Eine Frage der Führung BGW Mitteilungen, Ausgabe 3/2016
Die These:
"Führungskräfte haben es in der Hand, wie gesund Beschäftigte sind."
Studien haben zweifelsfrei gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Vorgesetzten und der Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt. Positiv wirkt sich etwa soziale Unterstützung aus, negativ beispielsweise Ungeduld. Das heißt: Führungskräfte können als Ressourcenmanagerinnen und -manager für die Gesundheit in ihrem Team wirken. Dazu nutzen sie ihren Einfluss auf die Rahmenbedingungen der Arbeit: Sie reduzieren Risikofaktoren – zum Beispiel häufige Arbeitsunterbrechungen oder Konflikte. Und sie fördern Ressourcen der Beschäftigten – zum Beispiel, indem sie Handlungsspielräume bieten, Feedback geben und Wertschätzung zeigen.
Auch wenn sich nicht alle Risiken für Beschäftigte vermeiden lassen, können sie bis zu einem gewissen Grad "abgefedert" und ausgeglichen werden. Fakt ist somit, dass Führungskräfte zwar nicht alle Aspekte der Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steuern können, sehr wohl aber bedeutenden Einfluss haben.
Die These:
"Transparenz ist entscheidend."
Die größte Einflussmöglichkeit von Führungskräften auf die Gesundheit der Beschäftigten steckt in den Punkten Rollenklarheit und Vorhersehbarkeit – so das Ergebnis einer Studie der BGW. Vorgesetzte sollten daher für möglichst transparente Arbeitssituationen sorgen. Das heißt unter anderem:
- die Hintergründe von Entscheidungen und die zu erreichenden Ziele nachvollziehbar erläutern,
- den Sinn von Aufgaben verdeutlichen und bevorstehende Veränderungen ankündigen,
- für eindeutige Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sorgen,
- sicherstellen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Aufgaben verstanden haben und Anforderungen sowie Erwartungen gemeinsam abgestimmt sind.
Die These:
"Das Führungsverhalten macht den Unterschied: Beschäftigte profitieren am deutlichsten, wenn Führungskräfte den offenen, gleichwertigen Austausch suchen."
Bei einem Vergleich von verschiedenen Führungskonzepten schnitt der "Leader-Member-Exchange" am besten ab. Bei diesem Konzept geht es um die Qualität und die individuelle Gestaltung der Beziehung zwischen Führungskraft und Beschäftigten. Die Grundannahme ist, dass es kein einheitliches Führungsverhalten gibt, das für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geeignet wäre. Stattdessen stimmen Vorgesetzte wechselseitig mit jedem Teammitglied ab, welche Arbeitsschritte anstehen, wie viel Hintergrundwissen und Handlungsspielraum angemessen sind, wie Aufgaben umgesetzt werden können.
Eine solche "individuelle" Führung hat einen besonders hohen Einfluss auf die Gesundheit der Beschäftigten. Konkret bewerten diese die Beziehungsqualität besonders gut:
- wenn sie wissen, wie sie eingeschätzt werden, also ein Feedback zu ihren Leistungen erhalten,
- wenn berufliche und private Bedürfnisse berücksichtigt werden,
- wenn Entwicklungsmöglichkeiten erkannt werden,
- wenn Entscheidungen nachvollziehbar sind.
Die These:
"Führungskräfte müssen bei sich selbst anfangen, wenn sie die Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fördern wollen."
Überzeugend die Gesundheit anderer fördern lässt sich nur, wenn auch die eigene Gesundheit geschätzt wird: Zum einen schafft erst diese die Basis für souveränes Handeln. Zum anderen hat, wer sich selbst gegenüber achtsam ist, eher auch die Gesundheit anderer im Blick.
Nicht zuletzt können Führungskräfte mit einer gesunden Selbstfürsorge als Vorbild für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirken. Was dazugehört:
- Gesundheitswertigkeit: Das eigene Wohlergehen sollte nicht dauerhaft dem Pflichtgefühl gegenüber dem Betrieb oder den Beschäftigten untergeordnet werden. Gesundheit hat den gleichen Stellenwert wie die Anforderungen des Arbeitslebens:
Es ist mir wichtig, die gesundheitlichen Belastungen an meinem Arbeitsplatz zu mindern.
- Gesundheitsbezogene Achtsamkeit: Führungskräfte sollten sich bewusst mit der eigenen Gesundheit und den Risiken für sie auseinandersetzen. Das Ziel ist Achtsamkeit:
Ich merke, wenn mit mir gesundheitlich etwas nicht stimmt.
- Gesundheitsbezogene Selbstwirksamkeit: Hierbei geht es um die innere Überzeugung von Führungskräften, dass sie die eigene Gesundheit positiv beeinflussen können – zum Beispiel durch Änderungen bei der Arbeit.
- Gesundheitsverhalten: Schließlich muss auch das konkrete Verhalten Selbstfürsorge zeigen. So sollten Vorgesetzte versuchen, eigene Belastungen zu reduzieren, indem sie etwa ihre Arbeitsweise optimieren – Prioritäten setzen, den Tag planen, für ungestörtes Arbeiten sorgen.
Was können Unternehmen tun?
Am wirkungsvollsten ist es, gesundheitsfördernde Führung als festen Bestandteil des betrieblichen Managements für Sicherheit und Gesundheit zu etablieren. Gehandelt werden sollte möglichst nicht erst im Krisenfall, wenn Krankenstände, Fluktuation oder Fehlerquoten schon auffällig hoch sind. Im besten Fall greifen verschiedene Maßnahmen im Hinblick auf betriebliche Rahmenbedingungen, Unternehmens- und Führungskultur sowie Personalentwicklung ineinander.
Was können Beschäftigte beitragen?
Sabine Gregersen, BGW-Psychologin: Gesundheitsfördernde Führung ist keine Einbahnstraße. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind gefragt. Zum einen, indem sie auf sich selbst achten und ihre Möglichkeiten der gesunden Selbstfürsorge ausschöpfen. Zum anderen, indem sie offen auf die Führungskraft zugehen und diese unterstützen. Sie können zum Beispiel aktiv Informationen zu ihrer Arbeitssituation einbringen: Was läuft gut, wo zeichnen sich Probleme ab, was sollte geändert werden? Und sie können sich konstruktiv an Lösungen beteiligen, Ideen einbringen und offen für Veränderungen sein.
Engagierte Beschäftigte und eine gute Zusammenarbeit im Team sind eine bedeutsame Ressource für die Führungskraft – auch beim gesundheitsfördernden Führen. Davon profitieren wiederum alle.