Junge Frau mit tablet und junger Mann in blauer Pflegekleidung mit Klemmbrett schauen zusammen auf den Bildschirm des tablets. Im Hintergrund: Behandlungszimmer einer Zahnarztpraxis.

Beauftragte im Medizinprodukterecht BGW magazin - 4/2023

Medizinprodukte gibt es viele – von Pflegebetten bis hin zu Ultraschallgeräten. Bei ihrer Nutzung sollen weder Beschäftigte noch Patientinnen und Patienten oder weitere Personen im direkten beruflichen Umfeld gefährdet werden. Unternehmen setzen dafür unter anderem Medizinproduktebeauftragte ein. Doch deren Aufgaben und Pflichten sind rechtlich nicht festgelegt.

Was viele nicht wissen: Der Begriff "Medizinproduktebeauftragter" kommt im Medizinprodukterecht nicht vor. Dabei können solche Beauftragten eine wichtige Rolle für den sicheren Umgang mit Medizinprodukten übernehmen. Wie schaffen Betriebe die Voraussetzungen dafür?

Diese Frage liegt Michael Kowatzky und Andrea Quenzer am Herzen. Sie betreuen für die BGW das Seminar "Medizinprodukte sicher betreiben und anwenden". Wir verzichten bewusst auf den Seminartitel 'Ausbildung zum Medizinproduktebeauftragten', sagt Quenzer. Wir geben aber den Teilnehmenden genau die Informationen an die Hand, die sie brauchen, um die unklaren Begrifflichkeiten mit Leben zu füllen.

Nur eine Aufgabe ist rechtlich geregelt

Junge Frau mit Arbeitsunterlagen in der Hand. Im Hintergrund ein Krankenhausflur. Dort herrscht reges Treiben - ein Krankenbett wird über den Flur geschoben, Leute laufen herum.

Medizinprodukte sind überall im Gesundheitswesen im Einsatz – beispielsweise Instrumente und Geräte in Praxen, Therapieliegen oder Pflegesoftware. Beauftragte kümmern sich um den sicheren Umgang mit ihnen.

Tatsächlich kennt das Regelwerk für den betrieblichen Bereich nur "Beauftragte für Medizinprodukte­sicherheit". Hier ist nicht nur der Wortbestandteil "Sicherheit" hinzugekommen. Die beiden Begriffe bezeichnen nicht dasselbe, erklärt Michael Kowatzky, der als BGW-Aufsichtsperson Unternehmen auch zum Thema Medizinprodukte berät. § 6 Medizinproduktebetreiberverordnung legt detailliert die Aufgaben von Beauftragten für Medizinproduktesicherheit fest. Sie koordinieren den Umgang mit mangelhaften, gefährlich gewordenen Medizinprodukten im eigenen Betrieb, sagt Kowatzky. Sie halten auch den Kontakt zu Behörden und Herstellungsunternehmen. Für ihre Tätigkeit müssen sie ein bestimmtes berufliches Qualifikationsprofil erfüllen, aber darüber hinaus keine besondere, zusätzliche Ausbildung durchlaufen.

Daneben müssen Gesundheitsbetriebe aber noch weitere Pflichten für den Umgang mit Medizinprodukten regeln – beispielsweise technische Prüfungen, Einweisungen, Dokumentationen. Für diese Aufgabenfelder kursieren Begriffe wie Medizinprodukteverantwortlicher beziehungsweise -koordinator oder Gerätebeauftragter, sagt Michael Kowatzky. Am häufigsten und meist deckungsgleich ist aber die Rede von Medizinproduktebeauftragten.

Aufgaben und Pflichten im Überblick

Warum gibt es Beauftragte?

BGW-Expertin Andrea Quenzer hat viel mit der Qualifizierung von Fachkräften im Gesundheitswesen zu tun. Sie erklärt: Beauftragte sind wichtig, weil Unternehmerinnen und Unternehmer nicht alle Aufgaben, für die sie Verantwortung tragen, selbst erfüllen können. In manchen Bereichen ist fundiertes Fachwissen nötig. Im Rahmen einer Pflichtenübertragung wird die Verantwortung für ein Schwerpunktthema daher bei einer anderen Person gebündelt.

Die Vorteile für die Unternehmensleitung liegen auf der Hand: Es gibt eine feste Ansprechperson, Fort- und Weiterbildungsnotwendigkeiten lassen sich bündeln, die Leitung schafft Rechtssicherheit und minimiert Haftungsrisiken.

Auf solche Beauftragten trifft man zum Beispiel in Bereichen wie Laserschutz, Abfall oder Brandschutz. Die Rolle von Beauftragten muss aber nicht zwangsläufig im Regelwerk genannt oder eingefordert werden.

Das Organisationsprinzip der Beauftragung hat sich in Betrieben bewährt, insbesondere bei komplexen Themen wie dem Umgang mit Medizinprodukten. Erfolgreich handeln können Beauftragte nur mit klarem Auftrag – und wenn die Rahmenbedingungen stimmen. 

Fehler bei der Benennung von Medizinproduktebeauftragten vermeiden

Bitte kümmern Sie sich ab sofort um das Thema Medizinprodukte! Handlungsaufträge "auf Zuruf", im schlimmsten Fall sogar ohne Zustimmung der betreffenden Person, bereiten Michael Kowatzky Sorgen: Gerade wenn Rollen nicht an anderen Stellen eindeutig geregelt sind, ist es wichtig, im Betrieb in die Details zu gehen, von der Aufgabenbeschreibung bis zur Vertretungsregelung – und zwar schriftlich.

Stolpersteine sieht er auch darin, dass zwar Pflichten aufgeführt und übertragen werden, aber die Rechte und Befugnisse der Beauftragten nicht beschrieben werden. Oder dass Personen eingesetzt werden, denen der fachliche Hintergrund und die Erfahrung fehlen. Das gelte im Übrigen auch für Beschäftigte, die bereits stark in andere Aufgaben eingebunden sind und kein realistisches Zeitbudget haben, um das noch „on top“ machen zu können.

Ausreichende zeitliche Ressourcen spielen eine entscheidende Rolle. Auch Beauftragte, die eigentlich engagiert dabei sind, stoßen sonst schnell an ihre Grenzen. Das kann fatale Folgen haben – schließlich geht es um die Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten, Patientinnen und Patienten sowie Dritten, warnt Kowatzky. Der einzuplanende Aufwand könne stark variieren. Womöglich muss in  einem Betrieb der Bestand aller Medizinprodukte von Grund auf neu ermittelt werden. Anderswo ist bereits eine erfolgreiche Organisation im Hinblick auf Medizin­produkte aufgebaut, dort fällt entsprechend weni­­ger Aufwand an.

Medizinproduktebeauftragte erfolgreich benennen

Schriftlich beauftragen – mit Unterschrift von Führungskraft und beauftragter Person

Aufgaben konkret und einzeln aufführen – Checkliste, Zuständigkeiten ("Wer macht was?")
 

Zusammenarbeit auf Augenhöhe sicherstellen – gegenseitige Unterstützung von Führungskraft und beauftragter Person

Ausbildung und Fortbildung fest vereinbaren – aktiv gefördert von Vorgesetzten

Zeitliche Ressourcen bereitstellen

Ausstattung klären – zum Beispiel digitale Endgeräte, Software, Räumlichkeiten

Befugnisse und Rechte schriftlich fixieren – Führungskräfte verpflichten sich zur Zusammenarbeit 

Interne Kommunikation sicherstellen, Austausch sichern – zum Beispiel mit Führungskräften und Arbeitsschutzausschuss

Vertretung regeln – auch schriftlich festhalten, dass bei Abwesenheit ohne Vertretung die zuständige Führungskraft die Verantwortung übernimmt
 

Aus- und Fortbildung organisieren

Wer verantwortungsvolle Aufgaben und Pflichten übernehmen soll, muss dazu fachlich in der Lage sein. Das Medizinprodukterecht ist zu komplex, um sich alles per Selbststudium oder 'Training on the Job' anzueignen, sind sich Michael Kowatzky und Andrea Quenzer einig. Es liege daher im Interesse der Unternehmerinnen und Unternehmer, die Beauftragten entsprechend zu qualifizieren. Auch regelmäßige Fortbildungen sind nötig, damit das erworbene Wissen aktuell gehalten werden kann.

Quenzer verweist dabei auf das BGW-Seminar als guten Ausgangspunkt. Wir vermitteln Rechtsgrundlagen zielgruppengerecht für den Gesundheitsdienst. Mit Vorträgen, Gruppendiskussionen und praktischen Übungen wird das notwendige Wissen für die Aufgaben im Betrieb gefestigt. Deshalb kann man hier von einer Qualifizierung sprechen, die Teilnehmende in die Lage versetzt, Tätigkeiten als 'Medizinproduktebeauftragte' oder auch 'Beauftragte für Medizinprodukte­sicherheit' auszuüben.

Das BGW-Seminar ist aber nur eine von vielen Möglichkeiten auf dem Markt für Fortbildungen. Entscheidend ist letztlich, dass im Betrieb geeignete Strukturen vorhanden sind, mit denen sich Unfallrisiken durch Medizinprodukte und auch Haftungsrisiken zuverlässig vermeiden lassen, fasst BGW-Experte Michael Kowatzky zusammen. Und dafür sollte auch entsprechendes Know-how an einer Stelle gebündelt werden.

Von: Anja Hanssen