Überlebensgroße Puppe, der zwei Personen gegenüberstehen

In Würde Abschied nehmen BGW magazin 4/2024

Wer alte oder schwerkranke Menschen versorgt, muss auch mit Tod und Trauer umgehen. Impressionen und Impulse aus der BGW-Wanderausstellung "In Würde Abschied nehmen".

Bild vergrößern Menschen im Ausstellungsraum, über dem in großer Leuchtschrift "Kommunikation" steht

Im Raum „Kommunikation“ thematisieren die Teilnehmenden den Umgang mit Schwerkranken und Sterbenden.

Ich habe bereits für die nötigsten Tätigkeiten kaum Zeit. Wie soll ich einem sterbenden Menschen die Aufmerksamkeit widmen, die er oder sie verdient? Zu hören sind verschiedene Stimmen. Sie sprechen typische Belastungen an, die im beruflichen Umgang mit Tod und Trauer zum Beispiel im Krankenhaus auftreten.

Das Leid der Patienten, aber auch der Angehörigen, wenn sie einen lieben Menschen verlieren, das ist schon manchmal sehr hart zu er­tragen. 

Was sagt man einem Menschen, der keine Aussicht auf Heilung hat oder im Sterben liegt? Ich mache mir Sorgen, etwas Unangemessenes zu sagen.

Bei sensiblen Fragen innehalten

Wie begegnet man einem sterbenden Menschen achtsam und angemessen? Die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung stehen in Kleingruppen auf einem virtuellen Krankenhausflur und öffnen eine Tür. Sagen Sie: Glauben Sie, ich sterbe? Vor ihnen steht eine Patientin und stellt diese Frage. Was nun?

Hier ist das Krankenhaus ein Leuchtdisplay, die Patientin eine lebensgroße Puppe auf dem Bildschirm und in dieser Übung werden sogar Antwortmöglichkeiten vorgeschlagen.

Wichtig ist der Austausch, nicht allein zu sein mit der Situation.

Eine lächelnde Frau
Svenja Uhrig, Palliativpflege-Expertin und Ausstellungsguide für "In Würde Abschied nehmen"

Die Grüppchen diskutieren miteinander und wählen aus, was sie für passend halten. Hier hat man auch Zeit, noch mal kurz zu überlegen, schildert eine angehende Pflegekraft ihre Erfahrung mit der Übung, das ist im Alltag nicht so.

Wirklich nicht? Palliativpflege-Expertin Svenja Uhrig führt als Guide durch die Ausstellung und hakt nach: Man glaubt oft, man hätte die Zeit nicht, kurz innezuhalten und sich die Antwort zu überlegen. Eine weitere Besucherin nimmt den Gedanken auf: Aber man muss ja nicht sofort antworten. Man kann auch erstmal nicken.

Und zuhören. Ralf Kaulbersch, ebenfalls Palliativpflege-Experte und Guide bei In Würde Abschied nehmen, erklärt: Das ist etwas, das wir immer tun können. Gemeinsam trägt die Gruppe zusammen, worauf es dabei ankommt:

  • Aufmerksam sein. Zum Beispiel Blickkontakt halten.
  • Botschaften des Patienten oder der Patientin bestätigen.
  • Fragen stellen, die sich nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten lassen, sondern zum Erzählen anregen.

Endlosschleifen unterbrechen

Dann geht’s ins echte Gespräch – im Rollenspiel mit Handpuppen. In einer Gruppe dreht sich der Dialog zwischen Pflegekraft und Patient im Kreis. Manchmal gelingt es einfach nicht, erklärt Ralf Kaulbersch. Dann muss man auch mal raus aus der Situation.

Svenja Uhrig sieht es genauso. Wir dürfen auch Gespräche beenden, sagt sie – und hat gleich noch eine Formulierungsidee: Lassen Sie uns an dieser Stelle das Gespräch beenden. Ich komme morgen noch mal wieder.  Deutlich wird im Austausch zwischen Besuchergruppe und Guides auch: Bei der Kommunikation ist nicht nur wichtig, was gesagt wird – sondern ebenso, wie man es sagt. Einschließlich der Körpersprache.

Eine Person mit Handpuppe im Gespräch mit einem Gegenüber mit Handpuppe

Rollenspiele helfen, ungewohnte Gesprächs­situationen zu erkunden.

Auf Ungewissheit gefasst sein

Im Umgang mit Sterbenden kommt oft erschwerend eine typische Ungewissheit dazu: In welcher der fünf Sterbephasen nach Elisabeth Kübler-Ross, die viele aus ihrer Ausbildung kennen, befindet sich die Person gerade? Nicht-Wahrhaben-Wollen? Zorn? Verhandeln? Depression? Akzeptanz?

Svenja Uhrig macht darauf aufmerksam, dass die Sterbephasen nicht immer der Reihe nach ablaufen, sondern hin- und herspringen können. Man weiß darum häufig nicht, woran man gerade ist, erläutert sie. Da öffnet sich vielleicht jemand im Gespräch in Richtung Akzeptanz und wir denken: Schön, jetzt kann man daran arbeiten. Und am nächsten Tag steckt derselbe Mensch voll in der Depression.

Sich selbst gut kennen

Ebenso wichtig wie der würdevolle Umgang mit dem sterbenden Menschen ist es, die eigene psychische Belastung als Pflegekraft, Arzt oder Ärztin, Therapeut oder Therapeutin in Grenzen zu halten und gut zu bewältigen.

Für mich ist es besonders wichtig, sich selbst gut zu kennen, zu wissen, was das mit einem macht und was einem da guttut.

Ein lächelnder Mann
Ralf Kaulbersch, Palliativpflege-Experte und Ausstellungsguide für "In Würde Abschied nehmen"

In der Ausstellung In Würde Abschied nehmen tauschen sich die Besucherinnen und Besucher anhand kleiner Beispielgeschichten darüber aus, wie verschiedene Schicksale sterbender Menschen sie berühren. In einer Gruppe wählen mehrere die Geschichte von Helena: Helena, 35 Jahre. Brustkrebs. Mutter von zwei kleinen Kindern, die oft zu Besuch kommen. Das berührt in mehrerlei Hinsicht: Da steht Hospiz drüber, beginnt eine Teilnehmerin. Sie ist gut aufgehoben. Aber sie ist zu jung. Jemand ergänzt: Dass den Kindern ihre Mutter entrissen wird, das hat mich besonders berührt.

Guide Ralf Kaulbersch fasst zusammen: Manchmal hat man selbst schon ähnliche Situationen erlebt, hat Verbindungen im eigenen Leben oder einfach ein ähnliches Alter. Das zu erkennen, ist schon ein erster Teil der Selbstpflege. Sein Fazit: Für mich ist es besonders wichtig, sich selbst gut zu kennen, zu wissen, was das mit einem macht und was einem da guttut.

Weiter tauschen sich die Teilnehmenden in Kleingruppen über grundlegende Fragen zu Leben und Tod aus. Auch die persönlichen Einstellungen und Werte spielen eine wichtige Rolle beim Bewältigen von Belastungen im Umgang mit dem Thema.

Bild vergrößern Drei Frauen stehen an einem Tisch mit Touchscreen

Im Raum „Selbstfürsorge“ lassen sich eigene Kraftquellen entdecken – zum Beispiel das persönliche Abschiedsritual.

Rituale finden 

Ebenso können Rituale helfen, belastende Situationen zu verarbeiten. Zum Beispiel das Anzünden einer Kerze, wenn jemand gestorben ist. Oder andere Kleinigkeiten, etwa bewusstes Ein- und Ausatmen, ein bestimmtes Musikstück oder eine Yoga-Übung zum Feierabend. Es gibt viele Möglichkeiten für Rituale, die man sich persönlich oder im Team erarbeiten kann.

Sich gegenseitig unterstützen

Auch jenseits von Ritualen ist das Team gefragt. Wichtig ist der Austausch, nicht allein zu sein mit der Situation, betont Palliativpflege-Expertin Svenja Uhrig bei der Führung durch die Ausstellung. Das betrifft zum einen die Begleitung der schwerkranken und sterbenden Menschen und zum anderen das persönliche Verarbeiten belastender Situationen.

Besucherinnen und Besucher im Ausstellungsraum. Sie tragen Virtual Reality-Brillen.

In der virtuellen Realität: Welche Erfahrungen haben andere mit dem Thema gemacht?

Nun geht es noch einmal in die virtuelle Welt: Über VR-Brillen und Kopfhörer erscheinen Menschen verschiedener Berufsgruppen, die Wege gefunden haben, mit dem Thema Tod in ihrem Berufsalltag achtsam umzugehen. Sie teilen ihre Erfahrungen und geben Impulse. Zum Beispiel: Besonders wertvoll sind die Situationen, wenn ich mit den Patienten ins Gespräch komme, wenn sich so ein Vertrauensverhältnis aufbaut und wenn die mir aus ihrem Leben erzählen. Oder: Um Belastungen zu kompensieren, ist für mich am wichtigsten, zu sprechen.  Ebenso: Wir tragen uns als Team letztlich durch den schweren Alltag.

Was Einrichtungen tun können

Die Arbeitsbedingungen spielen für den Umgang mit diesen psychischen Belastungen im Berufsalltag eine große Rolle. Zentrales Analyse- und Steuerungselement ist hier die gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung. Ebenso hat das Betriebsklima Einfluss darauf, wie Beschäftigte ihre Belastungen am Arbeitsplatz verarbeiten können.

Mehr zur Ausstellung

Die Wanderausstellung „In Würde Abschied nehmen“ ist in Zusammenarbeit von BGW und Dialogue Social Enterprise (DSE) gemeinsam mit einer erfahrenen Fachkraft für Palliative Care entstanden. Sie richtet sich insbesondere an Pflegekräfte, ärztliches Personal und Ehrenamtliche, die mit schwerkranken oder alten Menschen umgehen.

Von: Sandra Bieler