Zusammenhang zwischen berufsbedingten Belastungsfaktoren und Karpaltunnelsyndrom – ein Overwiew über systematische Reviews und eine Meta-Analyse aktueller Studien
Das Karpaltunnelsyndrom (KTS) wird durch eine Kompression des Nervus medianus im Karpaltunnel verursacht.
Hintergrund:
In den vergangenen Jahren wurden mehrere systematische Reviews zur Verursachung von KTS–Karpaltunnelsyndrom durch arbeitsbedingte Belastungen publiziert und das KTS–Karpaltunnelsyndrom wurde in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen. Dennoch sind einige Fragen zur beruflichen Verursachung des KTS–Karpaltunnelsyndrom weiterhin ungeklärt.
In dieser Arbeit werden eine systematische Zusammenfassung der vorhandenen Reviews, die den Zusammenhang zwischen arbeitsbedingten biomechanischen Belastungsfaktoren (Exposition) und Karpaltunnelsyndrom (Outcome) untersuchen, wiedergegeben und eine inhaltliche Bewertung vorgenommen. Außerdem wurde die aktuelle Literatur zu diesem Zusammenhang, die nach dem letzten Review erschienen ist, aufbereitet und die Dosis-Wirkung-Beziehungen untersucht.
Methode:
In den Datenbanken Medline, Embase, Cinahl und Cochrane Library wurde systematisch nach Reviews gesucht, die seit 1998 publiziert wurden. Die Qualitätsbewertung erfolgte mit dem AMSTAR-R Score. Der Überschneidungsgrad von Originalarbeiten in den Reviews wurde mittels Corrected Covered Area (CCA) ermittelt.
Des Weiteren wurde systematisch nach Primärstudien gesucht, die seit 2011 publiziert wurden. Ihre methodologische Qualität haben wurde mit einem Instrument, das 20 Fragen umfasst, bewertet. Die Bewertung der Evidenz erfolgte qualitativ entsprechend der methodischen Qualität und Aktualität der Studien sowie der Konsistenz der Ergebnisse. Auf der Basis der aktuellen Primärstudien wurde eine zusätzliche Meta-Analyse durchgeführt, um Dosis-Wirkung-Beziehungen zu untersuchen.
Ergebnis:
Nach Anwendung der Einschlusskriterien wurden zehn systematische Reviews identifiziert, die 143 Originalarbeiten berücksichtigten. Die Anzahl der Primärstudien pro Review variierte von 6 bis 66. Der CCA-Wert lag bei 13,3 % und deutet auf einen hohen Grad der Überschneidung hin. Sieben aktuelle Primärstudien wurden identifiziert; vier davon waren Längsschnittuntersuchungen. Für die Beziehung zwischen den Risikofaktoren Repetition, Kraftaufwand sowie kombinierte Belastungen und KTS--Karpaltunnelsyndrom kann von einer hohen Qualität der Evidenz ausgegangen werden. Auf der Basis der vorliegenden Studien ist die Qualität der Evidenz für den Zusammenhang zwischen Vibration und KTS--Karpaltunnelsyndrom als moderat und für nicht neutrale Handpositionen als gering einzuschätzen. Eine Verursachung von KTS--Karpaltunnelsyndrom durch Computerarbeit ist aus epidemiologischer Perspektive unwahrscheinlich.
Die Ergebnisse der Meta-Analyse von aktuellen Primärstudien basierend auf den Aktivitätsgraden der Hand (Hand Activity Level) des American Conference of Governmental Industrial Hygienists (ACGIH) zeigen, dass kombinierte Belastungen oberhalb des Aktionslimits (bedenkliche Gefährdung) ein erhöhtes Risiko für KTS--Karpaltunnelsyndrom darstellen (RR: 1,5; 95%-KI: 1,02-2,31). Bei Belastungen oberhalb des Schwellenlimits (Gefährdung) verdoppelt sich das Risiko für KTS--Karpaltunnelsyndrom (RR: 2,0; 95%-KI: 1,46-2,82).
Schlussfolgerung:
Nach den epidemiologischen Studien führt die wiederholte oder dauerhafte Exposition gegenüber Repetition, Kraftaufwand und kombinierten Belastungen zur Erhöhung des Risikos für die Entstehung eines KTS--Karpaltunnelsyndrom. Eine berufliche Verursachung durch Vibration ist wahrscheinlich, wenn diese über einen längeren Zeitraum andauert. Chronische Flexion und Extensionshaltungen bei der Arbeit können wahrscheinlich in Kombination mit anderen Faktoren das Risiko für KTS--Karpaltunnelsyndrom erhöhen. Die Verursachung von KTS--Karpaltunnelsyndrom durch PC-Arbeit ist unzureichend gesichert. Daten aus aktuellen Primärstudien deuten auf eine Dosis-Wirkung-Beziehung hin.
Diese Zusammenfassung ist ein Teil des Beitrages "Zusammenhang zwischen berufsbedingten Belastungsfaktoren und Karpaltunnelsyndrom – ein Overwiew über systematische Reviews und eine Meta-Analyse aktueller Studien", erschienen im Buch "RIRE - Risiken und Ressourcen in Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege", © 2015 ecomed MEDIZIN, ISBN 978-3-609-10055-5.