BEM: So gelingt die betriebliche Wiedereingliederung Highlights: BGW-Podcast "Herzschlag - Für ein gesundes Berufsleben"
Wenn Beschäftigte längere Zeit krankheitsbedingt ausfallen und planen, wieder in den Job zurückzukehren, dann kommt das BEM ins Spiel. BEM steht für Betriebliches Eingliederungsmanagement. Moderator Ralf Podszus hat vor knapp vier Jahren mit zwei Expertinnen und Experten ausführlich über das BEM gesprochen.
Doch wie war das noch gleich: Ist ein BEM-Gespräch eigentlich verpflichtend? Wie läuft es ab? Und welche Unterstützung können Arbeitnehmende dabei erwarten? In dieser Folge gibt es eine Auffrischung zum Thema BEM. Außerdem erfahrt Ihr, welche Neuerungen es im Betrieblichen Eingliederungsmanagement gibt und worauf ihr dabei besonders achten solltet.
Hier kommen Sie zum Transkript dieser Folge
Moderator:
Zehn bis fünfzehn Fehltage haben Beschäftigte im Schnitt pro Jahr. So zumindest die Statistik der letzten Jahre. Gerade psychische Erkrankungen sind immer häufiger der Grund für die Krankmeldung und sorgen dafür, dass Beschäftigte auch mal länger ausfallen. Wenn man innerhalb eines Jahres mehr als sechs Wochen krank war, dann kommt das sogenannte BEM ins Spiel. BEM steht für Betriebliches Eingliederungsmanagement.
Was das ist? Das habe ich mir vor knapp vier Jahren hier im Podcast schon mal genauer erklären lassen. Aber wie war das doch noch gleich? Ist das BEM-Gespräch eigentlich Pflicht? Wie läuft das ab und welche Unterstützung bekommt man als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer, denn länger ausfallen ist in Deutschland ein Thema. Ich bin Ralf Podszus und jetzt gibt es eine kleine Auffrischung bei diesem Thema. Deshalb hören wir gleich noch einmal rein. Vorher gibt es das Update zu allen Neuerungen was das BEM betrifft.
Stimme aus dem Off:
Seit 2021 hat sich im Betrieblichen Eingliederungsmanagement, kurz BEM, einiges verändert, vor allem durch das Teilhabestärkungsgesetz. Eine wichtige Neuerung: Beschäftigte haben jetzt das Recht, eine Vertrauensperson ins BEM-Verfahren mitzubringen. Das können unter anderem Kolleginnen und Kollegen oder Personen aus dem privaten Umfeld sein. Wichtig ist: Arbeitgebende müssen sie aktiv darauf hinweisen, die Kosten für die Vertrauensperson tragen allerdings die Beschäftigten selbst.
Auch die Digitalisierung spielt im BEM mittlerweile eine größere Rolle. Verfahren können jetzt beispielsweise online per Videokonferenz durchgeführt werden. Dabei ist jedoch der Datenschutz entscheidend, da sensible Gesundheitsdaten besonders geschützt werden müssen. Trotz dieser Möglichkeit bleibt das persönliche Gespräch weiterhin der empfohlene Weg. Es bietet oft eine vertraulichere Atmosphäre und erleichtert den offenen Austausch.
Jingle: Herzschlag! Für ein gesundes Berufsleben, der BGW-Podcast.
Moderator:
Was ist ein BEM und wie kann es den Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden helfen? Ein wichtiges Thema für viele Versicherte. Deshalb habe ich heute gleich zwei Fachleute an meiner Seite, mit denen wir uns das Thema genau anschauen. Ich freue mich auf Anja Beste von den Isar Kliniken, ein fröhliches Moin nach Ottobrunn.
Anja Beste:
Hi, Herr Podszus.
Moderator:
In Karlsruhe ist Tobias Ruppenthal von der BGW mit dabei. Er ist Berater für Betriebliches Eingliederungsmanagement bei der BGW. Schön, dass auch Sie heute mit dabei sind.
Tobias Ruppenthal:
Moin an die Runde.
Moderator:
Seit 2004 sind Arbeitgeber verpflichtet länger erkrankten Beschäftigten ein Betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten. Herr Ruppenthal, was ist die Idee dahinter beziehungsweise was sind Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Vergleich zum klassischen Arbeitsschutz und zur betrieblichen Gesundheitsförderung?
Tobias Ruppenthal:
Also gemeinsam haben BEM und Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, also der Arbeitsschutz sowie die betriebliche Gesundheitsförderung, dass sie zusammengefasst das, was man gemeinhin als Betriebliches Gesundheitsmanagement benennt, darstellen. Der Ansatz der verfolgt wird ist jedoch unterschiedlich. Beim Arbeitsschutz haben wir den klaren präventiven Ansatz. Um das zu verdeutlichen, kann man hier das Arbeitsschutzgesetz zitieren, das aussagt, „dass die Arbeit so zu gestalten ist, dass eine Gefährdung für das Leben vermieden wird und verbleibenden Gefährdungen möglichst gering gehalten.“
Beim BEM geht es wiederum darum, Menschen nach Arbeitsunfähigkeit mit den Maßnahmen des Verfahrens wieder zurück an ihren originären Arbeitsplatz zu bekommen. Es ist nicht möglich, sie gegebenenfalls auf andere Art und Weise wieder in den Betrieb zu reintegrieren. Bei der Betrieblichen Gesundheitsförderung wiederum geht es, verkürzt dargestellt darum, die individuellen Gesundheitskompetenzen der Mitarbeitenden zu stärken, damit diese ihre Gesundheit auf lange Sicht erhalten.
BEM und Arbeitsschutz sind klar rechtlich geregelt, die Betriebliche Gesundheitsförderung hingegen nicht, ist aber jetzt mittlerweile durch das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung der Prävention – „Präventionsgesetz“ – eindeutig auch gestärkt. Um die Frage mit der Betonung auf den Gemeinsamkeiten abzuschließen, geht es insgesamt darum, dass Mitarbeitende auf Grundlage der drei verschiedenen Ansätze ihre Arbeitsfähigkeit wirklich bis zum Eintritt in die Regelaltersrente erhalten können.
Moderator:
Im Sozialgesetzbuch ist das BEM auch gesetzlich verankert. Können Sie noch so ein bisschen was zum politischen Hintergrund erzählen? Was ist die aktuelle Problemstellung in den Betrieben?
Tobias Ruppenthal:
Der politische Hintergrund war damals nach Auffassung der damaligen Bundesregierung, dass die bisherigen Verfahrensregelungen zur betrieblichen Prävention zu den wirksamen BEM fortentwickelt werden, um insbesondere durch die Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft zu sichern. Leitsatz war damals Rehabilitation statt Entlassung. Wenn wir uns mal die Problemstellungen angucken, ich will beispielhaft drei Problemfelder benennen.
Erstes Problemfeld ist der Fachkräftemangel am Beispiel der Pflege. Hier sagt die Studie des Deutschen Instituts für Angewandte Pflegeforschung e.V. in ihrer Studie der Pflegethermometer 2018. Hier wurden in der bundesweiten Befragung von Leitungskräften zur Situation in der Pflege festgestellt, dass der Fachkräftemangel das Nadelöhr ist, und die Corona-Pandemie hat diese Problematik aufs Neue verdeutlicht. Das heißt, die dadurch nochmals verstärkten Personalengpässe müssen von dem vorhandenen Personal überbrückt werden. Was für eine gewisse Zeit gut gehen kann, aber auf Dauer definitiv keine Lösung ist.
Zweites Problemfeld ist der demografische Wandel mit einer ebenfalls im Wandel befindlichen Arbeitswelt. Unsere Gesellschaft altert und gleichzeitig auch unsere Belegschaften. Meine Aussage ist auch nicht als Altersdiskriminierung zu werten. Aber es ist Fakt, dass wenn wir älter werden, die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bei einer Erkrankung deutlich zunimmt.
Weiter haben wir noch einen Wandel in der Arbeitswelt, der sich dadurch äußert, dass in vielen Bereichen Betriebe einem starken Kostendruck unterliegen, der letzten Endes dazu führt, dass Mitarbeitenden einer dauernden steigenden Arbeitsbelastung ausgesetzt sind und zusammengefasst alternde Belegschaften bei steigernder Arbeitsbelastung für die einzelnen Mitarbeitenden. Dass dies ein Spannungsfeld darstellt, ist, denke ich, gut nachvollziehbar.
Ein weiteres Spannungsfeld ist, dass wir eine Zunahme von psychischen Erkrankungen haben. Wenn Sie hier die Erwerbsminderungsrenten sich zum Beispiel angucken, werden mittlerweile knapp 50 Prozent aufgrund einer psychischen Erkrankung gewährt. 1993 waren es noch 15 Prozent. Die psychischen Erkrankungen verursachen im Schnitt mehr als 40 Tage Arbeitsunfähigkeit, das hat die Techniker Krankenkasse in ihrem Gesundheitsreport von 2020 herausgefunden, mit einer steigenden Tendenz. Damit müssen die Betriebe umgehen, insbesondere im Betrieblichen Eingliederungsmanagement, weil dies ja nach 42 Kalendertagen ausgelöst wird. Diese sogenannten drei Problemstellungen finden sich alle in BEM wieder und haben damit direkt oder indirekt Auswirkungen auf die BEM-Verfahren in den Betrieben.
Moderator:
Für den Arbeitgebenden ist es Pflicht, ein BEM-Verfahren anzubieten, für Arbeitnehmende freiwillig. Was sind zusammenfassend die großen Chancen für den Beschäftigten? Warum sollte man das machen?
Tobias Ruppenthal:
Wenn BEM richtig praktiziert wird, bietet es den BEM-Berechtigten die Möglichkeiten, in einem datenschutzrechtlich besonders geschützten Rahmen mit den handelnden Akteuren vertrauensvoll ins Gespräch zu gehen, um gemeinsam Maßnahmen zu finden und die dann umzusetzen. Es ist denke ich jedem klar, dass wenn mehrere Personen einen Sachverhalt betrachten, dass es dann auch mehr Lösungsansätze und Lösungsmöglichkeiten gibt. Des Weiteren ist es einfach so, wenn ich über ein großes soziales Netz verfüge, das einen in der Krankheitsphase auffängt, bin dankbar für die Unterstützung, die ein solches Verfahren bieten kann.
Wenn man es zusammenfasst, ist ein gutes BEM eigentlich auch gelebte Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden. Im BEM geht es um alle Ursachen, denn fälschlicherweise wird heute teilweise noch davon gesprochen, dass in BEM alleine die betrieblichen Ursachen thematisiert und angegangen werden. Die Ursachen für Arbeitsunfähigkeit lassen sich aber in den wenigsten Fällen in rein privat oder betrieblich unterteilen. Es berührt überwiegend beide Lebensbereiche, nur einfach mit unterschiedlicher Ausprägung. Deswegen muss man auch klar sagen: Der Gesetzgeber macht keinen Unterschied bei der Arbeitsunfähigkeit. BEM ist somit auch eine Chance, private Problemstellungen zu behandeln, hier Unterstützung zu erfahren.
Moderator:
Sie haben eben gesagt, wenn von der Arbeitgeberseite alles richtig gemacht wird – und genau da knüpfe ich jetzt noch mal an: Muss ich als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer Angst vor einem BEM haben?
Tobias Ruppenthal:
Grundsätzlich nein. Man muss keine Angst vor einem BEM. Es gibt aber auch Konstellationen, die für Mitarbeitende negative Folgen haben können. Das muss man auch klar benennen, wenn man da transparent sein will. Ja, wenn Mitarbeitende BEM-Verfahren immer wieder ablehnen und damit den Arbeitgebenden die Möglichkeit nehmen, gemeinsam Lösungen für die Krankheitssituation zu finden. Ja, wenn das Ergebnis des individuellen Verfahrens nach Ausschöpfung aller Maßnahmen negativ ist, das heißt, eine Wiedereingliederung nicht erreicht wird. Dann kann, und ich sage ausdrücklich, kann eine arbeitsrechtliche Bewertung möglich sein.
Ansonsten muss man es klar verneinen, ganz einfach aus dem Gesichtspunkt: BEM wurde vom Gesetzgeber ins Leben gerufen, um das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft zu sichern. Es ist auch im ureigenen Interesse der Arbeitgebenden, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihr Knowhow im Unternehmen zu behalten. Selbst wenn eine Leistungswandlung eingetreten ist, wird versucht, Mitarbeitende entsprechend ihrer Fähigkeiten produktiv einzusetzen. Weil was wäre die Folge? Wenn jemand komplett wegfällt, müsste eigentlich das, was deren Aufgabenbereich ist, auf die anderen Mitarbeitenden übertragen werden. Das muss man definitiv vermeiden.
Eins muss man auch klar sagen, die Inhalte des BEM werden nicht nach außen getragen. Nur nach ausdrücklicher Zustimmung werden die nach außen getragen. Die BEM-Berechtigten können selber entscheiden, ob sie an dem Verfahren teilnehmen oder nicht. Sie können auch jederzeit ohne Angaben von Gründen auch wieder aussteigen. Was man immer dazu sagen muss, auch in der Beratung: BEM ist kein disziplinarisches Instrument der Personalführung, sondern ein Unterstützungsangebot.
Moderator:
Jetzt reden wir über Vorteile und Chancen für Arbeitgebende. Das BEM soll in erster Linie natürlich die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers, der Arbeitnehmerin wiederherstellen und Erhalten und da gibt es auch einige Vorteile. Frau Beste, Sie haben da schon ein paar Erfahrungen gemacht.
Anja Beste:
Ja, bei uns wird es wirklich gelebt, das BEM. Für den Arbeitgeber bietet es natürlich wirklich die Möglichkeit, aktiv zu unterstützen, Krankheitsphasen zu überwinden oder zu verkürzen. In der Regel ist es ja so, dass man als Arbeitgeber nicht weiß, warum jemand krank ist. Man bekommt keine Diagnosen. Im BEM-Verfahren hinterfragt man es natürlich. Der Mitarbeiter muss nicht die Diagnose benennen, aber er kann es umschreiben, so dass man herausfinden kann, wo seine Probleme liegen und ob man im Betrieb etwas machen kann, um ihn zu unterstützen, dass er trotzdem arbeitsfähig bleibt.
Moderator:
Für Sie, liebe Hörerinnen und liebe Hörer, noch mal so als kleiner Reminder: Sie arbeiten ja für die Isar Kliniken. In welcher Funktion genau?
Anja Beste:
Also von Haus aus bin ich Krankenschwester, arbeite dort aber im Qualitätsmanagement und betreue zusätzlich das BEM-Verfahren. Im Isar Klinikum hat man sich ganz bewusst dazu entschieden, eine Mitarbeiterin auszubilden, oder einen Mitarbeiter, der keine eigene Personalverantwortung trägt und nicht in diesen Gewissenskonflikt kommt: Unterstützen oder doch zu überlegen, ob man sich von dem Mitarbeiter trennen muss?
Moderator:
Was haben Arbeitgebende zu beachten, damit das BEM-Verfahren der Form beziehungsweise den rechtlichen Vorgaben entspricht?
Anja Beste:
Grundsätzlich erstmal regelmäßig Ausfallzeiten zu prüfen. Also es geht ja darum, sechs Wochen auf 365 Tage. Das heißt, man betrachtet nicht Januar bis Dezember, sondern immer stand heute 365 Tage zurück. Fällt da mal vielleicht jemand länger als sechs Wochen aus, dann ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine Einladung auszusprechen. Der Arbeitnehmer kann diese annehmen, muss er aber nicht. Bei uns ist es so, dass er sich schriftlich dazu äußern muss. Das heißt, er kriegt einen Bogen mitgeliefert, wo er ankreuzen muss, ich möchte teilnehmen oder ich möchte nicht teilnehmen. Das ist für mich zum Beispiel oder auch für die Personalabteilung der Beleg, das auch wirklich eingeladen wurde, dass die Einladung angekommen ist und das BEM auch wirklich ordnungsgemäß angeboten wurde.
Moderator:
Warum sollte man jetzt regelmäßig das innerbetriebliche BEM-Verfahren evaluieren? Also, wie kann man die gewonnenen Erkenntnisse für das Verfahren und auch darüber hinaus nutzen?
Anja Beste:
Ich evaluiere zum einen erstmal mit einem Feedback-Bogen an die Mitarbeiter. Das ist für mich dann eine Rückmeldung: Wie haben sie es empfunden, die Mitarbeiter? War es hilfreich? Muss ich etwas ändern in meinem Umgang mit dem BEM-Verfahren? Dann haben wir regelmäßige BEM-Zirkel. Da sitzt dann jemand vom Personal mit am Tisch, die Arbeitssicherheit, die Betriebsmedizin. Hier bietet sich wirklich die Chance gehäufte Probleme in Projekten, zum Beispiel als BGM-Maßnahmen nochmal abzubilden und generell Lösungen zu finden. Jetzt nicht für den einzelnen Mitarbeiter, sondern wirklich für ganze Bereiche.
Moderator:
Wo liegen vielleicht auch die Grenzen eines BEMs? Wo muss man als Arbeitgeber dann vielleicht auch tatsächlich mal passen?
Anja Beste:
Es gibt natürlich die Fälle. Zum einen, dass nicht mitgearbeitet wird, das heißt wir besprechen ja Maßnahmen, die legen wir fest. Wenn jemand die Maßnahmen dann doch nicht umsetzt, dann ist es schwierig zu helfen. Zum anderen gibt es natürlich Erkrankungsbilder, wo es einfach keinen Job im Unternehmen gibt, der das abbildet. Ich gebe mal ein Beispiel, wenn jemand im Transportdienst arbeitet bei uns, das ist natürlich mit Heben, Tragen, Schieben verbunden. Wenn da jetzt körperliche Einschränkungen dazu kommen, dass er nicht mehr als fünf Kilo heben und schieben darf, dann ist es schwierig, ein Berufsfeld bei uns zu finden, das unter diesem Gewicht liegt und die Qualifikationen und die Kenntnisse des Mitarbeiters ausreichen, um ihn dorthin zu versetzen zum Beispiel.
Moderator:
Jetzt haben wir schon viel über BEM erfahren. Wie funktioniert das jetzt eigentlich? Klar ist: Jeder Betrieb ist anders und jedes BEM muss individuell angepasst. Herr Ruppenthal, Sie starten mit einer Analyse des Unternehmens. Wie sieht das genau aus?
Tobias Ruppenthal:
Analyse hört sich jetzt vielleicht etwas hochtrabend an. Der Ausgangspunkt im BEM ist die Auswertung der Krankenstände unter BEM-Gesichtspunkten. Wie die Frau Beste auch schon gesagt hat, ist die Frage hier:Wer war in den zurückliegenden zwölf Monaten länger als 42 Kalendertage oder sechs Wochen arbeitsunfähig? Ist die Voraussetzung erfüllt, muss das BEM angeboten werden?
Anja Beste:
Das mit den 42 Tagen ist ein bisschen relativ, weil es heißt sechs Wochen auf 365 Tage, wenn ich eine Fünf-Tage-Woche habe, dann sind es natürlich keine 42 Tage.
Tobias Ruppenthal:
Das ist richtig, da muss ich es auf 30 Arbeitstage herunterbrechen. Genauso ist es natürlich auch noch zu beachten, wie sieht es mit meinen Teilzeitkräften aus? Wie rechne ich die in die Systematik? Das sind alles so Sachen, die man betriebsintern ganz einfach klären muss. Das ist aber kein Hexenwerk, sondern das ist möglich.
Moderator:
Wie viele Schritte umfasst ein BEM und was muss erfüllt sein, damit das BEM auch den gesetzlichen Vorgaben entspricht?
Tobias Ruppenthal:
Also den zeitlichen Rahmen haben wir jetzt schon angesprochen. Ich hab das hier in acht Schritte unterteilt, das BEM-Verfahren, um das mal ganz kurz zu skizzieren. Es fängt natürlich damit an die Arbeitsunfähigkeitszeiträume auszuwerten unter BEM-Gesichtspunkten. Dann erfolgt die Einladung zum BEM-Erstgespräch oder Informationsgespräch, wie man es nennen kann. Ist die Einladung erfolgt, findet dieses Gespräch auch statt. Da haben wir dann den aufklärenden Teil. Dann wird eine Datenschutzvereinbarung unterschrieben. Dann finden erste Fragen nach den Ursachen der Arbeitsunfähigkeit statt, weil abgeklärt werden muss, ob gegebenenfalls weitere Teilnehmende wie Personenstellen oder Ämter erforderlich sind für den nächsten Verfahrensschritt.
Dann gehen wir in die sogenannte Fallbesprechung. Hier ist die Grundlage ein Abgleich des Leistungsbildes vorzunehmen mit den Anforderungen des individuellen Arbeitsplatzes, um dann aus diesem Abgleich auch Maßnahmen zu generieren. Diese Maßnahmen muss man dann umsetzen im nächsten Verfahrensschritt. Man muss auch schauen, ob die wirksam werden. Sind die nicht wirksam, muss man wieder eine Neuplanung einsteigen. Und im Idealfall sind diese Maßnahmen fruchtbar, dann endet das BEM-Verfahren auch wieder. Das hört sich jetzt natürlich sehr einfach an, wenn man das jetzt so kurz runter betet. Zwischen den Verfahrensschritten ist aber durchaus auch einiges an Gesprächen und Aufwand und Dokumentation notwendig.
Moderator:
Sie haben eben von Maßnahmen gesprochen. Können Sie mal ein paar konkrete Beispiele nennen, was solche Maßnahmen sind?
Tobias Ruppenthal:
Beispiele kann ich hier gerne aufzählen, möchte aber da auch klar betonen, dass eine abschließende Aufzählung der Maßnahmenoptionen fast nicht möglich ist. Wichtig ist grundsätzlich dabei, dass wir von dieser defizitorientierten Denkweise wegkommen und schauen, was kann die Person und welche Ressourcen hat die Person? Und diese dann auch gezielt zu stärken. Das können natürlich sein im privaten Bereich, dass wir zum Beispiel es möglich machen, dass man eher Familienkonfliktberatungen in Anspruch nimmt, Schuldner- oder Suchtberatung. Innerbetriebliche Maßnahmen können sein die ergonomische Anpassung des Arbeitsplatzes, eine Anpassung von Arbeitsabfolgen, eine Anpassung von Arbeitszeit. Immer ein Thema ist natürlich auch eine innerbetriebliche Versetzung. Nur muss man da klar sagen, je nach Größe des Betriebs ist es eher oder weniger möglich.
Moderator:
Schritt für Schritt zurück in den Arbeitsalltag. Das kann ein Betriebliches Eingliederungsmanagement leisten, wenn alle an einem Strang ziehen. Viele weitere Informationen zum BEM und Angebote der BGW finden Sie unter www.bgw-online.de/bem. Vielen Dank an Anja Beste von den Isar Kliniken und Tobias Ruppenthal von der BGW.
Anja Beste:
Ja, herzlichen Dank.
Tobias Ruppenthal:
Ich bedanke mich auch ganz herzlich und bleiben Sie gesund.
Moderator:
Wir haben uns für diese Aufnahme remote getroffen, da hat es quasi nicht nur heute Zoom gemacht, sondern auch BEM.
Moderator:
Jetzt haben wir uns wieder aufgefrischt beim BEM. Abonniert diesen Podcast, damit ihr keine Folge verpasst und schreibt uns auch gerne, wie euch die Folge gefallen hat. Ja, wenn ihr außerdem selbst noch so ein interessantes Gesundheitsthema im Kopf habt, dann lasst das mal raus. Unbedingt melden! Könnt ihr auch machen bei www.bgw-online.de/podcast. Ja damit verabschiede ich mich für heute und sage Tschüss bis zum nächsten Mal.
Jingle:
Herzschlag! Für ein gesundes Berufsleben, der BGW-Podcast.
Die Interviewgäste
Anja Beste
Qualitätsmanagement- und BEM-Beauftragte - Isar Kliniken GmbH
Tobias Ruppenthal
Berater Betriebliches Eingliederungsmanagement - BGW, Karlsruhe
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