem lässt sich der Monitor nicht justieren. Die Baxter Artis Physio Plus verfügt über Einzelradbremsen. (Eingesetztes Verbrauchsmaterial: ArtiSet, ULTRALINE HD, Polyflux, SelectCart, BiCart, SelectBag Citrate CX 250G, CleanCart C)
Wie wähle ich das passende Gerät?
Was beim Auswahlprozess zu beachten ist
Produktanforderungen mit der Belegschaft definieren
Zusammen mit der Belegschaft zwei bis drei Dialysegeräte ausgiebig testen und bewerten – Tipp: Fragebogen der BGW nutzen
Ausprobieren, wie schnell die Geräte einsatzbereit sind und ob sich die Wartezeiten gut in die Arbeitsabläufe integrieren lassen
Justierungsmöglichkeiten des Monitors austesten
Sicherstellen, dass Warn- und Kontrollanzeigen deutlich sichtbar und verständlich sind
Prüfen, ob man bei der Anwendung und bei Alarmen konkrete Hilfestellungen erhält
Die Größe der Rollen sowie das Gewicht als wichtige Auswahlkriterien heranziehen, wenn die Geräte oft transportiert werden
Kontrollieren, ob genug Griffe für den Transport und die Positionierung vorhanden sind
Auf schwer zu reinigende beziehungsweise desinfizierende Stellen achten