Positive Psychologie: Wie gehe ich zufriedener durchs Leben? #106 BGW-Podcast "Herzschlag - Für ein gesundes Berufsleben"
Ist das Glas halb leer oder halb voll? Bin ich eher ein Optimist oder ein Pessimist? In dieser Folge sprechen wir mit Motivationsforscherin und Neurowissenschaftlerin Prof. Michaela Brohm-Badry über die Positive Psychologie, die Wissenschaft des gelingenden Lebens.
Es gibt verschiedene Faktoren, die einen Einfluss auf unsere Denkweise und Handlungen haben. Welche Stellschrauben es hier gibt und mit welchen Hinweisen wir glücklicher und zufriedener durch das Leben und auch durch den Berufsalltag gehen, das hört ihr in dieser Podcast-Folge.
Hier kommen Sie zum Transkript dieser Folge
Moderator:
Uns Deutschen sagt man gerne mal nach, dass wir uns oft beschweren und unzufrieden sind. Mal ist es das Wetter, die steigenden Preise, die Politik, der Fachkräftemangel, das Schulsystem. Mir würden sofort ein paar Themen einfallen, kurzer Blick auf marode Schienen und Fehlplanungen bei der Klimakrise.
Wie wir widerstandsfähiger werden und auch bei Herausforderungen und Problemen optimistisch bleiben, darüber sprechen wir in dieser Folge.
Ich bin Ralf Podszus und das Zauberwort heute lautet Positive Psychologie. Wie wir uns die zunutze machen können, zum Beispiel im Berufsalltag, das lass ich mir jetzt von einer renommierten Neurowissenschaftlerin und einer der bekanntesten Motivationsforscherinnen Deutschlands erklären.
Jingle:
Herzschlag! Für ein gesundes Berufsleben, der BGW-Podcast.
Moderator:
„And I think to myself what a wonderful world“, so singt es Louis Armstrong in seinem Hit von 1968 und das ist genau der richtige Ansatz, wenn es um die Positive Psychologie geht.
Was es damit auf sich hat, das weiß Professorin Michaela Brohm-Badry. Sie ist Neurowissenschaftlerin, Autorin und Professorin mit dem Schwerpunkt Motivation, Lernen und Positive Psychologie ich Grüße Sie. Hallo.
Michaela Brohm-Badry:
Hallo, Herr Podszus. Ich grüße Sie auch.
Moderator:
Warum ist die Einstellung beziehungsweise die Sicht auf die Welt von Louis Armstrong genau die Richtige?
Michaela Brohm-Badry:
Ja, genau die Richtige. Darüber müssen wir vielleicht gar nicht noch einmal sprechen, aber es geht natürlich um ein Gleichgewicht in den Gefühlen. Positive Gefühle generell haben natürlich unglaublich viele Vorteile.
Wir haben positive Gefühle, zum einen, um das Bewusstsein zu öffnen. Also wir machen auf. Wir machen auf, wenn wir uns positiven Gefühlen hingeben. Dankbarkeit, Hoffnung, Liebe, Freude. Dann ist unser Bewusstsein offen, und in diesem offenen Zustand können wir sehr viel erreichen.
Sie lassen uns froh fühlen, sie sind sehr stark verbunden mit positiven Gefühlen, mit Glücksgefühlen, mit Wohlbefinden und korrodieren auch mit vielen anderen positiven Dingen. Zum Beispiel mit Gesundheit, mit langen und zufriedenen Beziehungen, mit hoher Lebenszufriedenheit und so weiter. Wir haben ganz viele positive Effekte.
Moderator:
Ja, und je mehr positive Effekte, desto fröhlicher ist man dann am Ende.
Michaela Brohm-Badry:
Glück wird häufig auch definiert als intensives Aufkommen positiver Gefühle im Leben. Also häufiges Aufkommen. Wer sich häufig dankbar fühlt, oder sich häufig voller Hoffnung fühlt, oder voller Freude, der hat ein hohes Maß an Wohlbefinden.
Moderator:
Erklären Sie doch bitte mal, was es mit der Positiven Psychologie nun ganz genau auf sich hat.
Michaela Brohm-Badry:
Das ist ein ganz großes Missverständnis, und es wird häufig gedacht, das hätte zu tun mit positivem Denken oder so. Aber das ist gar nicht so. Positive Psychologie ist eine Wissenschaft. Es ist die Wissenschaft in der Psychologie, die sich tatsächlich beschäftigt mit dem, was menschliche Ressourcen fördert, also was Menschen aufbaut.
Im Gegensatz zur Klinischen Psychologie, die Menschen mit einem Leid wieder gesunden will, also von minus fünf auf null sozusagen, beschäftigt sich die Positive Psychologie mit Menschen, die eigentlich gesund sind, aber die eben ihre Ressourcen aufbauen wollen. Die mehr Resilienz haben wollen, mehr Wohlbefinden, mehr Freude, solche Dinge. Das heißt, die Perspektive der Psychologie ist ja eine ganz neue und die Positive Psychologie ist interdisziplinär. Also wir beschäftigen uns in vielen Bereichen damit.
Moderator:
Sie haben auch eben schon so ein paar Faktoren aufgezählt. Zum Beispiel eine gute und lange Beziehung und so weiter. Was ist jetzt, wenn man aber bestimmte Faktoren einfach gar nicht erreichen kann oder gar nicht hat? Zum Beispiel eine lange Beziehung hat nicht jeder oder jede. Wie kann man denn, ich sag mal, die Punkte dazu holen, dass es positiver wird?
Michaela Brohm-Badry:
Zunächst mal sollte man den Druck rausnehmen. Wer sich unter Druck setzt, eine Beziehung zu finden oder unter Druck setzt, glücklich zu sein, es funktioniert natürlich überhaupt nicht. Es gibt aber natürlich viele Möglichkeiten, tatsächlich im Alltag auch einfach mal die Perspektive zu wechseln.
Es scheint so zu sein, dass wir von Geburt an eher auf das Negative fixiert sind. Was ist gefährlich? Was könnte schwierig werden? Was ist sonst so? Weil, wenn wir das erkannt haben, in früheren Zeiten, dann eben hat es unser Überleben gesichert. Der Mensch in der Steinzeithöhle, der eben erkannt hat, da steht ein Säbelzahntiger hinter dem Busch, der hat überlebt. Also, der das antizipieren konnte, das Schlechte.
Deshalb sprechen wir in der Positiven Psychologie von einem Negativity Bias. Wir haben eine negative Verzerrung in unserem Denken. Wir denken immer zunächst an das Schlechte. In der Positiven Psychologie sagt man: „Guck doch einfach mal, ob du das ins Gleichgewicht bringen kannst“. In diesem Bewusstsein einfach mal zu sagen: „Aha, könnte es nicht auch anders sein? Könnte es nicht auch was Gutes haben? Könnte es nicht auch, ja, könnte es nicht auch positive Aspekte geben, an dem Punkt“.
In den letzten Jahrzehnten, die Positive Psychologie ist ja noch eine ziemlich junge Disziplin mit 20-30 Jahren, da haben wir fünf Elemente gefunden, die tatsächlich das Wohlbefinden von Menschen stärken. Mit denen wir, wenn wir die in unserem Alltag stärken, auch wirklich dann unser eigenes Wohlbefinden stärken können. Das sind zum einen eben positive Emotionen: Dankbarkeit, Freude, Hoffnung, Liebe, Zuwendung. Der zweite Bereich ist das Schema, nennt sich Perma.
Das erste ist Positive Emotions.
Das Zweite ist Engagement, also für irgendetwas motiviert sein, irgendetwas im Leben zu haben, für das man brennt, was man wirklich toll findet, dass man wirklich – wo man Energie rein gibt.
Das dritte Element ist Relations, also warmherzige Beziehungen zu haben, zu langjährigen Freundschaften auch. Langjährige Freundschaften zu pflegen, was zu geben in den Freundschaften, das heißt also zu Menschen Bindungen aufzubauen.
Dann Sinnhaftigkeit, dass man guckt, was ist sinnvoll in meinem Leben, was tue ich gerne, was ist mein Beitrag zum großen Ganzen, zum guten Ganzen.
Das letzte Große ist eben Accomplishment, also erfolgreich sein. Menschen sollen tatsächlich erfolgreich sein und Erfolg heißt nicht jetzt materiell unbedingt. Sondern Erfolg heißt, dass das passiert im Leben, was man sich vorgestellt hat fürs Leben. Dass man eine Vorstellung hat, wie man sein möchte, wie man leben möchte in seinen Freundschaften, in seinen Beziehungen mit seiner Familie, wie auch immer. Dass man dieses tatsächlich dann verwirklicht.
Das ist so die Erfolgsperspektive in der Positiven Psychologie. Wer jetzt diese fünf Elemente stärkt, also positive Emotionen, Motivation, positive Beziehungen, Sinn und Erfolgsgefühle, der kann in seinem Leben schon sehr viel in Richtung Wohlbefinden verändern.
Moderator:
Wie schafft man es jetzt im Leben im Gleichgewicht zu sein? Das haben Sie vorhin erwähnt. Quasi seine Mitte finden, dann kann man ja nach links und rechts auch nicht so wackeln. Gerade wenn wir wieder mal feststellen, dass Probleme nicht verschwinden, oder die Bahn wegen maroder Strecken selten pünktlich fährt, als Alltagsbeispiel.
Michaela Brohm-Badry:
Also das wichtigste Element ist diese Offenheit. Wirklich auch in Anstrengungen oder stressvollen Zeiten zu versuchen, offen zu bleiben. Wenn man jetzt in der Bahn sitzt und sich ärgert, dann wirklich zu sagen: „Guck mal, was ist jetzt?“ Viele Menschen katastrophisieren dann. Oh, es ist ja ganz schrecklich und führen jedes kleine Übel im Leben sozusagen in die Katastrophe. Es ist alles ganz grauenvoll, es ist alles ganz schrecklich oder so.
Weg von der Katastrophe zu kommen und zu sagen „So auf einer Skala zwischen eins und zehn, wie stark ist jetzt diese Katastrophe, dass mein Zug zu spät kommt?“ Zehn ist in der Katastrophenskala Naturkatastrophen und Kriege im eigenen Land. Eins ist eben ist nicht so schlimm. Wie schlimm ist jetzt wirklich der Kratzer im Lack von meinem neuen Auto, oder der verspätete Zug, oder der Krach auch mit dem Partner oder der Partnerin? Ist das wirklich jetzt so eine Katastrophe, oder kann ich was tun?
Häufig hilft ein Break. Einfach raus aus der Situation, was anderes machen. Ins Zugrestaurant gehen und sich was zu essen und zu trinken kaufen, mit dem Zugnachbarn mal ein Gespräch anfangen. Was auch immer, raus, einfach raus aus diesem negativen Mood. Oder bei einem Krach mit dem Partner, der Partnerin hinzugehen mit einer Flasche Sekt und zu sagen: „Komm jetzt lass uns mal einfach die Situation nur unterbrechen und nicht im Katastrophenmodus weiterdenken“.
Moderator:
Was mache ich jetzt, wenn ich in diesem Break denke und einfach auch meine Mundwinkel mal mehr nach oben richte und mich auf was anderes konzentriere, aber meine Umwelt komplett negativ bleibt.
Ein Beispiel: Meine Nachbarin, die sich wochenlang, monatelang über das blöde Winterwetter aufgeregt hat, kalt und nass und immer blöd und grau. Dann gibt es den ersten tollen Tag, der gleich auf Volldampf sonnig und warm ist, und dann denke ich mir, hey und sag mal ja viel zu heiß, man weiß gar nicht … Meine Güte, da kann man es ja überhaupt nicht rechtmachen.
Wenn ich jetzt positiv gestimmt bin, aber links und rechts sind alle Mundwinkel unten, dann ist das ja wie so ein Bollwerk gegen meine eigentliche Stimmung. Was kann man da tun?
Michaela Brohm-Badry:
Ja, genau. Menschen stecken sich gegenseitig an mit Emotionen. Emotionen sind genauso infektiös wie eben andere, also körperliche Erkrankungen. Das heißt, wenn wir ein negatives Umfeld haben, dann kann es dazu führen, dass Menschen hoch infektiös, negativ auf uns wirken.
Da muss man eben zwei Dinge gucken. Erstens: Ist dieser Mensch von mir abhängig? Braucht dieser Mensch mich, also im humanistischen Sinne. Habe ich mir diesen Menschen vertraut gemacht und der braucht mich, zum Beispiel ein trauriger depressiver Partner oder sonst irgendwas.
Das heißt, bin ich verantwortlich für diesen Mensch und muss natürlich auch in dieser Verantwortung bleiben, oder gibt es die Möglichkeit mich zu entfernen von solchen toxischen Menschen? Das sind natürlich Menschen, die uns dann auch tatsächlich vergiften. Kein Mensch muss sich dem aussetzen, wenn es nicht ein vertrauter Mensch ist, der uns braucht.
Moderator:
Wie können Unternehmen jetzt die Erkenntnisse aus der Positiven Psychologie auch im beruflichen Kontext einsetzen? Also welchen Beitrag kann sie dort leisten?
Michaela Brohm-Badry:
Zunächst sollten die Organisationen der Unternehmen, die Abteilung, die Führungskräfte generell auf jeden Fall den Fokus auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter richten. Früher konnte man vielleicht autoritär durchregieren in den Organisationen. Das geht natürlich heute überhaupt nicht mehr und zwar aus zwei Gründen.
Erstens natürlich, weil ein humanistisches Menschenbild viel wichtiger geworden ist in den letzten Jahrzehnten. Das zweite ist natürlich ganz pragmatisch durch den Fachkräftemangel. Wenn sie heute Mitarbeiter schlecht behandeln und nicht auf ihr Wohlbefinden achten, dann gehen sie weg. Dann gehen sie woanders hin.
Das heißt also, wenn wir Mitarbeiter binden wollen in den Organisationen, brauchen wir eine Perspektive, die das Wohl des Mitarbeiters, des Menschen in den Mittelpunkt stellt. Eine uralte europäische Perspektive, eine humanistische Perspektive, die schon in der griechischen Antike, in der römischen Antike eine große Rolle gespielt hat. Möglichst eben Wohlbefinden in den Mittelpunkt setzen und Mitarbeiter tatsächlich fördern und aufbauen und nicht kaputtpressen. Also dieses druckvolle Kaputtpressen von Mitarbeitern, das geht natürlich heute überhaupt nicht mehr. Menschen bleiben dann nicht da.
Das nächste wäre natürlich dieses Gejammer, was Sie am Anfang angesprochen haben. Deutschland ist ja häufig in vielen Studien Weltmeister beim Jammern. Das muss man sich hier als Führungskraft einfach klarmachen. Menschen folgen keinen Jammerlappen. Eine Führungskraft, die vor sich hin jammert, die wird kaum Menschen haben in der Abteilung, in der Organisation, die sie als Führungskraft anerkennen.
Das ist einfach so. Menschen wollen klare Perspektiven, Rückgrat, klare Werthaltung, Wertschätzung. All diese grundlegenden Dinge, die in persönlichen Beziehungen auch eine Rolle spielen. Und Verbindung natürlich. Menschen wollen sich verbunden fühlen und nicht kaputtgedrückt.
Moderator:
Das sind auch immer sehr harte Worte mit dem Kaputtdrücken, aber so ist es ja teilweise. Ich glaube, Menschen die über 40 Jahre alt sind, die haben alle ihre Erfahrungen mit einem autoritären Chef gemacht. Das hat nie dazu geführt, dass man begeistert gesagt hat: „Ja jetzt haue ich hier einen Schlag mehr Arbeit ran!“.
Michaela Brohm-Badry:
Hinzu kommt natürlich aus motivationstheoretischer Perspektive, das ist ganz klar, je mehr wir den Menschen die Freiheit nehmen, desto geringer die Motivation. Ich hab mal irgendwo geschrieben: „Motivation ist ein Kind der Freiheit. Menschen wollen frei sein.“ Das ist wie in unseren Partnerschaften. Auch wenn der Partner rauskommt, sagt: „Schneide die Hecke, räum die Spülmaschine ein, koch das Gericht“, oder was auch immer. Da haben wir keine Lust mehr. Dann verliert man die Freude, weil Menschen das Gefühl haben, sie haben was selbst gemacht. Sie wollen das selbst gemacht haben, und zwar in freier Entscheidung.
Das heißt für Organisationen natürlich Zielvereinbarung, Ziele zu vereinbaren mit den Mitarbeitern, aber den Prozess, wie der Mitarbeiter dahin kommt, dann wirklich freizulassen und dann nicht reinzuregieren oder reinzudiktieren. Menschen tatsächlich die Freiheit zur Entfaltung lassen. Dann eben zu besprechen, wie ist der Prozess gewesen? Was ist das Ergebnis? Das kann man ja dann alles in Ruhe besprechen. Das heißt, das wäre der nächste Hinweis. Menschen wirklich zu führen durch Zielvereinbarungen, aber im Prozess eben zu befreien, freizulassen.
Moderator:
Haben Sie noch andere konkrete Beispiele, wie so etwas gelingen kann?
Michaela Brohm-Badry:
Die sprachlichen Ebenen sind natürlich ganz entscheidend. Zum Beispiel, welche Fragen man stellt. Wenn Sie Mitarbeiter fragen: „Warum hat das wieder nicht geklappt?“, ist eine ganz andere Frage und führt ihn oder sie sofort in einen negativen Modus. Statt zu fragen: „Was können wir beim nächsten Mal anders machen, was können wir beim nächsten Mal besser machen?“
Es ist auch wie in persönlichen Beziehungen; im Grunde Führung ist Bindung. Das sage ich auch in den großen Unternehmen, in großen Organisationen, bei den Führungskräften. Führung ist Bindung. Angefangen im schulischen Kontext, im Hochschulkontext, in den Organisationen, in den Unternehmen. Das heißt, Menschen wollen sich gebunden fühlen.
Wenn wir aber einen negativen sprachlichen Duktus haben und den Menschen durch negative Fragen: „Warum bist du denn schon wieder so blass? Oh, du siehst aber schlecht aus, was ist los?“. Alle Fragen führen uns in eine Emotion und wenn wir negative Fragen stellen, die in eine negative Emotion führen, müssen wir uns nicht wundern, dass die Mitarbeiter schlecht drauf sind. Anstatt ressourcenorientierte vorwärtsgehende positive Fragen zu stellen. So, der Prozess war gut, wie können wir ihn beim nächsten Mal noch schöner und auch galanter, noch besser gestalten, was auch immer.
Das heißt, aufbauende Fragen stellen ist ganz wichtig und damit verbunden ist natürlich eine aufbauende Sprache generell. Wir wissen aus vielen Untersuchungen, zum Beispiel von Fredrickson und Losada aus der Losada Rate wissen wir, dass Organisationen, die einen Positivitätsquotienten haben, ungefähr von drei zu eins, drei positive Rückmeldungen im Verhältnis zu einer negativen, dass die eben ein Aufblühen und ein Wachstum ermöglichen. Während es umgekehrt ist, also wer mehr negative Worte und negative Rückmeldungen braucht, der führt eben seine Organisation in einen Stack State, also in einen fixierten Zustand, der mit Wachstum oder Aufblühen wenig zu tun hat.
Moderator:
Muss man ja auch als Führungskraft auch können. Was muss man jemandem abnehmen, dass der jetzt halt wirklich auch fröhlich ist oder motivierend fragt? Sonst durchschaut man das ganz schnell als Schauspiel, der meint es eigentlich gar nicht so, oder die bei der weiblichen Führungskraft.
Man muss jetzt nicht mit dem Kleiderbügel abends ins Bett gehen und morgens schon mit dem Grinsen aufwachen, damit ich hochmotiviert meinen Mitarbeitenden die richtigen Frage stelle und hier positiv durch die Gegend onkele. Es gibt auch Menschen, die das einfach nicht können und dann auch dementsprechend nicht als Führungskraft tätig sein können.
Michaela Brohm-Badry:
Das ist Führungshandwerk, was wir gerade besprochen haben. Das ist das Handwerk des Managers, das muss er lernen oder sie. Menschen aufzubauen, Menschen zu fördern. Das Bestmögliche für sich selbst, die Organisation und vor allem für den Mitarbeiter rauszuholen.
Das heißt also, Menschenentwickler. Im Grunde sind Manager ja Menschenentwickler, Organisationsentwickler. Es gibt natürlich Menschen, die nicht geeignet sind zur Führungskraft. Führungskräfte müssen Menschen mögen, das ist die Grundannahme. Wer Menschen nicht mag, der sollte nicht Führung anstreben. Wer Menschen nicht mag, der sollte sachgebundene Strukturen bevorzugen, aber nicht Menschenführung.
Moderator:
Das ist auch ein ganz entscheidender Punkt. Sie haben vorhin über soziale Beziehungen gesprochen, die ganz wichtig sind. Wenn jetzt jemand dabei ist, der immer die ganze Zeit negativ redet, Stichwort die Nachbarin, aus dem Weg gehen. Nun kann, ich aber im Job ja Kolleginnen und Kollegen nicht aus dem Weg gehen. Wenn da auch Deenergetisierer dabei sind, die die ganze Zeit einfach nicht gerade für die gute Stimmung sorgen. Was mache ich denn dann? Mit denen muss ich ja zusammenarbeiten, die sind ja nun mal da.
Michaela Brohm-Badry:
Als Führungskraft ist es natürlich wichtig, mit ihnen das Gespräch zu suchen und ihnen zu sagen, dass sie auch das ganze Team runterziehen, energetisch natürlich. Wenn sie so viele negative Kommentare machen, das ist ja ganz klar. Das Gespräch suchen. Dann als Führungskraft ist die Einstellung natürlich unheimlich wichtig.
Welche Mitarbeiter stellt man überhaupt ein? Inzwischen denke ich häufig, es wäre sinnvoller, Energetisierer einzustellen, die sich hinsichtlich der Fachkompetenz noch weiterentwickeln statt fachkompetente Mitarbeiter, die ein schlechtes Energieniveau haben. Als Mitarbeiter auf derselben Ebene kann man nur sagen, vielleicht auch das Gespräch suchen.
Das Beste wäre, solche Menschen nicht einzustellen, nicht ins Team zu holen. Die Probezeit zu nutzen und zu gucken, dass man Menschen einstellt, die anderen Menschen zugewandt sind. Das sind die Besten in der Teamarbeit, und das sind die Zufriedensten in den Arbeitsprozessen. Das sind die, die die Arbeitsprozesse voranbringen. Ansonsten natürlich, ja, das Gespräch suchen oder ausweichen, also wenn man auf der gleichen Ebene arbeitet.
Als Führungskraft muss man auch gucken, dass man solche Mitarbeiter dann tatsächlich isoliert. Zunächst mal im Team und dass man sie da auch tatsächlich dann im Team auch dann, wenn Besprechungen oder Gespräche nichts genutzt haben, tatsächlich auch wirklich auf andere Posten oder so verschiebt.
Moderator:
Ob jetzt in der Schule oder im Job oder auch in der Uni, hohe Leistungserwartungen, die begegnen uns das ganze Leben über. Viele verbinden damit oft was Negatives. Warum sind jetzt hohe Leistungserwartungen eigentlich sogar ganz hilfreich?
Michaela Brohm-Badry:
Hohe Leistungserwartungen schaffen hohe Leistungen, das wissen wir aus der Motivationsforschung. Niedrige Leistungserwartungen schaffen niedrige Leistungen. Wer seinen Schülern, seinen Studierenden oder seinen Mitarbeitern sozusagen nichts abverlangt, der provoziert niedrige Leistungen.
Menschen wollen etwas schaffen, Menschen wollen, dass man ihnen etwas zutraut. Du kannst das, du kannst das lernen, du kannst das schaffen, du kannst es machen. Wenn du es jetzt noch nicht kannst, dann kannst du es aber lernen, und das motiviert dann. Will man es schaffen und machen, so ist es wie auch sich selbst gegenüber. Wer sich selbst gegenüber geringe Maßstäbe hat und nichts voranbringen will in seinem eigenen Leben, der ist natürlich auch demotivierter. Ziele motivieren.
Die Vorstellung davon, dass man etwas gemacht hat, was man bisher vielleicht noch nicht geschafft hat. Dass man seinen Kreis verlassen hat. Sein Wohlfühlbeziehungskreis. Dass man was Neues außerhalb gefunden hat. Das ist natürlich toll, das ist motivierend. Es ist einer, glaube ich, der Hauptfehler, der im pädagogischen Kontexten häufig gemacht wird. Auch von Eltern, von Lehrern, auch in den Hochschulen, Hochschulen oder vielleicht auch in der Mitarbeiterführung, dass man den Menschen zu wenig zutraut. Zutrauen weckt Energie.
Moderator:
Als Führungskraft ist Vertrauen ganz wichtig, auch wenn es dann vielleicht nicht immer genau nach deren eigenen Vorstellungen läuft. Vielleicht erreicht man ja trotzdem das Ziel und dann ist das ja insgesamt eine gute Teamarbeit gewesen. Wie bei allem im Leben sollte man es auch mit der Positivität jetzt nicht übertreiben. Das kann dann zu einer toxischen Positivität führen. Was ist damit genau gemeint? Also keine Du-Bist-So-Toll-Karten an den Spiegel hängen und damit schon den Morgen beginnen.
Michaela Brohm-Badry:
Das kann man schon machen. Aber natürlich richtig, wenn man es übertreibt, das heißt, wenn man sich zwingt, dazu positiv zu sein, dann hat das auch nichts mit Positiver Psychologie zu tun. Es geht darum, den Druck rauszunehmen und wirklich mal so ein Gleichgewicht zu haben.
Wir wissen, dass wenn jetzt zum Beispiel Eltern ihr Kind permanent loben, dass ab einer Lobrate, ich hab ja vorhin von Losado gesprochen, von elf zu eins, also wenn man das Kind elf Mal lobt und einmal kritisiert, dass das Kind das Lob nicht mehr ernst nimmt. Dann ist ja immer alles gut, dann ist ja immer alles prima.
So toxische Positivität würde jetzt heißen, man zwingt sich permanent gut drauf zu sein. Man zwingt sich und ignoriert seine traurigen Gefühle, seine wütenden Gefühle. Ignoriert sozusagen alles, was in seinem Leben belastend sein könnte, und das ist natürlich absolut falsch. Es geht darum, tatsächlich auch Trauer und Wut und Ekel und diese ganzen Gefühle natürlich anzunehmen und anzuerkennen. Eben aber dann auch im Gleichgewicht zu bleiben. Das heißt ja, es ist schwierig. Es ist ein Balanceakt.
Moderator:
Dann gibt es noch den Placebo-Effekt. Da gibt es auch ein paar Tipps und Tricks. Ich habe zum Beispiel mal gehört, dass man sein Gehirn austricksen kann. Wenn man bewusst lächelt, das hebt dann die Laune, auch wenn einem in dem Moment vielleicht gar nicht so unbedingt danach ist. Ist da was dran?
Also mir hilft es finde ich, wenn zufällig im Auto den Innenspiegel sehe: „Gott, wie setze ich da gerade meine Falten, wie grimmig gucke ich denn“, dann sage ich mir so: „Nein, ich will auch nicht so viele Falten kriegen, ich gucke jetzt einfach mal ein bisschen fröhlicher“. Dann merke ich, das macht mich auch gerade ein bisschen fröhlicher. Könnte so etwas auch für den Berufsalltag helfen oder ist es auch schon wieder positiver Selbstbetrug?
Michaela Brohm-Badry:
Nein, das ist ja ganz klar. Der Körper, der Geist und die Seele sind natürlich sehr eng miteinander verbunden. Das heißt, die Physis, also der Körper, wirkt auf die Psyche. Das heißt, wenn wir tatsächlich mal dann lächeln, eine Zeit lang, das Gleiche gilt ja für Schultern zurücknehmen oder sich mal gerade hinsetzen, dass dann die Serie, also die Psyche, ziemlich schnell reagiert darauf. Nur da gilt natürlich genau das Gleiche wie bei allen anderen Dingen auch. Man kann sich nicht permanent nur dazu erziehen, fröhlich zu gucken. Das ist natürlich auch nicht im Sinne der Positiven Psychologie, aber ab und zu als Kick.
Moderator:
Man guckt dann so ein bisschen wie ein Psycho irgendwann, wie ein Serienkiller der Spaß hat.
Michaela Brohm-Badry:
Nerdinger, ein Organisationspsychologe hat gesagt: „Es gibt dieses schauspielerische gut drauf sein oder eben sich zu identifizieren, tatsächlich mit positiven Gefühlen“. Zum Beispiel wirklich dann am Arbeitsplatz mal zu fragen, sich mal selber ernsthaft zu fragen, wofür könnte ich denn heute dankbar sein? Ich hab einen Arbeitsplatz, ich hab ein Dach über dem Kopf, ich habe tolle Kolleginnen und Kollegen oder was auch immer.
Oder sich zu fragen, was ist heute gut gelaufen, ist auch sehr gut. Man fährt vielleicht einigermaßen grimmig nach Hause und denkt, naja gut das und das ist nicht gut gelaufen, okay das mache ich beim nächsten Mal anders, aber was ist denn heute gut gelaufen? Was ist denn wirklich gut gelaufen? Was war denn gut heute?
Nein einfach mal die Perspektive zu ändern, also ein Reframing, die Situationen neurahmen und zu sagen: „Guck mal der Kollege mit dem ich so lange nicht gesprochen habe, mit dem hatte ich heute ein ganz schönes Gespräch in der Kantine oder die Kollegin mit so und so“. Wir sind in dem Projekt doch ein ganzen Schritt weiter gekommen. Einfach sich über die kleinen Dinge auch Bewusstsein zu schaffen für die Situation, die ganz gut sind im Leben.
Moderator:
Auf jeden Fall auch ein bisschen demütiger sein und auch noch mehr in sich hineinhorchen und eben auch mal gucken, was bleibt am Ende des Tages hier dann auch Positives übrig. Mich würde jetzt noch interessieren, weil sie da ja die absolute Expertin sind, Motivationsforscherin, Neurowissenschaftlerin. Kennen Sie die Filme „Alles steht Kopf“, da gibt es zwei Teile mit den ganzen Emotionen, die gerade beim Heranwachsen richtig, die Karussellfahrten auslösen mit Wut und Neid und Co. Wie stehen Sie dazu? Das ist doch eigentlich auch hervorragend umgesetzt, sich mal seinen Gefühlen mehr zu nähern und einfach mal alle zu akzeptieren, weil die gehören im gesamten ja auch zu uns als Mensch.
Michaela Brohm-Badry:
Ja, natürlich, die Gefühle zu akzeptieren und anzunehmen. Die Frage ist immer: Wie sehr verlässt man sich auf diese Gefühle und wie sehr lässt man sich ein? Man kann wütend darüber sein, dass der Partner, die Partnerin, der Chef, die Chefin irgendeinen blöden Satz gesagt hat, aber man kann sie auch so reinsteigern, dass der ganze Tag versaut ist auf gut Deutsch.
Das heißt aber inwiefern kann man sich selber steuern. Das ist eine Frage der Selbststeuerung und zu sagen, ich akzeptiere meine Gefühle und ich bin wütend und ich bin auch total wütend aber vielleicht nicht den ganzen Tag oder die ganze Woche. Ich reguliere mich auch, ich kann mich auch selber nachregulieren, indem ich auch meine Gedanken dann tatsächlich mal in diese Richtung entwickle.
Vor allem ist es so, dass Stress natürlich neuronal ganz massive Auswirkungen hat. Wir haben neuere Untersuchungen an Mäusen, wo wir in vivo, in das lebende Gehirn reinschauen können durch neurowissenschaftliche Techniken. Da können wir sehen, dass die neuronalen Strukturen, also die Dendriten-Strukturen, die die Verbindung suchen zu anderen Neuronen, dass die tatsächlich leiden und diese dendritischen Spins, also diese kleinen Donnen, tatsächlich sich reduzieren, wenn wir eine Maus beispielsweise unter chronischem Stress setzen drei, vier Wochen lang. Das heißt, das Gehirn leidet bei Stress.
All das, was wir heute besprochen haben führt natürlich dazu, dass Cortisol und Adrenalin im Blut abgebaut werden. Deshalb lebt man auch länger mit positiven Gefühlen, weil man weniger kardiovaskuläre Belastungen hat. Also weniger Herzinfarkt, weniger Bluthochdruck, weil man weniger Cortisol im Blut hat, wenn man positivere Gefühle hat. Das heißt, es kommt wirklich darauf an zu sagen: „Ja, ich ärgere mich, aber ich reguliere mich auch nach, sodass meine Physiologie, mein Körper, mein Gehirn, nicht darunter leiden und vor allen Dingen meine Umgebung, nicht die Menschen, die mich umgeben“.
Moderator:
Vielen Dank, Frau Professorin Brohm-Bardry, für die interessanten Einblicke in die Positive Psychologie. Ich hab auf jeden Fall einiges mitgenommen und werde das an der einen oder anderen Stelle mal direkt versuchen umzusetzen und freue mich auch, dass wenn ich dann wieder grinsend durch die Gegend fahre, das dann auch nicht falsch ist zumindest. Vielen Dank.
Michaela Brohm-Badry:
Vielen Dank, Herr Podszus.
Moderator:
Wenn euch diese Folge gefallen hat, dann kann ich euch noch weitere Herzschlag-Episoden ans Herz legen. Wir haben hier im Podcast zum Beispiel schon über das Thema Resilienz oder die Bewältigung von Krisen gesprochen. Eckart von Hirschhausen, der hat mir mal erzählt, wie das Thema Glück umgesetzt werden kann. Glück kann man jetzt nicht studieren, aber man kann so ein bisschen nachhelfen, welche Auswirkungen das auch auf unsere psychische Gesundheit hat.
All diese Folgen findet ihr auf der Website der BGW: www.bgw-online.de/podcast und natürlich auch auf allen Podcast-Plattformen. Dann wünsche ich euch einen schönen Tag. An die Punkte denken, die heute gut gelaufen sind und dann ist es vielleicht auch ein positiver Tagesabschluss. Tschüss, bis zum nächsten Mal.
(Sound Zeit zurückdrehen)
Jingle:
Herzschlag! Für ein gesundes Berufsleben, der BGW-Podcast.
Interviewgast
Prof. Dr. Michaela Brohm-Badry
Neurowissenschaftlerin für Lehr- Lernforschung
Motivation – Lernen – Positive Psychologie
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