Unterweisungen für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung BGW magazin - 4/2022
Wer eine kognitive Beeinträchtigung hat, lernt oft weniger abstrakt und rational, sondern eher praktisch, haptisch und visuell. Was heißt das für die Unterweisung? Ein neuer Workshop im BGW-Seminarprogramm hilft weiter.
Große Unterschiede in Konzentrationsfähigkeit und Auffassungsgabe der Beschäftigten stellen hohe Ansprüche auch an erfahrene Unterweisende. Mit dem neuen Workshop "Unterweisungen für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung – so klappt es!" erweitert die BGW ihr Unterstützungsangebot zu diesem Themenfeld.
Im Workshop lernen Unterweisende verschiedene Methoden und Medien kennen, mit denen sie Unterweisungen abwechslungsreich, ansprechend und verständlich gestalten können – passgenau für ihre Zielgruppe. Die Workshop-Teilnehmenden arbeiten gemeinsam an Beispielen aus der betrieblichen Praxis und sammeln kreative Ideen für die nächste eigene Unterweisung. Wie lässt sich beispielsweise mit Störungen oder Widerstand umgehen? Wie können Wiederholungsthemen attraktiv gestaltet werden? Dabei bleibt ausreichend Zeit für den Erfahrungsaustausch.
Auch die vielfältigen Unterweisungsmaterialien der BGW für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen werden kurz vorgestellt und erprobt. Sie lassen sich individualisieren und auf den jeweiligen Arbeitsbereich anpassen, zum Beispiel durch Fotos aus der eigenen Werkstatt.
Der dreitägige Workshop findet in Präsenz statt. Er beginnt und endet jeweils mittags.
Tipps und Eindrücke von Teilnehmenden der Pilot-Workshops
M., Fachkraft für Arbeitssicherheit bei einem überbetrieblichen Dienst seit April 2022: Ich sehe die Herausforderung darin, eine Vertrauensbasis zu schaffen, da ich als externe Fachkraft für Arbeitssicherheit keinen 'Werkstattalltag' mit den Menschen habe. Ich bin wahrscheinlich nur 2- bis 3-mal im Jahr da. Daher glaube ich, dass es einige Zeit dauern wird, bis ich zu einem vertrauten Gesicht werde. Zudem denke ich, dass die Unterweisungen abwechslungsreich, interessant und unter Einbezug der Teilnehmenden gestaltet werden müssen, damit man entsprechende Aufmerksamkeit bekommt. (…) Neu war für mich im Prinzip alles, da ich bislang keinen Kontakt mit Unterweisungen für Menschen mit Handicap hatte. Für mich persönlich mitgenommen habe ich vor allem die verschiedenen Methoden, wie man eine Unterweisung gestalten kann. Zum Beispiel die Videos mit Nils, die Suchbilder, mit Anschauungsmaterial arbeiten (PSA), eine Werkstattbegehung mit den Teilnehmenden (…).
K., Berufsbildungsbereich: Ich glaube, die größte Herausforderung ist meist die Zeit beziehungsweise das Zeitmanagement. Oft sind Unterweisungen geplant und dann kommt doch irgendetwas dazwischen. Da hilft es, schon vorher alternative Termine in der Hinterhand zu haben. Wir unterweisen über ein Smartboard. Hier haben wir die Möglichkeit, zum Beispiel über YouTube, verschiedene Unterweisungsvideos von der BGW oder anderen Anbietern zu zeigen. Während der Videos wird immer wieder angehalten, um gewisse Dinge zu erläutern (…). Unsere Kollegin für Kulturtechniken wird für die Zukunft eigene Unterweisungsvideos via Stop-Motion erstellen. Dies natürlich zusammen mit unseren teilnehmenden Menschen mit Handicap.
An meine Grenzen komme ich beispielsweise, wenn Teilnehmende nicht in der Lage sind, sich zu äußern. So fällt es mir schwer zu messen, ob ein Verständnis für Gezeigtes vorhanden ist. Auch ein größerer Altersunterschied – bei Quereinsteigern mit erworbenem Handicap – kann zu Grenzerfahrungen führen (…). Ich hatte mir zwei Dinge notiert, die ich als sehr interessant und auch sehr passend für unseren Bereich empfunden habe. (…) Ich könnte mir eine Sitzecke zum Thema Arbeitsschutz sehr gut vorstellen. In dieser hat man dann die nötige Ruhe und Abstand zu den alltäglichen Dingen, um sich zu diesem Thema auszutauschen. Hatte mir während der Fortbildung vorgestellt, wie diese gestaltet werden kann. Zum Beispiel Fotocollagen mit den typischen Gebotszeichen, Warnhinweisen etc. an den Wänden. Hier könnten ja auch Spiele zum Thema Arbeitsschutz stattfinden. Als zweite Idee habe ich mir das Wort 'Rallye' ganz groß aufgeschrieben. Ich fand die Idee sehr ansprechend und könnte mir vorstellen, dass unsere Teilnehmenden daran großen Spaß haben werden.
H., Fachkraft für Arbeitssicherheit in einer WfbM: Meiner Erfahrung nach scheitert die Durchführung von Unterweisungen häufig, wenn Unterweisungsmaterial für die einzelnen Themenbereiche nicht in angepasster Form zu Verfügung steht. Soll heißen, die Kollegen und Kolleginnen wissen nicht genau, was zu vermitteln ist, sind unsicher und die Unterweisungen werden nicht in der geforderten Art und Häufigkeit durchgeführt. Eine nicht gelebte oder umgesetzte Arbeitsschutzorganisation durch die oberste Leitung könnte eine weitere Hürde darstellen.
Unterweisungsmaterialien können ja unterschiedlich gestaltet sein. Bei uns in der Werkstatt haben wir uns dazu entschlossen, als grundsätzliche Form die klassische Betriebsanweisung als Unterweisungsmaterial zu nutzen, speziell natürlich für die gefahrbringenden Tätigkeiten, wie zum Beispiel Arbeiten an Kreissägen, Gabelstaplerbetrieb, Umgang mit dem Rasenmäher, aber auch für die vermeintlich ‚banalen‘ Geräte, Werkzeuge und Tätigkeiten. (…) Grundlage sind die von der BGW bereitgestellten Betriebsanweisungen in Leichter Sprache mit den bereitgestellten Piktogrammen. An dieser Stelle ein Lob von unserer Seite für die Erstellung. Bitte mehr davon! Voraussetzung für die sinnvolle Nutzung ist jedoch, dass diese Unterweisungsmaterialien auf die konkrete Tätigkeit in der Arbeitsgruppe angepasst sind.
Das sagt eine Dozentin: Ich finde es immer wieder bewundernswert, mit welchem Engagement die Unterweisenden in den Werkstätten ihre Unterweisungen gestalten. Viele kreative Ideen werden in den Workshops ausgetauscht, ausprobiert und weiterentwickelt. Wir begleiten und unterstützen die Teilnehmenden beim Erfahrungsaustausch und Kennenlernen der BGW-Materialien und machen Mut, auch mal etwas anders zu machen oder tatsächlich wegzulassen. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die die Vorbereitung und Durchführung der Unterweisungen wesentlich erleichtern.
(Mareike Friedl)
Von: Petra Draband und Stephanie Lux-Herberg