Wie digitale Technologie die Pflege unterstützt #42 BGW-Podcast "Herzschlag - Für ein gesundes Berufsleben"
Welche Chancen und Herausforderungen bringt die Digitalisierung mit sich?
Moderne Technologien sind in der Pflege angekommen, und zwar – laut den BGW-Befragungsergebnissen – in größerem Umfang als bislang angenommen.
Wir sprechen in dieser Podcast-Folge mit Expertinnen und Experten, die uns einen Blick in Richtung Zukunft gewähren. Dabei haben wir ein besonderes Augenmerk auf die pflegerische Arbeit in den verschiedenen Settings und schauen, wo sich durch den Einsatz von Technik Mitarbeitende im Gesundheitsdienst erheblich unterstützen lassen. Außerdem sprechen wir über die Herausforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt.
Hier kommen Sie zum Transkript dieser Folge
Block 01: Begrüßung und Einleitung
Moderator: Eine Welt ohne Smartphones, Computer oder Digital Features? Können wir uns gar nicht vorstellen, oder? Ob im Privatleben oder in der Arbeitswelt, mittlerweile sind wir überall und in jeder Lebenssituation vernetzt. Und nicht nur das: Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung, setzen immer mehr Branchen auf digitale Kompetenz. 62% der Stellenanzeigen setzen Digitalisierung im Beruf voraus, bei denen diese zunächst eine geringe Rolle gespielt hat. Dazu gehört auch das Gesundheits- und Sozialwesen. Wie es in Sachen Digitalisierung in der Pflege aussieht und wie die IT-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlastet werden können und welche Innovationen auf uns in der Zukunft warten, darüber sprechen wir in dieser Podcast Folge. Ich bin Ralf Podszus, schön dass Sie dabei sind.
(Podcast-Opener)
Block 02: Interview mit Dr. Meiko Merda, Thomas Heine und Dr. Sandra Evans
Moderator: Die moderne Technologie erobert das Gesundheitswesen. Aus analog wird digital. Und das bringt auf der einen Seite Entlastung, auf der anderen Seite stellt es Arbeitnehmende und Führungskräfte vor Herausforderungen. Die BGW hat in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der Offensive "Gesund Pflegen", die Studie Pflege 4.0 auf die Beine gestellt. Sie beschäftigt sich mit diesen Themen und wirft einen Blick in die Zukunft der digitalisierten Pflege. Über die Studie und den Digitalisierungsprozess in der Pflege, spreche ich jetzt mit Doktor Meiko Merda. Hallo!
Dr. Meiko Merda: Einen schönen guten Tag.
Moderator: Doktor Meiko Merda ist Gesundheitswissenschaftler und Soziologe und Inhaber von Meme. Was bedeutet genau: Meme?
Dr. Meiko Merda: Meme nehme ist mein Unternehmen und das setzt sich zum einen aus meinem Vor- und Nachnamen zusammen, Meiko Merda, also "Me" und Me". Das ist das eine, aber Meme ist auch der Plural eines Memes. Und das ist etwas Lustiges, faszinierendes, beklopptes oder schockierendes, dass jeder im Internet schon mal irgendwo gesehen hat. Weil es von ganz anderen Usern als Text Grafik oder so, verbreitet worden ist. Nun möchte ich natürlich nicht mit meiner Unternehmung Witze verbreiten, aber wissenschaftliche Erkenntnisse Forschung schon. Und das ist das, was ich machen möchte. Meine Vision also. Ich biete nämlich Bildungsangebote an und führe Forschungen durch. Und zwar nicht nur zu einem Selbstzweck, sondern es sollen möglichst viele Menschen davon profitieren. Meine eigenen Ideen möchte ich also weitergeben und das zu den Themen: Kulturelle Bildung und Digitalisierung.
Moderator: Als ich vor ein paar Jahren für ein paar Tage im Krankenhaus war, da kam die Krankenschwester noch mit einem riesigen Papier Ordner in mein Zimmer, in dem alle meine Befunde drinstanden. Das war und ist in vielen Einrichtungen auch heute noch Alltag. Es gibt jedoch auch Krankenhäuser und ambulante Pflegedienste, bei denen hierfür Computer zum Einsatz kommen. Es wird also schon digitaler. Wie digital ist die Pflege denn heute? Was sagt Ihre Studie?
Dr. Meiko Merda: Die Frage ist nicht ganz so einfach zu beantworten, weil es ja davon abhängig ist, womit wir die Pflege in Deutschland vergleichen. Als erstes kann man wohl sagen, dass die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens im internationalen Vergleich schon deutlich hinterherhängt. Die Bertelsmann Stiftung hat dazu beispielsweise mal eine Studie gemacht. Da lag das deutsche Gesundheitswesen auf Platz 16 von 17 Ländern. Also ganz weit hinten (Moderator: Oh Mann). Auch im Branchenvergleich sieht es nicht viel besser aus. Das untersucht unter anderem das Bundeswirtschaftsministerium mit seinem Monitoring Report Wirtschaft digital. Dabei wird mit jeweils einer Kennzahl gemessen, wie weit die Digitalisierung in den deutschen Unternehmen fortgeschritten ist. Und da ist das Gesundheitswesen sogar Schlusslicht. Aber wir unterhalten uns ja nicht über das Gesundheitswesen, sondern über die Pflege. Und zu dieser ist ja ganz häufig die Meinung, dass sie ganz besonders bei der Digitalisierung hinterher hängt. Also noch mehr als das ganze Gesundheitswesen.
Moderator: Noch mehr als Schlusslicht, das ist eigentlich schon gar nicht mehr möglich dann.
Dr. Meiko Merda: Ja, ist kaum messbar. Und das ist teilweise auch so, dass die Pflege hinterherhinkt, insbesondere in Bezug auf die Automatisierung von Prozessen, weil das in der Pflege sehr, sehr häufig nicht so einfach ist. Aber, und da sind wir nun bei der Studie Pflege 4.0 der BGW, auch in der Pflege hält die Digitalisierung zunehmend Einzug. Laut unserer Befragungsergebnisse hatten eigentlich alle Einrichtungen PCs im Einsatz und knapp drei Viertel, eine digitale Dokumentation. Und das wirklich nicht nur in Krankenhäusern. Auch Pflegeheime hatten ähnlich oft digital dokumentiert. Dabei sind unsere Ergebnisse nun schon mehr als vier Jahre alt. Da hat sich insbesondere in der jüngsten Vergangenheit, durch Corona, ganz viel getan. Wir telefonieren mit der Oma im Pflegeheim immer häufiger über WhatsApp und immer mehr Pflegekräfte und Ärzte teilen Befunde per Telemedizin. Die Digitalisierung in der Pflege ist also vielleicht nicht so weit fortgeschritten, wie in anderen Ländern und in anderen Branchen, aber sie ist definitiv angekommen und sie wird von den Beschäftigten angenommen. Wenn sie denn nützt. Und sie schreitet weiter voran und das ist auch so, ganz unabhängig von Corona.
Moderator: In der Pflege wird die Belegschaft immer älter und es gibt kaum Nachwuchs. Infolgedessen gibt es laut der Studie häufig Muskel-Skelett-Beschwerden. Also zum Beispiel chronische Rückenschmerzen. Woran liegt das und wie kann digitale Technologie hier helfen?
Dr. Meiko Merda: Rückenschmerzen standen bei unserer Studie nicht zu sehr im Vordergrund. Aber sie resultieren in der Pflege häufig aus Fehlbelastung. Die Folge sind Erkrankungen und viele Pflegekräfte müssen weit vor ihrem eigentlichen Renteneintritt aus dem Beruf ausscheiden. Digitale Lösungen sind da vielleicht nicht das Erste, an das man denkt. Stress führt aber beispielsweise zu Verspannungen, Fehlhaltung und damit zu Rückenbeschwerden. Und eine gute Prozessplanung in der Pflege kann Pflegekräfte vielleicht ein wenig entlasten, den Stress verringern. In einem anderen Projekt mit der Uni Tübingen haben wir uns außerdem die Auswirkungen des Einsatzes von sogenannten Exoskeletten in der Pflege angeschaut. Exoskelette sind Orthesen, die kraftunterstützend wirken, und die man sich so ähnlich anziehen kann, wie einen Rucksack. Da gibt es ganz unterschiedliche Lösungen und die meisten würde man eher als Hilfsmittel bezeichnen. Es gibt die aber auch mit elektromechanischer Unterstützung. Und Pflegekräfte fanden die meistens gut, insbesondere zur Förderung einer rückenschonenden Haltung. Also dass man Bewegung ergonomisch ausführt. Ich denke, da gibt es schon enormes Potential.
Moderator: Elektronische Dokumentationen, Tele Care, Telemedizin, technischer Assistenz und Robotik, das sind vier wichtige Fokustechnologien für die Digitalisierung der Pflege. Was für Vorteile haben diese Fokustechnologien für Beschäftigte?
Dr. Meiko Merda: Zumindest haben wir uns bei der Studie Pflege 4.0 überlegt, was denn wichtige Technologien in der Pflege sind. Und uns dann auf diese Bereiche verständigt. Als Erstes die elektronische oder digitale Dokumentation. Da haben wir herausgefunden, dass sie in erster Linie nicht deshalb von den Beschäftigten begrüßt wird, weil sie Zeit spart. Aber wenn die Ergebnisse digital vorliegen, sind sie leichter für andere einsehbar und abrufbar. Man kann dann Befunde, Anamnesen leichter teilen. Die Zusammenarbeit im Pflegeteam kann sich also verbessern und weil jeder auf die Dokumentation Zugriff hat, lässt sie sich auch leichter mit dem Physiotherapeuten oder mit dem Arzt teilen. Telemedizin, da sind wir bei dem zweiten Bereich, hat vielleicht den größten Sprung gemacht, während der Pandemie. Sie wird mittlerweile erstattet. Pflegekräfte nutzen sie allerdings noch relativ wenig. Es gibt in Deutschland noch keine E-Nurses, die aus einer Art Call Center oder von Zuhause aus den Patienten behandeln. Sowas gibt es schon vereinzelt in anderen Ländern. Aber die Potentiale von Telemedizin sind riesig. Es wäre in vielen Pflegeheimen eine enorme Arbeitserleichterung, wenn die Pflegekraft Befunde live mit einem Arzt austauschen könnte. Zum dritten Bereich, den wir uns näher angeschaut haben, technische Assistenz oder Ambient and Assisted Living kurz AAL, zählen Lösungen, die Ihnen gleich noch Frau Doktor Evans und Herr Heine vorstellen werden. Das sind meistens solche Dinge, die in der häuslichen Umgebung eingesetzt sind und die einen längeren Verbleib in den eigenen vier Wänden ermöglichen sollen. Und das können Sie ja auch. Sie können einem nämlich das Leben erleichtern, sie sorgen für mehr Sicherheit, sie können auch für mehr gesellschaftliche Teilhabe sorgen. Da sprechen wir beispielsweise von Sturz-Sensorik, von Dusch-WCs, oder von einer automatischen Herdabschaltung. In Einrichtungen des Gesundheitswesens können beispielsweise intelligente Matten vor die Betten von Patienten und Pflegebedürftigen gelegt werden, um Weglauf-Tendenzen zu erkennen und Pflegekräfte bei der Wahrnehmung ihrer Fürsorgepflichten zu entlasten. Wir haben mal in einer Untersuchung errechnet, dass das Umsatzpotenzial von AAL in Deutschland und, halten Sie sich fest, bei über 70 Milliarden Euro liegt. Kommen wir zum letzten Bereich: Robotik. Robotik kommt heute noch sehr wenig in der Pflege zum Einsatz, aber auch hier gibt es Potentiale. Nicht unbedingt für den humanoiden Roboter, der die direkte Pflege übernimmt, aber für robotische Systeme, die voll automatisiert Routine Tätigkeiten im Hintergrund übernehmen. Es gibt in einigen Kliniken heute schon fahrerlose Transportsysteme die Sterilgut, Wäsche, usw. auf die Station über eigene Aufzugschächte bringen. Das finden Beschäftigte natürlich toll, weil sie sich Wege sparen.
Moderator: Das sind wirklich viele Vorteile. Ich nehme die automatische Herdabschaltung mit und digitale Behandlungen, super praktisch, die E-Nurse. Es gibt aber bestimmt auch Herausforderungen, ich denke besonders die Kosten, die könnten jetzt zum Beispiel für kleinere Pflegedienste eine große Rolle spielen, oder?
Dr. Meiko Merda: Ja, natürlich. Immer sind die Kosten zu nennen. Ich habe Ihnen ja gerade beispielsweise von diesem fahrerlosen Transportsystem erzählt. Dafür müssen auch die baulichen Voraussetzungen gegeben sein, beispielsweise. Dafür müssen Keller ausgeschachtet werden, vielleicht neue Aufzugsschächte geschaffen werden. Das können Investitionen in Millionenhöhe sein und das wird noch nicht von den Kassen erstattet. Deshalb drohen gerade kleine Einrichtungen, ambulante Dienste bei der Digitalisierung etwas abgehängt zu werden. Da sind 10.000 € Investition schon sehr viel Geld. Außerdem hat nicht alles, was schön blinkt, auch einen Mehrwert. Da wurden in der Vergangenheit teilweise Dinge von Ingenieuren im stillen Kämmerlein entwickelt, ohne Pflegekräfte zu fragen, was ihnen denn wirklich hilft. Das hat sich dann selbstverständlich nicht durchgesetzt.
Moderator: Was sagen Sie Kritikern, die befürchten, dass eine De-Personalisierung entstehen könnte? Also die Pflege wird automatisiert und Arbeitnehmende werden durch Roboter ersetzt. Ist das wirklich denkbar?
Dr. Meiko Merda: Das ist ein weiterer kritischer Punkt, den man nicht völlig wegdiskutieren kann. Ein persönlicher Austausch ist einfach etwas anderes, als wenn ein Angehöriger über WhatsApp mit einem Pflegebedürftigen oder die Pflegekraft mit dem Arzt über Telemedizin kommuniziert. Das wird immer nur die zweitbeste Lösung der zwischenmenschlichen Kommunikation sein. Da geht nämlich ganz viel verloren. Einen kompletten Ersatz der menschlichen Arbeitskraft durch Roboter gibt es aber in der Pflege nicht. Und das wird es auch nie geben. Die Pflege ist und bleibt menschlich. Ein Roboter kann einen Patienten nicht in den Arm nehmen oder ihm die Hand streicheln. Das muss schon ein Mensch machen und dazu gibt es auch ganz interessante Forschungsergebnisse. Man spricht an dieser Stelle von dem sogenannten Substituierungspotential. Also dem Ausmaß, in dem menschliche Arbeitskraft durch digitale Lösungen ersetzt werden kann. Und in allen mir bekannten Untersuchungen, ist das Gesundheitswesen hier wieder Schlusslicht. Hier meint das aber, dass man den Menschen im Gesundheitswesen, nicht durch einen Algorithmus ersetzen kann, wie es vielleicht irgendwann mit Ihrem Steuerberater passieren wird. Der Arzt, vor allem aber die Pflegekraft, und zwar die Menschliche, sind und bleiben unersetzlich.
Moderator: An dieser Stelle viele Grüße an meinen Steuerberater, der jetzt etwas ängstlicher wahrscheinlich zuhört. Wie können sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen auf den digitalen Prozess vorbereiten? Also gibt es hier auch Angebote der BGW?
Dr. Meiko Merda: Es gibt derzeit, ehrlich gesagt, noch sehr wenige Fort- und Weiterbildungsangebote. Das meiste läuft on the Job und bedarfsbezogen. Da wird dann ein neues Dokumentationssystem eingeführt und der Hersteller gibt dazu eine Schulung. Sowas in der Richtung. Außerdem gibt es insbesondere an Unis immer mehr Module, Kurse zum Thema Digitalisierung des Gesundheitswesens. Die heißen dann vielleicht "Digital Health" für Pflegestudierende. Ich mache da beispielsweise auch ein bisschen was, aber insbesondere das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam ist einer der Vorreiter in Deutschland, mit einem ganz breiten Studienangebot und vielen E-Learnings. Viel hängt aber meiner Meinung nach, von der eigenen Haltung, von der eigenen Neugierde ab. Man sollte sich, meiner Meinung nach, das gilt nicht nur für die Digitalisierung, gegenüber dem Neuen nicht verschließen, nur, weil es unbekannt ist. Auch in diesem Punkt gehören die deutschen Pflegekräfte nicht unbedingt zu den Weltmeistern. Aber eine grundsätzliche Offenheit gegenüber dem Neuen, ist meiner Meinung nach nicht schädlich.
Moderator: Wir haben jetzt schon viel über die Digitalisierung der Pflege in der Theorie gehört. Aber funktioniert die Digitalisierung auch im Alltag? Meiko Merda hat eben schon erwähnt, ich habe noch weitere Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen. Und mit denen spreche ich jetzt. Nämlich mit Doktor Sandra Evans von dem Lebensphasenhaus, der Universität Tübingen und Thomas Heine vom Landeskompetenzzentrum Pflege und Digitalisierung in Baden-Württemberg. Sie beide haben das im Lebensphasenhaus schon umgesetzt. Ich grüße Sie.
Dr. Sandra Evans: Hallo.
Thomas Heine: Ja, Hallo. Vielen Dank, dass ich hier sein darf. Auch Grüß Gott von meiner Seite.
Moderator: Herr Heine, wie kann ich mir das Ganze vorstellen? Nehmen Sie mich bitte mal mit auf einen Rundgang.
Thomas Heine: Ja, also das Lebensphasenhaus in Tübingen. Wir sehen es, als, ich nenne es jetzt mal Innovationshub, um die Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und ganz wichtig, die Vertreter der Gesellschaft zusammenzuführen. Es ist eine Art Begegnungsstätte. Und seit diesem Jahr haben wir noch das Landeskompetenzzentrum Pflege und Digitalisierung Baden-Württemberg dort verortet, beziehungsweise die Geschäftsstelle ist dort platziert. Und nun zu unserem Rundgang. Also wir stellen uns das Haus vor. Wir sind draußen im Grünen. Wir sind extra nicht auf dem Campus der Universität und wir sind auch nicht auf dem Campus des Universitätsklinikums. Weil wir sind Ansprechpartner für die gesamte Gesellschaft. Für alle und wir wollen dort keine Barrieren schon schaffen, allein durch diesen Fakt, wo wir platziert sind. Also gehen wir ins Haus rein. Das Ganze erfolgt natürlich barrierefrei. Die Außenanlage muss dies natürlich gewährleisten, als auch der Zugang selbst. Das kann durch den Fingerabdruck, durchs Handy oder was es alles für digitale Möglichkeiten gibt, natürlich in das Haus reinzukommen. Dann kommen wir rein und wir befinden uns in unserem großen Seminarraum. Weil genau dieser soll dieses miteinander gestalten, diese Workshops, diesen Austausch, der so wichtig ist. Von dem wir auch schon gesprochen haben. Lehrveranstaltungen, alle diese sollen in unserem Seminarraum stattfinden. Wir haben auch eine Galerie, wo man einfach neue Sachen testen kann, wo man sie anschauen kann, ausstellen kann und natürlich auch erleben kann. Und das Kernstück des Lebensphasenhauses ist dann unsere Erlebniswohnung. Wir können einfach dort hineingehen und moderne Technologien, so wie es der Herr Merda schon gesagt hat, Ambient Assisted Living, also Technologien, die auch irgendwo im Hintergrund ambient versteckt sind, die uns aber unterstützen sollen, können wir dort erleben. Und dabei geht es nicht nur um die Technologie. Es geht auch um das ganze drum rum. Das führt hin bis zur Dienstleistung, weil alleine eine Technologie bringt uns natürlich nicht weiter. Hier müssen Sachen, wie Dienlichkeit und Nutzen natürlich im Vordergrund stehen. Und für uns ist es wichtig, dass die Leute es anfassen können, erleben können und wir bieten im Lebensphasenhaus natürlich immer nur eine Lösung. Aber diese eine Lösung soll Denkanstöße und Angebote liefern. Weil wir wissen in der Pflege, es gibt nicht diese eine Lösung, weil Lösungen sind in diesem Bereich sehr individuell. Und um konkret mal darüber nachzudenken, was gibt es. Wir haben natürlich Lifte zum Mobilisieren, es geht um zirkadiane Beleuchtung, Kommunikation, die bereits angesprochene Hausautomation, also dieses Smart Living, beziehungsweise Ambient Assisted Living, wo natürlich Stürze erkannt werden können. Aber viel wichtiger, vielleicht die Sturzprävention, durch geeignete Beleuchtung in der Nacht, beim nächtlichen Toilettengang, ganz automatisch angeht. Das Ziel des Lebensphasenhauses war es natürlich, das Leben in der eigenen Häuslichkeit zu unterstützen und dieses selbstbestimmte Wohnen. Und der nächste Schritt für uns, dann um wieder Richtung Pflege zu kommen, ist natürlich mit unserem Landeskompetenzzentrum das Thema Pflege und Digitalisierung voranzubringen. Wir planen auch einen großen Campus "Pflege digital" soll er heißen, eine Art Lehrpflegeheim, der in den nächsten Jahren gebaut werden soll. Wo genau diese Themen Pflege und Digitalität und wie sich dies ergänzen und entlasten kann und das ist der Fokus dieser Entwicklung ist. Also unser Ziel ist es, Innovationsinfrastrukturen und so schaffen und zu schauen, wo geht Pflege hin und das nicht nur auf dem Bereich was passiert in den nächsten fünf Jahren, sondern nein, in der Pflege muss man auch schon ein bisschen weiterdenken, und da sind wir vielleicht bei 20 Jahren. Aber ganz, ganz wichtig ist, hier steht der Mensch im Fokus. Pflege ist und bleibt menschlich
Moderator: Digitalisierung das ist jetzt nicht nur etwas, das wir sehen, sondern auch ausprobieren können. Gibt es eine Technologie, die Ihnen besonders gefällt?
Thomas Heine: Eine? Das ist natürlich schwer. Technologien, und ich glaube das haben wir in den letzten anderthalb Jahren gesehen, können sich sehr schnell weiterentwickeln. Kommunikation heutzutage ist essenziell und das auch mit Video. Aber die Teilhabe, die dadurch geboten wird, das ist das was wir damit erreichen wollen. Und schauen wir mal auf die neuen Bereiche. Gerade neue Technologien, wie Virtual Reality und Augmented Reality. Wir kennen dies als AR und VR, da bieten sich ganz neue Teilhabemöglichkeiten auch auf Distanz. Und das haben wir in diesen letzten anderthalb Jahren einfach erlebt. Und das ist eine Technologie, die ist da, die kennen wir aus dem Spielebereich, den kennen wir aus dem Entertainment Bereich, aber sie kann uns vielleicht auch in der Pflege unterstützen. Und auf der anderen Seite haben wir diese schon genannten Exoskelette. Exoskelette sollen in der Pflege entlasten, aber da gehe ich jetzt noch einen Schritt weiter. Wir hatten ja vorhin schon die unterstützenden, die elektrisch unterstützenden Exoskelette, genannt. Wenn ich jetzt die virtuelle Realität und vielleicht ein Exoskelett als Ausgabemedium verbinde, dass ich genau das, was die virtuelle Realität normalerweise nicht kann, und zwar ein haptisches Feedback geben, dann ergeben sich ganz neue Szenarien. Egal ob es in der Ausbildung der Pflege ist oder was für Möglichkeiten dann noch offen sind. Also für uns ist es ganz wichtig, immer diesen Mix aus Wissenschaft aber auch die Verbundenheit zur Praxis zu haben. Und all das, was wir entwickeln, das muss die dienliche Technik sein und einen Nutzen haben. Aber am besten kommen Sie einfach wieder vorbei und schauen sich das bei uns an und wir erleben einfach gemeinsam.
Moderator: Doktor Evans, wie wichtig ist es, Menschen Digitalisierung anhand von Best Practice Modellen und Projekten näherzubringen?
Dr. Sandra Evans: Das ist natürlich extrem wichtig. Denn auf dem Innovationsgeschehen letztendlich, gibt es noch so viele Sachen, die es zu tun gibt. Also diese allgemeine Vorstellung, das Innovation Heros vorherrscht, ist natürlich eine große Barriere. Also diese Vorstellung, des Tüftlers, der allein in der Garage vor sich hin werkelt. Weiteres Problem ist Technologiepush, also, dass bestimmte Technologien auf den Markt platziert werden sollen, ohne die eigentlichen Bedarfe der Anwenderinnen mit einzubinden oder weiter zu betrachten. Und speziell im Gesundheits- und Pflegebereich ist die Wertschöpfungskette als solches extrem komplex. Und es ist super, super wichtig, die Lösungen kollaborativ und dynamisch zusammenzubringen und speziell dann halt auch in Innovationsinfrastrukturen. Es ist wichtig, dass Akteure aus der Wirtschaft, aus der Wissenschaft, aus der Politik und aus der allgemeinen Gesellschaft in geschützten Räumen zusammenkommen können, um sich diesem Thema, jetzt speziell in unserem Falle, selbstbestimmtes Wohnen, mit Hilfe von sozialen und technischen Innovationen zu diesem Thema auszutauschen und neue Lösungen zu finden. Für diese Entwicklungen ist, wie gesagt, auch extrem wichtig, die Nutzerinnen so früh wie möglich in den Innovationsprozess miteinzubringen. Und der Austausch, auch auf europäischer Ebene, ist hier wichtig, und da kommt man dann zu diesen Go-Practice-Beispielen, man muss das Rad nicht neu erfinden, sondern kann von den Erfahrungen und auch Fehlern, sag ich jetzt mal, von anderen lernen. Dass man die zum Beispiel dann halt auch nicht wiederholt. Darüber hinaus sind Go-Practice auch bewährte Beispiele, an denen man sich orientieren kann und an die eigene Situation letztendlich anpassen kann. Und somit dann auch letztendlich schneller zum Erfolg kommen kann. Auch das Lebensphasenhaus selber, ist aus einem Go-Practice geboren. Wir haben vor Jahren, in einem europäischen Projekt mit Partnern aus Eindhoven zusammengearbeitet. Smart Homes hieß das und die hatten das "Smartest Home of the Netherlands", wo tatsächlich Smart-Home-Technologien mit Blick auf das Alter ausgestellt wurden. Und da haben wir uns das abgeguckt und dann einfach das angepasst, sage ich jetzt mal. Indem wir noch einen größeren Seminarraum mit angebaut haben und eine Galerie. Also von daher, auch das Lebensphasenhaus letztendlich entstand aus einem Go-Practice.
Moderator: Im Lebensphasenhaus Tübingen steht Innovation im Vordergrund. Sie bieten unter anderem Forschungsprojekte, Workshops und Seminare an. Wie wichtig ist das vor allem für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Dr. Sandra Evans: Ja, das ist natürlich sehr wichtig. Also das Lebensphasenhaus letztendlich, ist nicht nur ein Ort für Forschung und für Demonstrationen, sondern halt auch für Wissenstransfer. Und wir sind stets bemüht, unterschiedlichste Veranstaltungsformate zu finden, bei denen eine Vielfalt von Akteuren und sogenannten Stakeholdern sich mit diesem Thema der alternden Gesellschaft und Digitalisierung auseinandersetzen können, sich informieren können und sich austauschen können. Da haben wir ja unterschiedliche Veranstaltungsformate, wie gesagt, Senior und Technik-Begleiter sind da gewesen, vor der Pandemie, jeden Freitag das Haus zu öffnen für die Öffentlichkeit, Führungen anzubieten. Das ist einfach eine wichtige Quelle gewesen für die Öffentlichkeit. Wir haben auch eine sehr erfolgreiche Vortragsreihe, die vom stationären Rat organisiert wird, zum Thema: "Wie möchten wir in Zukunft wohnen?" und darüber hinaus haben wir natürlich eine Vielfalt, wie Sie auch erwähnt haben, von unterschiedlichsten Projekten, in denen wir involviert sind. Sie reichen von Forschungsprojekten, wo wir zum Beispiel die Wirkung des Lichts auf den Menschen untersuchen möchten, oder die Exoskelette testen, zur Entlastung von Pflegefachkräften. Das reicht hin auch zu diesen bereits genannten Erfahrungsaustausch auf europäischer Ebene und voneinander lernen. Das ist einfach eine große Vielfalt an unterschiedlichen Projekten und Aktivitäten. Und genau Mitarbeiterinnen tun sich hier nicht leicht, wenn sie nicht hier zu uns stoßen, sage ich jetzt mal, weil es ist tatsächlich ein sehr komplexes Geflecht an unterschiedlichen Aktivitäten und Projekten, an denen wir beteiligt sind. Umso wichtiger ist es natürlich, auch intern, also ja untereinander, mit gutem Vorbild voranzugehen und sich hier regelmäßig auszutauschen und voneinander zu lernen.
Moderator: Jetzt haben wir gehört, was alles möglich ist. Und das klingt richtig gut. Ist auch mit vielen Fremdwörtern verbunden, da ist viel Englisch. Schreckt das nicht auch einige ab?
Dr. Sandra Evans: Ich glaube, was wir hier gelernt haben ist, dass wir alle Beteiligten einfach mitnehmen müssen. Egal, ob das die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter direkt am Menschen sind, aber auch die Verantwortlichen in den Führungsebenen. Es ist einfach wichtig, sehr viel zu kommunizieren, miteinander zu entwickeln, miteinander zu gestalten. Und dabei ist es egal, ob das Fremdwörter sind oder einfach diese neuen Technologien. Man muss einfach dieses Miteinander unterstützen und vorantreiben.
Moderator: Vielen Dank, Doktor Meiko Merda von Meme, Doktor Sandra Evans von dem Lebensphasenhaus der Universität Tübingen und Thomas Heine vom Landeskompetenzzentrum Pflege und Digitalisierung Baden-Württemberg. Schön, dass Sie heute meine Gäste waren.
Dr. Meiko Merda: Sehr spannend, vielen dank.
Thomas Heine: Herzlichen Dank.
Dr. Sandra Evans: Vielen Dank für die Einladung nochmal.
Block 03: Verabschiedung
Moderator: Die Digitalisierung in der Pflege ist in Zukunft für uns alle wichtig. Ein leistungsfähiges Gesundheitswesen ist ohne moderne Technologien kaum vorstellbar. Das Potential, das sich hierbei insbesondere für den Bereich der Pflege bietet, ist in enorm. Hat Sie das Thema interessiert und Sie möchten mehr erfahre? Dann schauen Sie doch einmal in unsere Show-Notes dieser Podcast Folge, da haben wir Ihnen die Studie Pflege 4.0 verlinkt. Schön, dass Sie auch bei dieser Podcast Folge mit dabei waren. Alle weiteren Folgen finden Sie in Ihrer Lieblings-Podcast-App oder auf der Webseite www.BGW-online.de/podcast. Bleiben Sie gesund, bis zum nächsten Mal.
(Outro - Herzschlag. Für ein gesundes Berufsleben, der BGW Podcast)
Interviewgäste
Dr. Meiko Merda
MEMe, Inhaber und Coach
Dr. Sandra Evans
Eberhard Karls Universität Tübingen, Team LebensPhasenHaus
Thomas Heine
Eberhard Karls Universität Tübingen, Team LebensPhasenHaus
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