Wieso gibt es so wenig männliche Hebammen, Kilian Lanig? #113 BGW-Podcast "Herzschlag - Für ein gesundes Berufsleben"
Es gibt nur wenige Berufe, die auf eine so lange Geschichte zurückblicken können wie die Geburtshilfe. Historische Belege für die Arbeit von Hebammen reichen bis ins dritte Jahrhundert vor Christus zurück. Die Tätigkeiten der damaligen Hebammen haben jedoch nur noch wenig mit denen der Heutigen zu tun. Was sich seitdem aber kaum verändert hat, ist die geschlechtsspezifische Verteilung des Berufes. Von den rund 26.000 Hebammen in Deutschland gibt es nur gut 20 männliche Hebammen.
In dieser Folge von „Inspirierende Menschen im Berufsalltag“ spricht Moderator Ralf Podszus mit einem von ihnen über alles, was im Hebammenalltag wichtig ist. Wie ist Kilian Lanig eigentlich zum Hebammen-Beruf gekommen? Und welchen Herausforderungen muss er sich täglich stellen? Antworten auf all diese und mehr Fragen gibt es in dieser neuen Podcast-Episode!
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Hier kommen Sie zum Transkript dieser Folge
Moderator:
Schön, dass ihr wieder dabei seid. Ich bin Ralf Podszus, und wir sind bereits bei der 8.000 Euro Frage: Was haben die Berufsfelder Altenpflege, Grundschullehramt und Geburtshilfe gemeinsam?
Stimme aus dem Off:
Das ist schwer. Ich glaube, da müsste ich auf den Publikumsjoker zurückgreifen.
Moderator:
Ja, ihr müsst jetzt als Publikum nicht die Antwort wissen. Ich verrate sie euch einfach mal. Was sich zunächst wie ein Vorurteil anhört, entspricht tatsächlich der Realität: In all diesen Berufen ist die Männerquote erschreckend gering. Während beim Grundschullehramt der Männeranteil noch bei zehn Prozent liegt, sieht es bei den Hebammen schon ganz anders aus. Da sind von den etwa 26.000 Hebammen in Deutschland nur gut 50 männlich. Nicht 50 Prozent. 50. 50 Typen sind nur Hebammen und einer von denen ist heute mein Gast. Kilian Lanig ist Hebamme in einer Klinik in NRW. Was zeichnet ihn aus und was macht ihn besonders? Das hört ihr jetzt in dieser neuen Folge „Inspirierende Menschen im Berufsalltag“.
Jingle:
Herzschlag! Für ein gesundes Berufsleben, der BGW-Podcast.
Moderator:
Herzlich Willkommen, lieber Kilian. Schön, dass du bei mir bist.
Kilian Lanig:
Ja danke, kann ich nur zurückgeben.
Moderator:
Ja, und wir grüßen jetzt mal die 49 anderen männlichen Hebammen, die jetzt nicht am Start sind. Kennst du die alle auch persönlich?
Kilian Lanig:
Nein, leider nicht. Also ich kenne einige, aber noch nicht alle.
Moderator:
Wo trifft man sich immer so als männliche Hebamme?
Kilian Lanig:
Also ich habe zwei Stück bei der Ausbildung kennengelernt, die auch die Ausbildung gemacht haben. Die anderen habe ich mal nur medial quasi getroffen beziehungsweise über soziale Medien.
Moderator:
Aber ihr tauscht euch schon so ein bisschen aus.
Kilian Lanig:
Ab und zu mal.
Moderator:
Wie ist eigentlich die männliche Bezeichnung vom Beruf Hebamme?
Kilian Lanig:
Die heißt jetzt – finde ich zum Glück – mit dem neuen Hebammengesetz auch Hebamme. Vorher war es ein Entbindungspfleger. Ich fand aber, dass die Bezeichnung es nicht mal im Ansatz irgendwie beschrieben hat, und mit dem neuen Hebammengesetz heißt es jetzt ganz offiziell auch für die Männer Hebamme.
Moderator:
Entbindungspfleger, da kommt ja keiner drauf, irgendwie. Da denkt man ja ‚Okay, aber ich will jetzt eine Hebamme haben‘.
Kilian Lanig:
Ich finde auch Entbindungspfleger, zum einen beschränkt. Es ist mehr oder weniger ein bisschen nur auf die Entbindung selbst, also auf die Geburt selbst, aber der Beruf der Hebamme hat ja wesentlich ein größeres Spektrum auch vorzuweisen. Man kann Vorsorge machen, Nachsorge machen, Rückbildungskurse machen, Vorbereitungskurse et cetera und nicht nur die Entbindung. Zum anderen finde ich auch, dass das Pflegen, also man pflegt, auch in gewisser Weise unter der Geburt. Allerdings leitet man eher die Geburt, man begleitet die Geburt. Da finde ich auch das zweite Wort Bindungspfleger dann auch nicht so ganz passend.
Moderator:
Wie fühlst du dich jetzt so als Fast-Unikat?
Kilian Lanig:
Eigentlich ganz normal. Ich mache meinen Beruf. Im Beruf bin ich einfach Hebamme und es gefällt mir auch sehr gut. Ich sehe es eigentlich gar nicht, dass das Geschlecht so arg im Vordergrund steht oder auch stehen sollte auch. Ich mache jetzt meine Arbeit nicht besser und nicht schlechter als jetzt meine weiblichen Kolleginnen.
Moderator:
Bei dir muss ich ein bisschen an diesen berühmten Lottoabbinder denken in den Werbungen immer, wenn am Ende gesagt wird: „Glückspiel kann süchtig machen, Wahrscheinlichkeit, dass man gewinnt 1:144.000.000.000“. Bei dir ist es auch so, einen Männlichen Hebamme zu treffen ist 1:26.000 oder so. Das ist ja schon fast wie so ein Lottogewinn.
Kilian Lanig:
Von der Wahrscheinlichkeit her auf alle Fälle. Ich hatte auch im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit bislang ab und zu mal Situationen, wo wirklich ein Kollege an mich als Kollegen übergeben hat und die Dame hatte dann quasi zwei männliche Hebammen in der Betreuung bei ihrer Geburt. Da ist dann die Wahrscheinlichkeit noch geringer, um es auf deutschlandweit zu beziehen. Schon ein bisschen lustig die Situation.
Moderator:
Das ist wirklich krass, die sollte auf jeden Fall dann Glücksspiel machen. Sie ist dann auf jeden Fall auf Jackpot-Kurs. Was hat sie dazu gesagt? Wie fand sie das?
Kilian Lanig:
Sie fand es eigentlich ganz cool. Sie hat jetzt da nicht damit gerechnet. Aber sie hat es sehr positiv aufgefasst und hat auch gemeint, die Wahrscheinlichkeit ist ja sehr gering. Ich meine, die Frau hat auch an dem Tag ihren Jackpot quasi gehabt, weil es einfach eine schöne Geburt war und der langersehnte Nachwuchs war dann auch da. Ja, das war einfach dann noch glaube ich so etwas Besonderes nebenher.
Moderator:
Schön! Wie bist du Hebamme geworden und warum wolltest du das unbedingt werden? Gab es vielleicht auch jemanden, der dich dazu inspiriert hat?
Kilian Lanig:
Ich hatte zunächst die Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung absolviert und habe dann glücklicherweise in meinem Kindereinsatz, der Teil der Ausbildung davon ist, immer einen Einsatz auf der Wochenbettstation gehabt. Ich muss gestehen, vorher wusste ich zwar, dass die Geburtshilfe existiert und es war halt ein Fachbereich in der Klinik, aber ich hatte damit jetzt vorher noch nie so Bezugspunkte. Erst durch den Kindereinsatz auf der Wochenbettstation habe ich dann gemerkt, es macht zwar auch Spaß die Pflege, aber da ist halt ein Bereich der mehr erfüllend einfach auch ist.
Ich habe dann schon gewusst, also wenn ich in einem Haus bleibe, dann nur auf der Wochenbettstation, weil dort auch Gesundheits- und Krankenpfleger arbeiteten und ich habe dann ein knappes Jahr auf der Wochenbettstation auch gearbeitet. Es hat mich dann schon immer gejuckt, ob ich nicht doch noch die Hebamme draufsetzen soll. Ich habe mich dann doch dazu entschlossen die Hebamme noch draufzusetzen, weil es mir einfach ein bisschen zu wenig war. Diese zwei, drei Tage postpartal, also nach der Geburt, dann die Frauenbetreuung zu können, sondern ich wollte einfach auch die Frauen vorher, nachher und auch während der Geburt betreuen können.
Moderator:
Es hat dich gejuckt, das finde ich ganz cool. Was war so der Auslöser, dass du das auch unbedingt machen wolltest? Wie bist du denn da hängen geblieben?
Kilian Lanig:
Ich finde einfach die Geburt, das ist ein ganz anderer Bereich im Gesundheitswesen. Also meistens im Krankenhaus hat man ja primär mit Krankheit zu tun, nein, auch mit Gesundheit. Das heißt auch Gesundheits- und Krankenpfleger. Aber das ist ein ganz anderer Lebensbereich, in dem man da die Familie betreuen kann. Es ist einfach so ein erfüllender Bereich, so ein positiver Bereich, wenn endlich mal die Familie erstmal gegründet wird oder erweitert werden kann. Das ist einfach eine ganz andere Lebensphase und ist auch ein ganz spezielles Lebensereignis.
Also, jeder der Kinder hat, kann es glaube ich nachvollziehen, dass Sachen, die vorher komplett wichtig waren, auf einmal komplett nichtig geworden sind, einfach wenn dann der Nachwuchs da ist. Es ist einfach schön in diesem Bereich quasi die Frauen und Familien betreuen zu können, und man kann auch sehr viel finde ich erreichen, wenn man einfach positiv da auch rangeht. Da kann man fast das ganze, würde ich mal sagen, das ganze Leben von der Familie prägen, wenn die einfach einen guten Start hat.
Moderator:
Man bleibt auch in Erinnerung, auf jeden Fall, weil das ebenso ein besonderer Moment ist.
Kilian Lanig:
Auf alle Fälle. Es kommt immer ein bisschen auf die Situation glaube ich drauf an. Aber auch wenn es eine positive Erinnerung ist, quasi die Geburt war ganz schön und ich habe eine super Betreuung, dann ist da glaube ich schon sehr viel erreicht und man konnte da auch sehr gut weiterhelfen.
Moderator:
Bekommt man denn als männliche Hebamme auch wie die weiblichen Hebammen ständig immer irgendwie Kuchen oder die Dankesschokolade zugereicht? Ja, oder werden bei dir die Kurzen gereicht? Hier noch ein Schnäppchen, hast du gut gemacht, Junge.
Kilian Lanig:
Nein, ich glaube, das trauen sich die Familien nicht so ganz. Ab und zu mal gibt es ein Sektchen oder so, aber ist jetzt egal aufs Geschlecht bezogen, ich glaube dann auch auf das ganze Team. Ich glaube, es ist so wie im gesamten Krankenhaus, es ist meistens so eine Merci-Packung, also die alle, die im Krankenhaus arbeiten bekommen.
Moderator:
Ich glaube die Firma gibt es nur noch, weil es immer im Krankenhaus diese Schachteln tonnenweise zu verschenken gibt.
Kilian Lanig:
Manchmal gefühlt ja. Man freut sich natürlich trotzdem riesig drüber, aber es ist doch eher die Schokolade und dann ist auch immer schwierig, ehrlich gesagt nicht zuzunehmen. Warte mal, stopp mal kurz zwischen Tür und Angel, wenn man kurz eine Minute Zeit hat, dann doch mal da reingereift und dann doch ein bisschen mehr Schokolade isst als man eigentlich gewollt hätte, ne?
Moderator:
Mir hat mal eine Hebamme erzählt, bitte keine Schokolade, weil sie kriegen täglich so viel Schokolade geschenkt. Das ist lieb gemeint, aber dann könnten sie irgendwann nicht mehr geradeaus gehen.
Kilian Lanig:
Man muss da wirklich standhaft bleiben, so viel kann ich mal zu sagen, dass man da jetzt nicht so viel Schokolade quasi dann isst.
Moderator:
Wolltest du ursprünglich auch mal Arzt werden, denn du hast im Ausland studiert, aber dann ist das irgendwie alles ganz anders gekommen?
Kilian Lanig:
Genau, es hat sich ein bisschen schwieriger bei mir gestaltet. Ich bin leider vom Zeitlichen her in sehr viele Veränderungen rein geraten. Ich habe Abitur 2010 gemacht und hatte dann einen Sportleistungskurs, damals noch im Leistungskurssystem. Ich hatte leider einen Unfall, wo auch eine Fraktur dann als ein Knochenbruch mit dabei war. Ich bin vom Numerus Clausus etwas abgerutscht und musste dann aufs Ausland ausweichen. Ich hab dann dort ein paar Semester studiert und wollte gerne nach Deutschland wieder wechseln. Allerdings hat es mit der Anrechnung ein bisschen gehapert, dass es mir nicht angerechnet worden ist, meine Studienleistungen.
Moderator:
Du hast zwar Jahre lang im Ausland studiert, aber hier hieß es ‚Nö, zählt nicht‘.
Kilian Lanig:
Genau, es wurden nicht alle Scheine anerkannt. Es hat dann leider nicht dazu gereicht, dass ich dann quasi als Quereinsteiger zählen konnte. Deswegen hat der NC für mich damals noch gegolten und damals war es ja noch ein bisschen mit Warteliste und anderen Verfahren, die heute geupdatet worden sind oder anders gehandhabt werden. Aber ich bin auf der anderen Seite auch gar nicht so böse drum, weil ich habe da Gottvertrauen und Gottes Wege sind unergründlich. Es war auf alle Fälle eine Erfahrung. Und auch Lebenszeit, die da ziemlich drauf ging, muss ich sagen. Aber ich glaube, ich wäre jetzt nicht in die Geburtshilfe, in den Bereich der Geburtshilfe, in diesem wunderbaren Bereich vielleicht gelandet. Im Endeffekt hätte ich es dann bitterlich bereut, glaube ich, hätte ich dann gewusst, was mir da entgangen wäre.
Moderator:
Am Ende ist es dann doch Fügung und jetzt bist du einer von 50 männlichen Hebammen in Deutschland. Würdest du dir gerne mehr männliche Kollegen wünschen?
Kilian Lanig:
Ich glaube, das ist wie so in jeder Sparte. Ich glaube, gleichgeschlechtliche Teams kriegen immer ein bisschen mehr Unruhe, würde ich jetzt mal sagen mit sich. Ich glaube, wenn da ein bisschen eine Durchmischung vom Team einfach ist, bringt es auch eine wahnsinnige Ruhe auch teilweise rein. Ich würde mir wünschen, dass generell im Hebammenwesen mehr männliche Kollegen mit dabei sind, weil einfach auch viele Männer, glaube ich, den Beruf der Hebamme gar nicht auf dem Schirm haben und es ist so ein toller Beruf oder auch Zweig. Ich finde es schade, dass so wenige dann erst mal nur Kontakt mit dem Beruf der Hebamme haben, wenn sie selber Vater werden und da ist ja meistens die Berufsausbildung schon abgeschlossen. Ich finde es einfach schade, dass so wenig Männer den Bereich für sich vorab entdecken können.
Moderator:
Welchen Vorteil bringst du jetzt als Mann in der Geburtenhilfe mit? Ganz ehrlich, ich könnte mir auch vorstellen, dass Frauen lieber von Frauen in ihrem Intimbereich behandelt werden wollen. Nicht jede Frau mag auch männliche Frauenärzte zum Beispiel.
Kilian Lanig:
Ich glaube, es wiegt ja ein bisschen, wer auch die Wahl hat. Auf der einen Seite behandle ich primär die Person an sich und nicht den Körper. Ich behandle die Person, wie sie ins Krankenhaus kommt und die hat zwangsläufig einen weiblichen Körper einfach. Gehört dann natürlich dazu. Aber primär behandle ich einfach die Person. Ich glaube, so Vorteile, Nachteile, es hat beides so ein bisschen sein Für und Wider, wenn es einem wichtig ist, das Geschlecht von der Hebamme. Als Mann hat man glaube ich definitiv einen bisschen besseren Draht zu den Vätern teilweise, weil einfach die Väter, gerade wenn es das erste Kind ist, für die alles auch ziemlich neu ist.
Ich glaube, sie sind dann so ein bisschen froh drum, wenn dann auch ein anderer Mann mit im Kreißsaal ist und weiß, da ist einer, der weiß, was hier los ist, wie es vonstattengeht. Da werden glaube ich auch so ein bisschen die Ansagen, Tipps besser beherzigt, würde ich jetzt mal so formulieren. Ich glaube, da tun sich die Männer dann ein bisschen leichter. Da hat man vielleicht einen kleinen Vorteil. Auf der einen Seite haben die weiblichen Kollegen auch andere Vorteile, gerade einfach weil sie eine Frau sind. Man muss sich als Mann schon ein bisschen mehr profilieren, würde ich mal sagen, im Berufszweig bis man dann mal so das Vertrauen gewonnen hat.
Moderator:
Welche Herausforderungen begegnen dir denn in deinem Alltag im Krankenhaus? Hattest du auch schon mal mit Skepsis von werdenden Müttern gegenüber dir als Mann zu kämpfen oder gehen da alle sehr entspannt damit um?
Kilian Lanig:
Ja, ich glaube teils-teils. Ich glaube, es ist auch wie bei anderen männlich prädestinierten Berufsgruppen auch eher so, dass wenn eine Elektrikerin kommt, dass auch erstmal vielleicht manche da ein bisschen skeptisch sind. So ist es glaube ich bei der Hebamme genauso. Als männliche Hebamme kommt, ganz selten muss ich sagen, was ich sehr verwunderlich eigentlich finde, diese neutrale Auffassung, wo man sagt: ‚Okay, das ist meine Hebamme, fertig‘. Die kommt relativ selten, finde ich eigentlich. Also meistens ist so ein bisschen Verwunderung mit dabei und auch die Skepsis auch mit dabei. Viele zeigen es auch erstmal und sagen dann nach der Betreuung oder nach der Entbindung: „Ich war ja am Anfang schon ein bisschen skeptisch und mir war das zu peinlich zu sagen.“
Aber es sind alle fast durch die Bank weg im Nachhinein sehr froh drum gewesen. Es wurde auch klar ja, ich weiß gar nicht warum ich mir überhaupt nen Kopf darüber gemacht habe, ob meine Hebamme jetzt eine Frau oder ein Mann ist. Da wird dann klar, dass erstmal diese Vorurteile da sind und diese Skepsis und dann im Nachhinein, weil es absolut unbegründet gewesen war. Es geht ja darum ein gutes schönes Geburtserlebnis zu haben, dass das Kind gut zur Welt kommt und nicht darum, welches Geschlecht jetzt die betreuende Hebamme hat.
Moderator:
Ich finde auch, das ist einfach so eine Situation, es kommt auf die Arbeit an, irgendwie. Du kannst es bei der professionellen Zahnreinigung sehen, ist ja eigentlich egal, ob das jetzt ein Mann oder eine Frau macht oder Massage, Krankengymnastik. Wenn die Chemie stimmt, wenn das einfach coole Menschen sind, die Ahnung vom Fach haben und das sympathisch ist, dann passt das doch einfach, oder?
Kilian Lanig:
Ich denke auch. Das Wichtigste ist einfach die Empathie und die Fachkompetenz bei den Berufen, dass man da wirklich mit Herzblut auch dran ist. Wenn man das nur so halbherzig macht, der Bereich ist dafür, würde ich mal sagen, überhaupt nicht geeignet. Wenn man da jetzt nicht voll dahinter steht.
Moderator:
Es ist halt nur so alles, was direkt am Körper dran ist. Das ist natürlich immer sehr intim und da überlegt man natürlich auch mal hier, jetzt ist es ein Typ, jetzt ist das eine Frau. Mitunter ist es halt einfach automatisch komisch, auch wenn man gar nicht ein Vorurteil haben möchte.
Kilian Lanig:
Ich kann mir auch vorstellen, dass es gewöhnungsbedürftig ist, würde ich mal sagen, für wen es so wichtig ist. Aber es ist auch wichtig, dass man einfach auch weiß, man ist im geschützten Raum und die Hebamme, egal ob Männlein oder Weiblein, die ist jetzt einfach hier, um mich ja zu unterstützen und in meinem Geburtserlebnis oder meiner Geburt selber das Beste draus zu machen und zu achten, dass es auch einem Kind gut geht, das es mir gut geht. Das bei der Geburt alles gut vonstattengeht. Das ist ja erstmal die Hauptsache. Dass es ein Mann ist oder so, ist glaube ich dann echt wirklich sekundär und ich glaube, viele merken es dann auch relativ schnell auch einfach.
Moderator:
Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus? Nimm uns mal mit in deinen Alltag ins Krankenhaus und du hattest ja gerade erst jetzt genau vor der Podcast-Aufnahme hier eine Geburt gehabt.
Kilian Lanig:
Ja, und ich bin im Drei-Schicht-System tätig im Krankenhaus und habe dann wieder Frühdienst. Es ist wie bei der Pflege ganz ähnlich, wenn man erst mal zur Arbeit hinkommt, gibt es eine Dienstübergabe vom Vordienst. Dann wird übergeben, was alles ansteht, welche Frauen gerade im Kreißsaal zum Beispiel sind, auf was bei den Frauen, die im Krankenhaus momentan stationär stationiert sind, geachtet werden muss. Dann CTG-Kontrollen, Begleitung bei der Geburt, ist natürlich primär das Größte oder auch zum Beispiel bei Einleitungen. Wenn manche Geburtseinleitungen gemacht werden, weil zum Beispiel das Kind schon ein bisschen groß geworden ist und so langsam die Geburt angestrebt werden sollte, dann kann man ein bisschen nachhelfen.
Wenn die Frauen dann sich langsam einwehen, ist dann die Betreuung von der Frau im Kreißsaal, dann ist das primär. Ich mache noch ab und zu mal ein Paar Vor- und Nachsorgen. Aber aufgrund des stressigen Krankenhausalltags muss ich sagen, bisschen limitierter. Manchmal ist es auch so, dass ich nach dem Frühdienst noch zu Frauen im Wochenbett vorbeikomme, noch Wochenbett-Betreuung mache. Es kommt wirklich alles so dazu oder auch Vorsorgen, wenn das Kind für einen Entbindungstermin noch ein bisschen in der Ferne ist, dass man da vorher guckt, dass man die Herztöne nachschaut, ist alles in Ordnung und vom Wachstum her alles passt und so Urin-Untersuchungen. Dass man das alles begutachtet, dass da alles gut vonstattengehen kann.
Moderator:
Hast du auch schon so eine Oster-, Heiligabend-, Weihnachts- oder Silvestergeburt gehabt?
Kilian Lanig:
Nein, ehrlich gesagt nicht. Da war meistens komischerweise genau um die Zeit herum wenig los. Ist auch nur sehr faszinierend, finde ich grad bei Silvester oder so.
Moderator:
Ich hatte damals mal als Reporter das Millennium-Baby begleitet, da war der Jahrtausendwechsel 1999 zu 2000 und da hat eine Mutter tatsächlich Zwillinge gekriegt. Das eine ist noch 1999 kurz vor Mitternacht zur Welt gekommen und das andere dann 2000. Da ist ein Jahrtausend dazwischen zwischen den beiden Zwillingen.
Kilian Lanig:
Ja, na gut, aber auch ein anderes Geburtsjahr. Ist dann auch komisch, oder?
Moderator:
Ich will gar nicht diesen behördlichen Stress, den die wahrscheinlich auf sich nehmen müssen als Zwillinge mit 1999 und 2000, wahrscheinlich in Deutschland schwierig.
Nun hast du dich aktiv dafür entschieden, mit deiner Rolle als männliche Hebamme in die Öffentlichkeit zu treten. Du warst bereits bei mehreren Fernsehsendungen zu sehen. Es gibt auch zahlreiche Artikel über dich. Wie kamst du dazu und war es für dich persönlich ein leichter Schritt oder hast du dich damit anfangs schwer getan oder schieben dich die anderen 49 immer vor die Kamera – ein Glück der redet jetzt wieder.
Kilian Lanig:
Es sind ja einige männliche Kollegen auch vertreten medial. Ich finde es also auf der einen Seite, wenn ich ganz ehrlich bin, ein bisschen schade, dass man vielleicht noch mehr Anfragen bekommt, weil man eine männliche Hebamme ist. Ich finde es wirklich schade, dass man einfach als Mann dann mehr in den Vordergrund rutscht, wo man dann einfach so diesen Beruf da gewählt hat als einer der wenigen Männer. Für mich ist einfach das Geschlecht da wirklich sekundär. Es soll jeder den Beruf machen, der einem Spaß macht und wo man einfach mit Herzblut dahinter ist. Auf der anderen Seite muss ich sagen, würde ich gerne den Beruf auch ein bisschen näher bringen und dadurch dann auch ein bisschen nutzen, dass vielleicht mehr Männer auch einfach mal mit dem Beruf vielleicht in Kontakt kommen. Sich vielleicht auch mal überlegen ‚Vielleicht könnte ich Hebamme werden oder mal reinschnuppern? Vielleicht wär das ja für mich einfach was.‘
Das ist so ein bisschen auch ein Hebammenberuf, der an sich auch ein bisschen präsenter in der Öffentlichkeit ist. Es war ja auch in der Vergangenheit ein bisschen, Krankenhausbezahlung und Pflege wird ja auch wahnsinnig unterbezahlt, und die Hebammen werden auch unterbezahlt für das was die leisten. Was man da so im ambulanten Besuch zum Beispiel bekommt ist rein netto gesehen sehr wenig und da wollte ich eigentlich auch diese Chance ein bisschen nutzen, den Beruf ein bisschen sympathisch auch rüberbringen zu können. Dass sich doch noch mehr, egal welchen Geschlechtes mehr Kolleginnen oder Kollegen sich dann finden und vielleicht einfach den Berufsweg einschlagen werden, Hebamme machen zu holen.
Moderator:
Was macht dir am meisten Freude in deinem Job?
Kilian Lanig:
Da gibt es sehr viele Sachen.
Moderator:
Geld klammern wir jetzt schon mal aus, habe ich eben gehört.
Kilian Lanig:
Also, was mich am meisten erfüllt ist wirklich, dass man die werdenden Familien in dieser schönen und sehr speziellen Lebensphase begleiten kann. Das ist wirklich so das, was den Beruf so schön macht, finde ich.
Moderator:
Fragen dich deine männlichen Freunde vor der Geburt ihres Nachwuchses auch so ordentlich aus, so von Mann zu Mann. „Hey Kilian, kann ich ja meine Frau nicht fragen, aber ich weiß nicht, ich habe schon wieder vergessen, wie ist noch mal das und muss ich noch mal und alles?“ Gibt es das so.
Kilian Lanig:
In meinem Umkreis ehrlich gesagt ein bisschen weniger. Also ich kriege meistens sehr, ich glaube bei vielen weiblichen Kollegen ist das das Allergleiche, dass man so kurz vor knapp damit irgendwelche Fragen in der Schwangerschaft kommt. Ja, der ist Hebamme, dann kannst du dich mal kurz fragen. Das ist dann eher so Sachen, wo du privat angefragt wird. Wie ist denn das und wo muss man sich melden und wie geht es im Krankenhaus voran oder was braucht man? Was müssen wir da mitnehmen? Oder wie suche ich am besten die Entbindungsklinik oder Geburtshaus aus mit?
Moderator:
„Meine Frau hat mich noch angesprochen. Hast du jetzt auch die Tasche für den Tag, falls der Tag X kommt, alles richtig eingepackt und ich weiß gar nicht mehr, was alles dazukommt. Also Kilian, hilf mir“. Gibt es das?
Kilian Lanig:
Ja, gibt es auch. Das ist so Akutsituation, hatte ich jetzt persönlich noch nicht, aber ich glaube der Tag wird auch kommen und ich muss auch gestehen: Ich habe Angst, dass ich selber wenn ich dann Vater endlich mal werde, dass ich selbst nichts vergesse.
Moderator:
Aber du bist ja noch gar nicht Papa, ja. Hast du schon deine „Misses Right“ gefunden für das kommende Kind?
Kilian Lanig:
Die hab ich schon gefunden jetzt zum Glück.
Moderator:
Wie viele Kinder sollen es mal werden? Man, man weiß ja nie, wie sich alles entwickelt, aber man hat ja so Wünsche.
Kilian Lanig:
Der Traum ist wirklich vier Kinder einfach. Ich komme auch selber aus einer Großfamilie, habe drei Geschwister und wahnsinnig viele Cousins und Cousinen. Vier Kinder, das haben wir auch schon direkt als erstes abgeklärt. Da sind wir uns komplett einig.
Moderator:
Interessant war das so ein Blitz-Dating und dann gleich beim zweiten Date: „Ich bin Kilian und ich möchte vier Kinder“ oder was?
Kilian Lanig:
Ja, kann man sich eigentlich im Prinzip so vorstellen.
Moderator:
Alles klar.
Kilian Lanig:
Die richtige Einstellung, christliche Einstellung und mit vier Kindern, also man weiß halt nie, wie es kommt.
Moderator:
Ich wünsche euch dafür auf jeden Fall alles Gute. Dann fangt doch einfach mit dem ersten Kind an oder einfach gleich Vierlinge, dann ist es auch rum ums Eck.
Kilian Lanig:
Wenn es möglich ist gerne.
Moderator:
Ist glaube ich sehr anstrengend, auch schon die Geburt.
Kilian Lanig:
Ja, denke ich schon.
Moderator:
Hast du schon Mehrlingsgeburten auch gehabt?
Kilian Lanig:
Ich hatte drei-, viermal schon Zwillingsgeburten. Drillinge hatte ich noch nie. Mehr als Zwillinge waren es noch nicht. In Betreuung ja, aber noch nicht bei der Geburt. Ja, das ist schon noch ein bisschen andere Sache. Wenn es geht, ist man da auch auf alle Fälle mit zwei Hebammen da, also mit einer Kollegin noch, weil der eine muss ja sich um das eine Kind schon mal kümmern, falls da was sein sollte und dann kommt noch das nächste Kind. Dass man da das gut machen kann.
Moderator:
Der Kreißsaal wird da voller. Ja, was sind deine persönlichen und beruflichen Ziele für die Zukunft? Gibt es so spezielle Projekte, die bei dir anstehen?
Kilian Lanig:
Eigentlich so, wie ich es gerade momentan mache.
Moderator:
Klingt zufrieden.
Kilian Lanig:
Also, ich bin da wo ich eigentlich sein möchte. In Zukunft vielleicht auch Praxistechnisch ein bisschen was ausbauen oder ein bisschen was mehr machen und so ein bisschen verlagern. Aber in der Geburtshilfe möchte ich auf alle Fälle bleiben. In der effektiven, von der Geburt an sich und das andere Vor- und Nachsorgen vielleicht ein bisschen mehr machen oder mehr Kurse. Eigentlich bin ich genau da, wo ich gerade sein möchte.
Moderator:
Stichwort Kurse. Wenn du die Möglichkeit hättest, in der Ausbildung von Hebammen eine Veränderung vorzunehmen, was wäre das dann? Oder bist du voll zufrieden mit der Ausbildung, so wie sie jetzt ist?
Kilian Lanig:
Momentan ist es ziemlich aktuell, weil sie umgestellt worden ist mit dem neuen Hebammengesetz. Sie ist ja akademisiert worden. Es ist ziemlich viel Theorieteil dort. Es wird sich noch ein bisschen herausstellen, ob das jetzt so vorteilhafter im Vergleich zur Ausbildung ist. In der Ausbildung hat man wesentlich mehr Praxis gehabt. Es hat alles ein Für und Wider. Da muss man echt die nächsten Jahre ehrlich gesagt abwarten, wie der bessere Berufsstart für die werdenden Kollegen und Kolleginnen ist, also Kolleginnen und Kollegen muss man sagen.
Moderator:
Ist eine schwere Geburt offenbar.
Kilian Lanig:
Ja, definitiv. Die meisten Schulen mussten ja jetzt umstellen. Also, alle Schulen mussten umstellen. Das sind jetzt so ein paar Startschwierigkeiten glaube ich bei manchen Institutionen gewesen und da wird es jetzt herausstellen, wie sich das so ein bisschen akklimatisiert, wenn alles mal ein bisschen eingependelt ist.
Moderator:
Bei jeder Folge „Inspirierende Menschen im Berufsalltag“, da gibt es die Rubrik „Sätze vervollständigen.“ Ich gebe dir jetzt mal Sätze vor und du beendest sie.
Kilian Lanig:
Alles klar.
Moderator:
Dann geht's los. Mein Traumberuf als Kind war?
Kilian Lanig:
Pilot.
Moderator:
Eine Eigenschaft, die jede Hebamme haben sollte, ist?
Kilian Lanig:
Empathie.
Moderator:
In meiner Freizeit entspanne ich am liebsten, indem ich?
Kilian Lanig:
Spazieren gehe.
Moderator:
Wo gehst du so spazieren?
Kilian Lanig:
Im Wald, am See.
Moderator:
Das Schönste, was ich im Job je erlebt habe, ist?
Kilian Lanig:
Die Geburt eines Menschen.
Moderator:
Das habe ich als männliche Hebamme schon tausendmal gehört?
Kilian Lanig:
Tausendmal, weiß ich nicht genau.
Moderator:
Hundertmal.
Kilian Lanig:
Ach, sind sie jetzt meine Hebamme?
Moderator:
Ach, Sie als Typ oder wie?
Kilian Lanig:
Das lasse ich mal im Raum stehen.
Moderator:
Lieber Kilian, vielen Dank, dass du dabei warst. Sehr interessant, finde ich klasse, dass du das machst. Und ja, ihr habt‘s gehört, liebe männlichen Zuhörer, dann mal los: Hebamme kann man auch als Mann.
Kilian Lanig:
Absolut.
Moderator:
Wenn ihr noch mehr Infos zu Kilian und seinem Werdegang haben wollt, vielleicht habt ihr ja auch Lust, Hebamme zu werden. Wir haben drüber gesprochen, dann schaut in die Show-Notes dieser Podcast-Folge, da gibt es dann auch unter anderem eine Verlinkung zu Kilians Instagram-Profil. Noch mehr Infos und alle anderen Podcast-Folgen findet ihr auch auf der Website der BGW www.bgw-online.de/podcast. Ja, das war es mal wieder mit „Inspirierende Menschen im Berufsalltag“. Ich bin Ralf Podszus und ich freue mich auf euch in der nächsten Podcast Folge. Bis dahin.
Jingle:
Herzschlag! Für ein gesundes Berufsleben, der BGW-Podcast.
Interviewgast
Kilian Lanig
Hebamme
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