Wie geht es den Beschäftigten in der Pflege? – Der Berufsgesundheits-Index für die Alten- und Krankenpflege #56 BGW-Podcast "Herzschlag - Für ein gesundes Berufsleben"
Wie steht es um die Gesundheit und die Arbeitssituation der Beschäftigten in der Pflege? Antworten darauf gibt der Berufsgesundheits-Index Alten- und Krankenpflege, kurz BeGX. Die neuesten Ergebnisse wurden auf dem Deutschen Pflegetag in Berlin diskutiert und besprochen.
Der BeGX ist ein neues Branchenmonitoring-Instrument. Er deckt vielfältige Fragen ab: Wie wirken sich verschiedene Dimensionen, wie Arbeitsbedingungen oder Ressourcen auf die Entwicklung der Berufsgesundheit aus? Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf die Berufsgesundheit der Pflegenden? Wie hat sich das Meinungsklima zur Pflege in den letzten Jahren entwickelt und damit die gesellschaftliche Anerkennung?
Wertvolle Einsichten liefert darüber hinaus der Bericht „Pandemie trifft auf Fachkräftemangel“. In Tiefeninterviews mit Leitungspersonen von Einrichtungen und Beraterinnen und Beratern der BGW wird ausgeleuchtet, welche Folgen die Corona-Pandemie für die Einrichtungen der Pflege und die Beschäftigten bislang hatte – insbesondere auch für die Berufsgesundheit. Zudem zeigt eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach unter den Mitgliedern der Pflegekammer Rheinland-Pfalz, wo die Corona-Pandemie problematische Entwicklungen wie Wechselwunsch und sinkende Berufszufriedenheit verschärft hat.
Hier kommen Sie zum Transkript dieser Folge
Block 1: Einleitung und Begrüßung
Moderator: Eben gerade haben wir den Titel des BGW-Podcast gehört. „Herzschlag. Für ein gesundes Berufsleben“. Ja und das ist auch die perfekte Überschrift für die heutige Folge. Wir wollen uns dieses Mal die aktuelle Lage in der Alten- und Krankenpflege anschauen. Wie geht es den Beschäftigten? Wie hat sich die Corona Pandemie auf die Berufsgesundheit ausgewirkt? Und welche Maßnahmen können ein gesundes Berufsleben in der Pflege fördern? Antworten darauf gibt der Berufsgesundheitsindex Alten- und Krankenpflege. Kurz BeGX: Ich bin Ralf Podszus und ich lasse mir die aktuellen Ergebnisse heute von verschiedenen Experten und Expertinnen erklären. Und dazu bin ich zum deutschen Pflegetag nach Berlin gereist. Und stehe hier direkt vor dem Messegelände vor dem CityCube.
(Podcast-Opener)
Block 02: Interview mit Dr. Matthias Vollbracht
Moderator: Ich bin mitten in der Messe in Berlin im CityCube und hier findet zwei Tage lang der deutsche Pflegetag statt. Expertinnen und Experten aus dem Gesundheitswesen, der Politik, der Wirtschaft und aus verschiedenen Verbänden kommen hier alle zusammen. Und sie diskutieren unter anderem über die Rolle der Pflege in der Gesellschaft. Und es werden gemeinsam Lösungsansätze zur Bewältigung der Herausforderungen entwickelt. Wie ist die aktuelle Lage im Gesundheitswesen? Matthias Vollbracht, der weiß das ganz genau. Er ist Head of Research bei MediaTenor und einer der Autoren des Berufsgesundheitsindex Alten- und Krankenpflege – Kurz BeGX. Ja. Ins Leben gerufen wurde der BeGX von der BGW und der deutschen Rentenversicherung Bund. Im CityCube besuche ich gleich Matthias Vollbracht. Hier beginnen jetzt die ersten Podiumsdiskussionen. Darum suche ich mir mal mit Matthias Vollbracht eine ruhige Ecke. Guten Tag Herr Vollbracht.
Dr. Matthias Vollbracht: Hallo Herr Podzus.
Moderator: Bitte erklären Sie uns einmal, was genau der Berufsgesundheitsindex Alten- und Krankenpflege ist. Also wie werden die Zahlen und Daten erhoben? Und was genau haben Sie damit zu tun?
Dr. Matthias Vollbracht: Sehr gerne. Fast jeder kennt ja den ifo-Index. Und der ifo-Index wird erhoben monatlich. 7.000 Unternehmen werden befragt, wie sie die Geschäftslage einschätzen und was sie für die Zukunft erwarten. Und daraus kann man berechnen, wie das Wirtschaftswachstum läuft, wie die Arbeitsplätze laufen werden und auch Investitionen steuern. Also ganz viele wichtige Informationen. Das heißt ,der Index bündelt ganz viele Dinge in einer Zahl. Und das ist der Charme von einem Index. Und das ist auch das, was für den neuen Index zur Berufsgesundheit gilt. Er soll komplexe Zusammenhänge einfach messbar machen.
Und der Index für die Berufsgesundheit Alten- und Krankenpflege erfragt: Wie geht es den Pflegebeschäftigten? Berufsgesundheit ist ja ein komplexes Phänomen. Da tragen soziale Faktoren genauso zu bei, wie ökonomische Faktoren. Und deswegen ist es ein sozio-ökonomischer Index. Und er macht Dinge vergleichbar, die eigentlich nicht vergleichbar sind. Zum Beispiel Arbeitsunfähigkeitstage und Weiterbildung. Es geht darum, einen wissenschaftlichen Indikator zu bekommen. Das heißt, es ist wichtig Daten aus belastbaren Quellen zu haben. Wir haben alle drei Träger der Sozialversicherung in dem Index abgebildet. Das bedeutet: Die Krankenkassen, die bekommen die Daten vom wissenschaftlichen Institut der AOK, von der BGW – die ist natürlich für die Berufsgesundheit zuständig. Das heißt, Arbeitsunfälle und Inanspruchnahme oder Meldung von Berufskrankheiten. Und dann noch die DRV Bund, also die Rentenversicherung. Da geht es um Inanspruchnahme von Erwerbsminderungsrente. Ja, dann brauchen wir natürlich Umfragedaten von den Beschäftigten. Also von dem Pflegepersonal. Die bekommen wir aus dem SÖP, das ist das sozio-ökonomische Panel. Die größte, jährliche, wissenschaftliche Befragung. Und dann brauchen wir noch Daten zum Meinungsklima. Also zur gesellschaftlichen Diskussion über Pflege. Die bekommen wir von unserem Institut Media Tenor International.
Moderator: Sie haben eben schon einen Unterschied zu, ifo-Index erwähnt. Was unterscheidet den BeGX von anderen Umfragen und Stimmungsbarometern genau?
Dr Matthias Vollbracht: Ja es ist wie gesagt, ein sozio-ökonomischer Index und der basiert auf vier Säulen. Die eine Säule ist die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit der Beschäftigten. Also sowas wie Arbeitsunfähigkeitstage oder auch Inanspruchnahme von Erwerbsminderungsrente. Dann die Arbeitsbedingungen. Also wie ist es mit Überstunden, wechselnden Arbeitszeiten, befristeten Beschäftigungsverhältnisse oder auch die Sorge der Menschen um ihren Arbeitsplatz. Dann haben wir eine dritte Säule, nämlich Ressourcen. Das heißt, wie zufrieden sind die Beschäftigten mit ihrer Arbeit? Wie zufrieden sind sie mit dem Einkommen? Können sie Weiterbildungen in Anspruch nehmen? Und schließlich wird in der Öffentlichkeit positiv oder negativ über die Berufsgruppe diskutiert? Welche Nachrichten kommen da? Und schon alleine, dass man diese vier Säulen miteinander in einen Index bringt, das zeichnet den BeGX ganz deutlich aus. Und hebt ihn auch von anderen Indices ganz klar ab.
Es gibt einzelne, andere Indikatoren, die fragen zum Beispiel nach dem Stress der Beschäftigten. Oder sie fragen nach dem Ansehen des Berufes in der Öffentlichkeit. Aber es gibt keinen anderen Index, der so umfassend diese vier Faktoren zusammenzieht, wie der BeGX. Wichtig ist auch noch-. Der Unterschied zu anderen Indices besteht darin, dass dieser hier wissenschaftlich entwickelt wurde. Und dazu wurde das DIW Econ angefragt. Das ist der Beratungsarm des renommierten, deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin.
Moderator: Spätestens seit der Corona Pandemie sind die Baustellen der Pflege noch einmal mehr in den Fokus gerückt. Fachkräftemangel, schlechte Bezahlung, zu wenig Anerkennung. Und das sind nur einige Punkte. Braucht es da überhaupt einen wissenschaftlichen Index zur Berufsgesundheit, um die Probleme in der Pflege zu beschreiben?
Dr. Matthias Vollbracht: Ja ich glaube schon. Wir leben ja in einer Zeit, wo eine Krise die andere jagt.
Moderator: Das ist wohl so, ja.
Dr. Matthias Vollbracht: Und die politischen Entscheidungsträger, die wissen kaum, womit sie sich als erstes beschäftigen sollen. Und deswegen ist es wichtig, einen langfristigen Kompass zu haben oder einzuführen. Denn das machen wir ja jetzt. Der zeigt, ob das Schiff Pflege, der große Tanker Pflege, in die richtige Richtung fährt. Oder-. Ja, ob er auf dem richtigen Kurs bleibt. Auch wenn mal so ein Sturm wie Corona dazwischenkommt. Berufsgesundheit ist nämlich insgesamt ein Marathonlauf und kein Sprint. Und dadurch, dass wir alles auf das Basisjahr 2013 beziehen, können wir den Entscheidungsträgern aus der Politik und aus den Einrichtungen zeigen, auch wie im Langfristtrend Maßnahmen wirken. Welche Maßnahmen auch wirken zur Verbesserung und wo dann tatsächlich der Schuh auch ganz dringend drückt.
Moderator: Was sagt der aktuelle BeGX denn nun? Wie steht es um die Alten- und Krankenpflege bei uns in Deutschland?
Dr. Matthias Vollbracht: Ja, da müssen wir teilen. Vor Corona und nach Corona, tatsächlich. Es gibt vor Corona zwischen 2017 und 2019 eine Phase, wo es einige positive Entwicklungen gab. Zum Beispiel die Zufriedenheit der Beschäftigten mit dem Einkommen hat zugenommen. Feste Arbeitsverträge sind mehr und mehr Standard geworden. Statt nur befristete Arbeitsverträge. Wir haben eine zunehmende Inanspruchnahme von Weiterbildungen gesehen. Und die ist natürlich besonders wichtig, die fachliche Qualifizierung. Wir haben aber auch vor Corona schon Sorgenthemen gehabt. Zum Beispiel, dass es in der Pflege überdurchschnittlich viele Arbeitsunfähigkeitstage also Krankheitstage gibt. Und auch, dass wir in der Pflege eine überdurchschnittliche Inanspruchnahme von Erwerbsminderungsrente haben. Also Leute im Prinzip nicht durchhalten können, in ihrem Beruf.
Und dann kommt Corona. Und in Corona-. Und das sind ja die neusten Werte, die wir mitbringen. Da sehen wir eine deutliche Verschlechterung bei der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit. Und da haben vor allen Dingen die Verdachtsmeldungen auf Berufskrankheiten ins Kontor geschlagen. Das ist so der größte Faktor, der nach unten zieht. Nicht aus jeder Verdachtsmeldung wird tatsächlich eine Berufskrankheit. Aber die Menge und die Zahl ist doch sehr erschreckend, erstmal. Das zeigt, die Pflegebeschäftigten haben an vorderster Front, sozusagen gekämpft.
Zweiter Faktor, der zu einer Verschlechterung beigetragen hat, ist: Ganz viel Aus- und Weiterbildung musste verschoben oder abgesagt werden. Das heißt, die Beschäftigten haben jetzt nicht diesen Nachschub an frischem Wissen und Kompetenz auch immer bekommen, den sie brauchen.
Und ein dritter Faktor, der auch belastend wirkt, ist: Die Dienstplansicherheit ist gesunken. Das heißt wir haben mehr Überstunden. Wir haben mehr Wechselarbeitszeiten. Das ganze Arbeiten ist volatiler geworden. Was natürlich auch ein Stressfaktor für die Beschäftigten ist. Und nicht zuletzt, das Meinungsklima zur Altenpflege ist tatsächlich schlechter geworden. Die Altenheime sind so ein Stück als Corona-Hotspots in den Medien gezeigt worden. Wo auf einmal viele Menschen sterben. Wir hatten problematische Szenen, wo Angehörige ihre Lieben besuchen wollten und ihnen das verwehrt wurde. Also da gab es auch eine Verschlechterung im Meinungsklima sozusagen.
Moderator: Haben Sie auch feststellen können, dass in den Corona-Jahren einfach mehr gekündigt haben. Rausgegangen sind. Nicht mehr in der Pflege beschäftigt sein wollen.
Dr. Matthias Vollbracht: Also tatsächlich gibt es Indizien dafür, dass die Pflexit Bereitschaft der Beschäftigten zugenommen hat. Was erstmal eine schlechte Nachricht auch ist. Aber die Arbeitsmarktstatistik selbst ist jetzt glaube ich nicht so auffällig. Weil natürlich in einer Situation großer Unsicherheit auch Leute nicht einfach so Job-Hopping betreiben. Also nicht einfach sagen, „ich mache jetzt mal was anderes schnell“. Wenn sie denn eine feste Stelle haben. Aus der Branche hört man eher, dass das nach Corona wieder eine stärkere Rolle spielt tatsächlich als während Corona.
Moderator: Gibt es auch positive Entwicklungen? Und welche sind das dann?
Dr. Matthias Vollbracht: Grundsätzlich ja. Auch wenn man etwas danach suchen muss. Es ist gesellschaftlich deutlich geworden, dass die Pflege systemrelevant ist. Das Wort ist zwar etwas abgenutzt inzwischen. Aber es trifft es. In der Krankenpflege hat das besonders dazu geführt, dass die gesellschaftliche Anerkennung deutlich zugenommen hat. Und das ist auch bei den Beschäftigten in der Krankenpflege angekommen. Das ist ein Positivum. Ein zweiter Faktor: Den Beschäftigten ist deutlich geworden, wie wichtig ihr Arbeitsplatz ist. Das heißt, ihre Sorgen um den Arbeitsplatz sind auch gesunken. Zudem-. Das ist aber nur ein kleiner Trend: Die Inanspruchnahme von Erwerbsminderungsrente ist leicht gesunken und die Einkommenszufriedenheit ist leicht gestiegen. Aber man muss trotzdem sagen, das gesamte Umfeld Corona war sehr, sehr schwierig für die Beschäftigten in der Pflege.
Moderator: Wo zeigt der Index jetzt Handlungsbedarf?
Dr. Matthias Vollbracht: Ja die größte Baustelle in der Pflege ist der Fachkräftemangel und der schlägt sich dann auch an verschiedenen Stellen in dem Index nieder. Das heißt, am Ende geht es darum, einerseits neue Fachkräfte zu gewinnen. Und da ist manches auf dem Weg, was auch nur längerfristig wirken kann. Wie beispielsweise die Bezahlung. Das spielt schon mal eine wichtige Rolle. Auf der anderen Seite, geht es darum, bestehende Fachkräfte zu halten und zu verhindern, dass sie kurzfristig aus der Pflege herausfallen. Und da gibt es eine ganze Reihe von Dingen, die angezeigt werden. Auch durch den Index. Zum Beispiel wie wichtig es ist, an der Qualität von Dienstplänen zu arbeiten. Dahinter stecken ja auch wiederum Pandemiepläne. Dass man trainiert für Ausnahmesituationen. Dass genügend Schutzmaterial bevorratet ist, wenn es zu akuten Ausbrücken kommt. Dass Führung und Kommunikation gut abgestimmt sind. Auch die politische Führung besser abgestimmt ist, als sie es in der Corona-Zeit oft war. Dass man Wege findet, wie Weiterbildung zum Beispiel auch elektronisch stattfinden kann und nicht nur an Präsenztermine gekoppelt ist.
Gegen Ende der zweiten, dritten Pandemiephase ging das so langsam wieder los. Dass man gemerkt hat, man kann Weiterbildung auch machen, wenn man sich nicht persönlich trifft. Zumindest manche Weiterbildungen. Und schließlich ein wichtiger Faktor ist noch-. Wenn wir auf die Berufskrankheiten schauen, auf die Verdachtsfälle. Ein guter Umgang mit Post-Covid und Long-Covid in der Pflege. Also wie kann man wirklich den Leuten wirksam helfen, die jetzt längerfristig betroffen sind.
Moderator: Sie haben vorhin gesagt, die Pflege ist systemrelevant. Das müssen mittlerweile auch die Politikerinnen und Politiker begriffen haben. Haben Sie jetzt mit „Stichwort Fachkräftemangel“, den es ja hier gibt, vielleicht ein bisschen die Sorge? Oder sehen Sie das jetzt in dem Index, dass es jetzt so einen Konkurrenzkampf des Fachkräftemangels gibt? Denn Fachkräfte fehlen auch im Handwerk, bei der Bildung, bei dem Ausbau erneuerbarer Energien. Heißt, bleibt vielleicht am Ende doch wieder die Pflege wieder auf der Strecke? Weil es politisch andere Dimensionen gibt, die erstmal besetzt werden müssen.
Dr. Matthias Vollbracht: Und da ist es ja so, dass in Deutschland niemand von oben darüber entscheidet, wer in die Pflege geht und wer einen Handwerksberuf erlernt. Und das ist auch gut so. Das heißt, die Pflege ist da am Ende auch in einer Konkurrenz. Und je weniger junge Leute es gibt-. Wir sind in diesem demografischen Wandel. Umso mehr muss sich die Pflege auch anstrengen. Und das ist eben ein gutes Signal. Manche von diesen Signalen sind eben schon gehört worden und auch umgesetzt worden. Stichwort Einkommensentwicklung. Stichwort, ja, moderne Arbeitsorganisation und ähnliche Dinge. Und bei manchen Dingen, wird die Pflege sich auch noch anstrengen müssen, bei zunehmender Konkurrenz, um diese Leute zu gewinnen.
Moderator: Vielen Dank Herr Vollbracht für die exklusiven Einblicke in den BeGX.
Dr. Matthias Vollbracht: Sehr gerne.
Block 03: Diskussion mit Claudia Drechsel-Schlund und Dr. Matthias Vollbracht auf dem Deutschen Pflegetag
Moderator: Wenn Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, selbst einen Blick in die aktuellsten Zahlen und Daten werfen wollen, dann schauen sie gerne in den Shownotes dieser Podcastfolge vorbei. Dort haben wir Ihnen die entsprechenden Links zum Berufsgesundheitsindex Alten- und Krankenpflege hinterlegt.
Ich gehe mittlerweile weiter durch den CityCube. Hier ist ganz viel los. Hier sind auch ganz viele Stände. Hier kann man sich über alles informieren, was mit der Pflege zu tun hat. Und da hinten sehe ich auch den Stand der BGW, genau genommen, sind es zwei Stände. Die BGW kümmert sich um die Gesundheit und deswegen ist hier auch eine riesengroße Maschine und da bekommt man frischgepressten Orangensaft. Das ist sehr gut. Hallo wer bist du denn?
Valentin: Ich bin Valentin. Wir verschenken hier gerade Orangensaft an alle Leute, die hier auf die Messe gekommen sind. Um alle auch bei Laune zu halten.
Moderator: Ja dann mach mir doch auch mal gute Laune bitte. Ich nehme auch mal ein Schlückchen.
Valentin: Ja klar, gerne. Schenke ich dir sofort ein.
Moderator: Herrlich. Sehr schön. Und da vorne sehe ich auch schon die Bühne, auf der gleich eine Diskussionsrunde zum BeGX stattfinden wird. Ja, hören wir am besten mal rein, was die Expertinnen und Experten dort zu sagen haben. Sie unterhalten sich über den Berufsgesundheitsindex in der Alten- und Krankenpflege.
Stimme auf dem Podium (unbekannt): Wichtig ist es, nicht nur zu reparieren. Das heißt Menschen, bei denen schon etwas passiert ist, versuchen sie zu rehabilitieren. Sondern Reputation noch mehr in präventivem Sinne zu denken. Proaktiv auf die Menschen zuzugehen. Frühzeitig im Berufsleben offensiv auch mit denen darüber zu sprechen. Welche Probleme können existieren? Und die zu diesem-, in diesem Moment angehen. Und uns da auch die gesetzliche Verpflichtung zu geben, dass frühzeitig zu tun.
Moderatorin/Podium: Frau Drechsel-Schlund.
Claudia Drechsel-Schlund: Ja, wichtig wie bei der Gefährdungsbeurteilung die Betroffenen sind die Expertinnen, Experten. Die natürlich zu hören, zuzuhören. Das würde ich sagen, ist das eine – und das andere: Wir sehen durch den BeGX – BeGX – ich muss mich noch daran gewöhnen, dass es multifaktoriell ist, die Einflussnahmen. Also wir sollten an allen Strängen ziehen.
Moderatorin/Podium: Vielen Dank. Herr Dr. Vollbracht.
Dr. Matthias Vollbracht: Ich will das nur noch mal unterstreichen. Würde das auch mit einem anekdotischen Ergebnis tun. Die Pflegenden, die ich befragt habe, haben sich sehr entrüstet darüber, dass sie Vorschriften aus der Politik über Hygiene im Alltag bekommen haben. Weil sie gesagt haben: Das-. Also wenn wir was gelernt haben, dann haben wir das gelernt, was Hygiene in unserem Berufsalltag bedeutet. Und das wäre nochmal dieses Thema, diejenigen zu hören, die die Arbeit machen. Ja. Und sie dort abzuholen, wo sie auch mit ihren Kompetenzen sind. Weil ich glaube, dann findet auch ein Dialog auf Augenhöhe statt. Vorher wird das schwierig sein.
Block 04: Interview mit Claudia Drechsel Schlund, Dr. Marco Streibelt und Matthias Vollbracht
Moderator: Nach der Diskussion ist vor der Diskussion. Eben haben Sie noch bei der Podiumsdiskussion mitgemacht. Und jetzt sind Sie auch Teil dieser Podcast Folge. Claudia Drechsel-Schlund. Sie ist stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der BGW. Hallo.
Claudia Drechsel-Schlund: Hallo. Ich grüße sie.
Moderator: Und Dr. Marco Streibelt von der Deutschen Rentenversicherung Bund. Dort ist er Leiter des Dezernats für Reha Wissenschaften. Hallo Herr Streibelt.
Dr. Marco Streibelt: Ich grüße Sie. Hallo.
Moderator: Schön, dass wir hier beim deutschen Pflegetag zusammengekommen sind. Ohne die BGW Und die Deutsche Rentenversicherung Bund gäbe es den Berufsgesundheitsindex Alten- und Krankenpflege gar nicht. Ja. Seit wann gibt es denn den BeGX und wer ist damals auf die Idee gekommen, dieses jährliche Monitoring zu erstellen?
Claudia Drechsel-Schlund: Also der ist heute sozusagen-, hat Premiere. Diese Publikation, der BeGX, hat heute tatsächlich Premiere, auf dem deutschen Pflegetag. Und wann ist er entstanden. Also die Idee ist vielleicht ein paar Jahre her. Wir haben immer solche Trend- und Datenberichte zu unseren Veranstaltungen „BGW forum Pflege“ gehabt, in der Vergangenheit. Es gab eine erste Publikation. Die hieß: Pflege in Deutschland 2012 bis 2018. Eine sozioökonomische Analyse von Mitarbeitergesundheit und Ansehen. Und das war letztendlich die Geburtsstunde. Die Frage nach Zahlen, Daten, Fakten, beschäftigt die Politik, beschäftigt die Branche. Die BGW als Branchenkennerin, hat den Bedarf gesehen und letztendlich dann überlegt, wen man als Mitstreiter hier gewinnen konnte. Wir brauchen natürlich auch noch andere Datengrundlagen. Und ein wichtiger Partner, eine wichtige Partnerin war hier die Deutsche Rentenversicherung Bund.
Dr. Marco Streibelt: Ja das ist richtig. Vielleicht darf ich kurz ergänzen. Tatsächlich-. Das ursprüngliche Schreiben, was zu uns kam, zu unserer Direktorin Frau Groß kam, darin wurden verschiedene Formen der Zusammenarbeit angeboten. Also letztendlich war glaube ich, die Grundidee schon, die Daten der Rentenversicherung auch zu verwenden. Denn die BGW weiß viel über Berufsunfälle und Arbeitskrankheiten. Aber wir haben ja die Statistik zur Erwerbsminderung, zu Erwerbsminderungsrisiken und ähnlichen Dingen, die sich rund um berufliche Teilhabe drehen. Und wir haben eigentlich relativ schnell erkannt, dass wir nicht nur Datenlieferant sein wollen. Sondern dass wir da eigentlich gerne mit der BGW zusammenarbeiten wollen. Und das auch zusammen erarbeiten wollen, wie der Index dann aussieht. Insofern haben wir relativ schnell Kontakt zu Herrn Kähler aufgenommen, Ihrem Kollegen, der da fachlich dafür zuständig ist. Und der war auch begeistert von der Idee. Und wir konnten das dann in unseren Gremien auch sehr, sehr gut verkaufen. Und ich denke, es war die richtige Entscheidung, wenn man heute sich das anschaut.
Moderator: Also eine schöne Verbindung. Und an wen richtet sich jetzt der BeGX ganz konkret?
Claudia Drechsel-Schlund: Also wir würden sagen, an alle Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, die mit uns an der Mitarbeitergesundheit arbeiten wollen. Der Adressat ist natürlich immer die Politik. Adressat ist auch die Branche, sozusagen, um die Faktoren aufzuzeigen, welche beeinflussend sind für Mitarbeitergesundheit. Die Sozialversicherungsträger, die den gesetzlichen Auftrag haben, sich um die Prävention zu kümmern. Und alle anderen Interessierten.
Dr. Marco Streibelt: Ja sicher. So ein Kennzahlensystem. Es ist ja so etwas, wie ein Kennzahlensystem. Es versucht natürlich relativ konkrete Dinge, die stattfinden, zu verallgemeinern und auch vergleichbar zu machen. Herr Vollbracht hatte das ja auch gut dargestellt, vorhin. Bei der Vorstellung des Index. Für mich ist es ein wunderschönes, öffentlichkeitswirksames Instrument um einfach nochmal auf die Pflegekräfte, auf die Situation der Pflegekräfte im Allgemeinen, hinzuweisen. Um in diesem Kontext auch nochmal deutlich zu machen, welche Rolle wir die BGW, aber auch die Deutsche Rentenversicherung Bund spielen können, um an dieser Situation etwas zu verbessern.
Moderator: Dann hake ich da direkt mal ein: Wie soll der Index dabei helfen; die Berufsgesundheit in der Pflege zu verbessern?
Claudia Drechsel-Schlund: Naja, ich meine dieser Berufsgesundheitsindex basiert ja auf vier Faktoren. Und diese vier Faktoren beinhalten ja die Stellhebel für eine Verbesserung der Mitarbeitergesundheit. Ja. Wir können jetzt vielleicht jetzt als Sozialversicherungsträger nicht so viel beitragen zum Medienaufmerksamkeit auf die Pflege. Aber wir können ja zur Prävention viel beitragen, ja. Zum Beispiel, die BGW ist auch für die Weiterbildung der Beschäftigten zuständig, in allen Fragen des Arbeitsschutzes und der Gesundheit. Also das Thema betriebliches Gesundheitsmanagement ist zur Sprache gekommen. Dazu gibt es auch Qualifizierungsangebote bei der BGW. Also auf drei von diesenFaktoren – ich habe es vorher in der Podiumsdiskussion gesagt – können wir Einfluss nehmen. Und so mit dazu beitragen, die Mitarbeitergesundheit zu verbessern.
Moderator: Wie hat sich der Berufsgesundheitsindex in den letzten Jahren entwickelt und wo liegen die größten Unterschiede zwischen Kranken- und Altenpflege? Ich war vorhin bei der Podiumsdiskussion auch im Zuschauerraum und da gibt es ja eklatante Unterschiede.
Dr. Marco Streibelt: Ja. Ich persönlich habe einen großen Unterschied wahrgenommen. Und das ist ja das Thema, wie diese zwei Gruppen während der Corona-Pandemie in den Medien wahrgenommen wurden. Herr Vollbracht konnte das wunderbar erläutern. Ich glaube, es kann kaum jemand so gut wie er. Es ist ja auch sein Feld. Und er hatte auch eine ganze Menge Hintergrundinformationen.
Ansonsten muss man sagen-. Ich habe mir den Index natürlich auch sehr intensiv angeschaut im Vorfeld. Nicht so große Differenzen wahrnehmen. Bis 2019, so meine Wahrnehmung nur der Daten, fand eine sukzessive Verbesserung statt, der Arbeitsbedingungen, auch durchaus der Ressourcen. Was sicherlich-, das muss man auch sagen, vielleicht nicht unbedingt nur damit zu tun hat, dass man da was getan hat. Ja es wurde viel getan. Die Politik hat sich das auch angeschaut. Aber was natürlich auch damit zu tun hat, dass der Fachkräftemangel mehr oder weniger automatisch dazu geführt hat, dass es weniger befristete Beschäftigungen gibt, dass es weniger Angst um den Arbeitsplatz gibt. Das führt natürlich zu einer selbstgemachten Verbesserung, wenn man so möchte.
Und seit der Coronapandemie sehen wir da schon einen starken Einbruch. Das ist noch nicht bei uns angekommen. Bei den Erwerbsminderungsrenten. Das ist ja immer der Indikator, den wir als Rentenversicherung haben, wenn es um Probleme geht, was eine Gruppe von Versicherten betrifft. Das ist bei uns noch nicht angekommen, weil es wahrscheinlich zeitverzögert kommt. Und weil die Erwerbsminderungsrenten auch bei Weitem nicht so veränderungssensitiv, wie man so schön sagt, sind, wie andere Dinge, wie die Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen. Die sich relativ fix ändern können und die relativ schnell reagieren. Da sind unsere Daten sehr viel robuster und zeigen wahrscheinlich sehr viel später und weniger Auswirkungen.
Claudia Drechsel-Schlund: Ja. Also ich meine wir beobachten jetzt aufgrund natürlich der Meldungen von Verdachtsfällen einer Berufskrankheit. Natürlich sind wir vorne dran. Drei-.
Dr. Marco Streibelt: Das ist ja ganz was anderes. Das stimmt. Das geht ja richtig durch die Decke.
Claudia Drechsel-Schlund: Ja. Und nehmen halt die vielen Ausfallzeiten durch berufsbedingte Infektionen wahr.
Moderator: Erst der Beruf, dann die Rente. Ja. So ist das in der Regel. (Lachen) Und vielleicht können Sie auch nochmal benennen. Was sind denn da jetzt die konkreten und deutlichen Unterschiede Kranken- und Altenpflege?
Claudia Drechsel-Schlund: Also jetzt muss man sagen, bei den Covid-19-Erkrankungen sehen wir es tatsächlich so, dass Alten- und Krankenpflege in gleicher Weise betroffen sind. Also, die absoluten Fallzahlen-, man muss sie natürlich immer in Relation zu den Beschäftigtenzahlen in der Bundesrepublik setzen. Aber die absoluten Fallzahlen sind vergleichbar. Wir haben vielleicht in der Altenpflege eine geringfügig höhere Quote von Covid-19-Infektionen. Wenn wir jetzt nochmal auf den BeGX zu sprechen kommen, war ja der fulminante Unterschied, der Faktor vier. Nämlich sozusagen die öffentliche Wahrnehmung, Meinung zu Alten- und Krankenpflege. Und ansonsten gab es jetzt eher weniger Unterschiede. Wir haben noch solche Unterschiede gesehen, bei der subjektiven Zufriedenheit mit der Arbeit und bei dem Thema Weiterbildung. Und bei dem Thema Einkommen. Da war die Altenpflege sozusagen nochmal stärker in der Abwärts-, im Abwärtstrend. Und das muss man ja auch immer sagen, hängt sehr stark miteinander zusammen. Also die Corona-Pandemie, die öffentliche Wahrnehmung der Altenpflege, mit den vielen Ausbruchsgeschehen in den Altenpflegeeinrichtungen. Geht natürlich sehr stark mit der subjektiven Zufriedenheit in dem Beruf einher. So, ja. Insofern hat sozusagen das eine auf das Andere auch Einfluss gehabt.
Moderator: Und wir sind mitten auf dem deutschen Pflegetag. Das hört man auch hier im Hintergrund. Und da muss ich Sie mal loben Frau Drechsel-Schlund. Sie haben sich nicht beirren lassen, obwohl die nächste Podiumsdiskussion schon wieder begonnen hat, wie wir hier im Hintergrund hören. Deswegen gehen wir hier einfach mal weiter durch den CityCube hier in Berlin und suchen uns einfach mal einen kleinen Bereich wo wir weiter diskutieren können. Vielleicht da hinten, wo die Sonne scheint. Oder? Große Glasfront beim Eingang, genau. Alle hören jetzt zu in den verschiedenen Sälen, was hier Interessantes beim Pflegetag besprochen wird. Frau Drechsel-Schlund, die Pandemie, die macht sich schon ziemlich bemerkbar mittlerweile? Also dieser Index, der geht ja noch an den Anfang der Pandemie. Wir sind schon ein bisschen weiter. Die Zahlen, die werden wir dann im nächsten Jahr dann dazu sehen. Aber man merkt das jetzt schon deutlich im Berufsleben.
Claudia Drechsel-Schlund: Ja. Den Berufsgesundheitsindex, den haben wir jetzt ja bis 2020 hier auf dem Schirm. So. Und inzwischen schreiben wir das Jahr 2022, ja. Und die Zahl der Verdachtsmeldungen, Berufskrankheitsanzeigen, Covid-19, haben sich ja vermehrfacht in dieser Zeit. Und natürlich kümmern wir uns als BGW um die Fälle, die eben Post- oder Long-Covid Erscheinungen haben, beruflich bedingte Infektion. Und die versuchen wir nach unserem Grundsatz mit allen geeigneten Mitteln zu rehabilitieren. Das heißt, die durchlaufen stationäre und ambulante Rehabilitationsprogramme. Und unser Bestreben ist es natürlich auch diese Menschen wieder an den Arbeitsplatz zu bringen. Die fehlen ja. Wir sprechen jetzt die ganze Zeit über Fachkräftemangel. Und es kommt diese Ausfallzeiten durch Covid-19 Erkrankung-. Und diese Menschen fehlen insbesondere.
Deshalb unternehmen wir alle Anstrengungen, um die wieder gesund zu bekommen und die wieder leistungsfähig zu bekommen. Dass sie wieder zurück an den Arbeitsplatz kommen, wo sie ja so sehr fehlen. In der Altenpflegeeinrichtung und in den Krankenpflegeeinrichtungen. Das ist unser gesetzlicher Auftrag. Wir kommen irgendwann mal an unsere Grenzen, wenn wir merken, diese Menschen sind eben nicht mehr so leistungsfähig. Und dann müssen wir auch ins Gespräch kommen mit der gesetzlichen Rentenversicherung. Weil dann steht natürlich das Thema Erwerbsminderung im Raum. Und hier werden die Menschen auch nicht alleine gelassen. Sondern wir kommen mit der Rentenversicherung tatsächlich ins Gespräch. Also der Grundsatz ist Nahtlosigkeit der Rehabilitation. Und dann würde ich gerne an der Stelle auch übergeben.
Dr. Marco Streibelt: Ja. Das ist ganz spannend. Eigentlich haben wir ja dasselbe-, oder ein ähnliches Instrumentarium. Die BGW als Berufsgenossenschaft hat natürlich sehr viel mehr Möglichkeiten. Weil sie das ganze Spektrum von der Akutversorgung über die medizinische Reha bis hin zur beruflichen Reha abbilden kann. Und wir sind ein Stück weit an das Thema Rehabilitation gebunden. Sicherlich gibt es bei uns Präventionsprogramme. Das heißt neuerdings, seit 2017, seit dem Präventionsgesetz, wollen wir auch verstärkt in die Prävention investieren und die Menschen noch frühzeitig erreichen.
Aber letztlich ist es so: All die Menschen, die eben ihre Corona-Infektion nicht am Arbeitsplatz hatten, sondern in der Familie, bei einer Familienfeier, oder wo auch immer. Die können nicht zur BGW gehen und sagen: Das ist eine Berufskrankheit. Weil sie es nicht von Berufs wegen, bei einer Familienfeier. Und die kommen dann zu uns. Und die brauchen dann sozusagen ein ähnliches Instrumentarium und auch wir versuchen sie dann in der medizinischen Reha natürlich erst mal wieder arbeits- oder erwerbsfähig zu kriegen. Und zwar auf den alten Arbeitsplatz hin. Auf den ursprünglichen Arbeitsplatz hin. Inwiefern uns das wirklich gelingt, dazu haben wir momentan noch zu wenig belastbare Zahlen. Das muss ich einfach sagen. Weil bei uns ist das von der Masse her nicht so groß, wie bei der BGW. Bei uns sind es weniger Fälle insgesamt. Und wir wissen erst wirklich, ob das irgendwann in einer Erwerbsminderung ankommt-. Das dauert sicherlich noch eine ganze Weile.
Wir müssen schauen, nach einer medizinischen Reha. Und da gibt es zwei Möglichkeiten. Es gibt die Möglichkeit: Geht wieder zurück an seinen Arbeitsplatz, oder schafft es nicht. Und wenn er oder sie es nicht schafft, dann kommt berufliche Reha bei uns ins Spiel. Und dann geht es um Neuorientierung, ein neues Berufsfeld sich anschauen. Eventuell auch umschulen. Das ist, denke ich-. Momentan sehen wir noch nicht in der Statistik ob da mehr Fälle sind. Und ob die irgendwann tatsächlich die Erwerbsminderung dann erheblich erhöhen werden, das wird man sehen. Aber Frau Drechsel-Schlund hat es richtig gesagt. Wir müssen an irgendeiner Schnittstelle auch zusammenarbeiten. Weil es wird einen gewissen Teil von Menschen geben-, so wie immer übrigens. Auch bei Post-Covid. Da wird irgendwann die Frage im Raum stehen, ist Erwerbsminderung jetzt die letzte Option, die wir ziehen müssen. Und da müssen wir zusammenarbeiten. Das ist wichtig.
Moderator: Und wir kennen das ja schon von Covid-19. Lange haben wir diese Erfahrung gemacht. Man weiß immer schon, was kommt. Es dauert immer nur noch ein kleines bisschen, bis es so weit ist. Und das Stichwort Long-Covid, das fiel eben. Da kann es ja auch passieren, dass eben wegen der Long-Covid Krankheit eventuell auch eine Frührente gibt und dann kommt die Rente doch wieder früher ins Spiel.
Dr. Marco Streibelt: Ja natürlich. Ich hatte es ja gerade schon gesagt. Ich bin sehr stark zahlengetriggert. Also das heißt ich versuche jetzt nicht voreilig irgendwelche Schlüsse zu ziehen: Das ist jetzt die große Welle die kommt. Bei der Berufsgenossenschaft hat sich das bewahrheitet. Die Verdachtsfälle sind ja-, die sind ja explosiv gestiegen. Bei der deutschen Rentenversicherung wurde uns auch immer wieder gesagt: Ach da kommt ja eine Riesen Welle auf euch zu. So die große Welle haben wir noch nicht gesehen. Ich bin vorsichtig. Man muss sehen. Man muss es sich anschauen. Wie gesagt, ich kann erst was dazu sagen, wenn ich belastbare Daten sehe. Vorher ist alles Spekulation, meines Erachtens. Weil das ist ein neues Krankheitsbild. Wir wissen überhaupt nicht in wie vielen Fällen das zu einer absoluten Erwerbsminderung führt.
Claudia Drechsel-Schlund: Ich würde das auch so bestätigen. Wir sind noch-. Selbst bei Betroffenen aus der ersten Welle, versuchen wir noch medizinisch zu rehabilitieren. Ja.
Dr. Marco Streibelt: Das ist ja schon ein paar Wochen her.
Claudia Drechsel-Schlund: Das ist auch schon ein paar Wochen her. Und wir können jetzt aber auch beobachten, mit aller Vorsicht, dass die Hauptbetroffenen die Beschäftigten, aus der ersten und der zweiten Welle sind. Danach haben ja schon die Impfungen eingesetzt. Ja. Das heißt wir erleben nicht in dieser Form, dass es dort Langzeitverläufe gibt. Und insofern würde ich jetzt mal sagen, wir sind da ein bisschen zuversichtlich, dass diese Langzeitverläufe zurückgehen werden. Auch in den Folgewellen und den Varianten dieses schwierigen Virus.
Moderator: Da kann man dann auch sagen, wie hier beim CityCube in Berlin vor dieser großen Glasfront, deswegen hört man immer diese quietschende Tür. Und immer wieder geht die Sonne auf. Ja, man muss auch positiv in die Zukunft schauen. Die Leute gehen ja auch gerade auch ja immer viel nach draußen, weil die Sonne so scheint. Aber Dr. Streibelt wollen Sie noch etwas hinzufügen? Eben, oder?
Dr. Marco Streibelt: Ja. (Moderator: Die Denkerpose) Vielleicht ganz kurz. Ich hatte ja-. Vorhin in der Podiumsdiskussion wurde ja auch schon diese Zahl von zehn Prozent genannt, die uns immer wieder gespiegelt wird. Die ist sicherlich auch korrekt, wenn man sich die Studien anschaut. Die will ich gar nicht anzweifeln. Aber die Beeinträchtigung, die dort abgefragt werden, die führen halt nicht zu 100 Prozent zu einer Notwendigkeit sich bezüglich des Erhalts des Arbeitsplatzes Gedanken zu machen. Wenn Sie das Beispiel nennen Geschmacksverlust. Dann können Sie sich sicherlich vorstellen, das wird abgefragt, das wird auch eine ganze Reihe von Menschen auch noch nach zwei, drei Monaten haben. Und das ist für die Betroffenen bestimmt auch nicht schön. Das muss ich sagen. Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich hatte es noch nicht. Ich glaube es ist wirklich dramatisch, wenn alles nach Pappe schmeckt. Aber jetzt versuchen Sie sich mal ein Bild zu machen. Welche Berufe sind sozusagen nicht mehr möglich, weil man einen Geschmacksverlust hat. Gut da fällt einem schnell der Koch ein. (Moderator: Ja. Vorkoster.) Das war es dann aber auch schon fast. Also ich will damit sagen, diese Studien, die thematisieren Beeinträchtigungen, die nicht alle in Leistungen münden müssen, die wir die BGW oder die deutsche Rentenversicherung anbieten. Das muss man sich wirklich noch mal genauer angucken. Wie groß die Welle dann sein wird. Aber wir sind gewappnet.
Moderator: Dann schauen wir uns jetzt nochmal die Schlussfolgerung an. Welche ziehen Sie denn aus dem aktuellen Branchemonitoring?
Claudia Drechsel-Schlund: Ja die Schlussfolgerung ist insoweit, dass wir viele Pfeile im Köcher haben, auf die Gesundheit von Beschäftigten in der Krankenpflege und Gesundheitspflege Einfluss zu nehmen. Dass wir gemeinsam als Sozialversicherungsträger mit den Möglichkeiten-. Sie sprachen vorhin das Präventionsgesetz an, ja. Das wir eben miteinander zusammenarbeiten bei diesem Präventionsprogramm zum Vorteil der Beschäftigten im Gesundheitsdienst in der Alten- und Krankenpflege. Wir sollten auf vielen Wegen Einfluss nehmen auf die Beschäftigtengesundheit in der Alten- und Krankenpflege.
Dr. Marco Streibelt: Ich darf vielleicht kurz ergänzen. Ich denke auch der Pflegeindex-. Und das wird mir immer deutlicher je intensiver ich mich damit befasse und je häufiger ich auch mit Expertinnen und Experten darüber rede, wie jetzt gerade. Wird mir immer klarer, dass es tatsächlich eher wahrscheinlich darum geht, möglichst frühzeitig die Dinge zu erkennen, bevor sie passieren. Das heißt, es sollte für uns auch ein Merker sein, sich stärker mit präventiven Leistungen zu beschäftigen. Und wirklich da einen Schwerpunkt zu setzen.
Wir haben ja da die Möglichkeit als deutsche Rentenversicherung seit einigen Jahren mithilfe dieses sogenannten Ü45 Checks, Menschen anzusprechen und zu sagen: Hast du nicht Lust, du bist 45 Jahre und älter. Hast du nicht Lust, mal einen Check zu machen. Lass dich mal durchchecken von uns, von unseren Expertinnen und Experten. Und ob nicht eventuell irgendwas für dich in Frage kommt, was wir anbieten können. Bevor es in ein paar Jahren dann sozusagen das Kind in den Brunnen gefallen ist, und wir kaum noch was tun können. Also, ich denke proaktiv sich auf die Menschen zuzubewegen und die zu erkennen, die uns vielleicht übermorgen brauchen, und mit denen heute schon präventive Dinge zu tun. Das muss die Strategie sein und daran muss man arbeiten. Und da kann uns der Berufsgesundheitsindex, glaube ich, helfen.
Moderator: Und das ist auch ein schönes Schlusswort. Einfach vorausschauend sein. Das kann man für alles im Leben mitnehmen. (Dr. Marco Streibelt: Ja. Das ist es.) Und an dieser Stelle auch vielen Dank an Claudia Drechsel-Schlund und Dr. Marco Streibel. Das war sehr informativ und da können wir sehr viel mitnehmen.
Dr. Marco Streibelt: Hat mit sehr viel Spaß gemacht. Vielen, vielen Dank.
Claudia Drechsel-Schlund: Dankeschön. Sehr gerne.
Block 05: Verabschiedung
Moderator: Die Corona Pandemie, die hat dafür gesorgt, dass sich die Berufsgesundheit der Beschäftigten in der Alten- und Krankenpflege verschlechtert hat. Davor war die Entwicklung eigentlich schon recht positiv. Wir bleiben bei diesem Thema natürlich dran und sind auch gespannt, wie die Zahlen für die nächsten Jahre aussehen werden. Und ob vielleicht nicht die ein oder andere Maßnahme Wirkung zeigt. Alle Infos zum Berufsgesundheitsindex Alten- und Krankenpflege finden Sie auf der Webseite der BGW. Also auf www.bgw-online.de/podcast. Ich verabschiede mich damit aus Berlin. Und sage bis zum nächsten Mal. Bleiben Sie gesund.
Interviewgäste
Claudia Drechsel-Schlund
Stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der BGW
Dr. Matthias Vollbracht
Head of Research, Media Tenor
Dr. Marco Streibelt
Leiter des Dezernats für Reha-Wissenschaften der Deutschen Rentenversicherung Bund
Für unseren BGW-Podcast "Herzschlag - Für ein gesundes Berufsleben" nutzen wir den Podcast-Hosting-Dienst Podigee des Anbieters Podigee GmbH, Schlesische Straße 20, 10997 Berlin, Deutschland. Die Podcasts werden dabei von Podigee geladen oder über Podigee übertragen.
Wenn Sie unseren Podcast anhören, erfolgt eine Datenverarbeitung auf Grundlage unserer berechtigten Interessen, d.h. Interesse an einer sicheren und effizienten Bereitstellung, Analyse sowie Optimierung unseres Podcastangebotes gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f. DSGVO.
Podigee verarbeitet dann IP-Adressen und Geräteinformationen, um Podcast-Downloads/ Wiedergaben zu ermöglichen und statistische Daten, wie zum Beispiel Abrufzahlen zu ermitteln. Diese Daten werden vor der Speicherung in der Datenbank von Podigee anonymisiert oder pseudonymisiert, sofern Sie für die Bereitstellung der Podcasts nicht erforderlich sind.
Weitere Informationen und Widerspruchsmöglichkeiten finden sich in der Datenschutzerklärung von Podigee: podigee.com/de/about/privacy/.