Mutterschutz in Pflegeberufen #23 BGW-Podcast "Herzschlag - Für ein gesundes Berufsleben"
Schwangere und stillende Mütter werden durch das Mutterschutzgesetz in ihrem Beruf ganz besonders geschützt. Welche Rechte haben sie, welche Pflichten haben Arbeitgebende?
Die Unternehmen tragen dabei die Verantwortung. Was einen guten Mutterschutz ausmacht und was das vor allem den Arbeitgebenden bringt, das erfahren Sie in dieser Podcast-Folge.
Der Gesundheitsschutz, die Sicherheit am Arbeitsplatz oder auch die Gefährdungsbeurteilung – es sind viele verschiedene Themen, die im Mutterschutzgesetz geregelt sind. Und dann ist da ja auch noch der Kündigungsschutz. Die BGW steht Arbeitgebenden und Beschäftigten bei Fragen mit Rat und Tat zur Seite. Einen Einstieg bietet die Rubrik Mutterschutz.
Hier kommen Sie zum Transkript dieser Folge
Block 01: Begrüßung und Einleitung
Moderator: „Chef, wir müssen reden!“ Diesen Satz haben sicher schon einige Vorgesetzte und Führungskräfte gehört. Dabei geht es dann zum Beispiel um eine Gehaltserhöhung, die geleisteten Überstunden oder auch um eine Schwangerschaft. Über genau die, wollen wir heute sprechen. Genauer gesagt, über den Mutterschutz und das Mutterschutzgesetz. Ein ganz wichtiges Thema, nicht nur für die Mitarbeiterinnen, sondern auch für die Arbeitgebenden. Wir wollen unter andere, klären, welche Pflichten Führungskräfte haben und welche Rechte die schwangere Mitarbeiterin hat. Wir schauen uns konkrete Beispiele aus der Pflegebranche an, dort ist die psychische und die physische Belastung ja besonders hoch und wir stellen uns dabei die Fragen: „Dürfen Schwangere in Pflegeberufen zum Beispiel überhaupt ihre Arbeit fortsetzen?“ und „wie muss der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ausschauen?“ Zum Schluss klären wir auch über mögliche strafrechtliche Konsequenzen auf. Das alles in dieser neuen Podcast-Folge. Ich bin Ralf Podzus.
(Podcast-Opener)
Block 02: Interview mit Dr. Johanna Stranzinger, Susanne Scheffel und Ursula Höfer
Moderator: Eine Schwangerschaft ist etwas sehr schönes, gleichzeitig warten auch viele Veränderungen und Herausforderungen auf die werdende Mutter. Auch im Beruf gilt es, dabei einiges zu beachten. Die Verantwortung liegt da nicht nur bei der Mitarbeiterin, sondern vor allen auch bei den Arbeitgebenden. Dr. Johanna Stranzinger ist heute mein Gast, sie ist Fachärztin für Arbeitsmedizin bei der BGW. Und wird uns über den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz aufklären. Außerdem kann sie uns wertvolle Tipps zum Thema Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsbedingung geben. Frau Stranzinger, schön, dass Sie heute in dieser Podcast-Folge mit dabei sind!
Dr. Johanna Stranzinger: Hallo, Herr Podszus, ich freue mich.
Moderator: Ich habe heute auch noch einen zweiten Gast. Susann Scheffel vom BG-Klinikum Hamburg. Sie ist ebenfalls mit dabei. Hallo!
Susanne Scheffel: Auch von mir ein herzliches Hallo!
Moderator: Sie können uns aus der Praxis berichten und erklären, welche Vorteile ein guter Mutterschutz den Unternehmen bringt.
Susanne Scheffel: Ja, ich arbeite schon siebzehn Jahre in meinem Arbeitsbereich und ich kann gerne etwas zum Thema Mutterschutz erzählen, in meinem Bereich arbeiten viele junge MitarbeiterInnen und ich habe so im Jahr vier bis fünf werdende Mütter zu betreuen als Führungskraft. Von daher kann ich da einen guten Beitrag heute leisten.
Moderator: Ich bin gespannt. Und wenn irgendwo etwas schiefläuft, dann stellt sich oft die Frage: „Wer ist eigentlich dafür verantwortlich?“ Wichtig ist, das bereits im Vorfeld zu klären, damit es im Nachhinein nicht zu Problemen kommt. Und welche rechtlichen Konsequenzen es beim Mutterschutz geben kann, das klären wir später in dieser Podcast-Folge mit Ursula Höfer vom Amt für Arbeitsschutz, guten Tag!
Ursula Höfer: Ja, hallo Herr Podzus und auch hallo Frau Stranzinger und Frau Scheffel.
Moderator: Jetzt erst einmal zur Praxis. Frau Scheffel, wer ist denn grundsätzlich verantwortlich für den Mutterschutz?
Susanne Scheffen: Ja, danke für die Frage. In meinem Arbeitsfeld ist grundsätzlich verantwortlich die Führungskraft in engem Austausch und Dialog mit der werdenden Mutter oder der schwangeren Mitarbeiterin. Außerhalb des stationären Alltages ist dann die Sicherheitsfachkraft und auch der Betriebsarzt mit zuständig für einen gelungenen Mutterschutz oder die Umsetzung eines gelungenen Mutterschutzes.
Moderator: Die Verantwortung haben wir also geklärt. Jetzt sollten Führungskräfte und Vorgesetzte aber nicht abwarten, bis die erste Mitarbeiterin an die Tür klopft und mitteilt, dass sie schwanger ist. Frau Stranzinger, eine Schwangerschaft muss bereits vorher Thema sein. Ist das richtig? Stichwort: Gefährdungsbeurteilung.
Dr. Johanna Stranzinger: Ja, Herr Podzus, da sagen Sie ein wahres Wort. Ich sage gerne etwas zur Gefährdungsbeurteilung und warum das nicht nur ein Thema für die staatliche Gewerbeaufsicht, sondern auch für die Berufsgenossenschaft ist, die ich hier ja heute vertrete. Der Grund dafür liegt schon im Arbeitsschutzgesetz, das für alle Betriebe und Arbeitsplätze gilt. Es fordert eine Erfassung und Beurteilung aller arbeitsplatzbezogenen Risiken für Tätigkeiten, egal, ob jetzt Männer oder Frauen an den Arbeitsplätzen eingesetzt sind. Und eben auch in Hinsicht auf Gefährdungen für besondere Gruppen, wie zum Beispiel Schwangere und Stillende. In der Pflege gibt es Dauerbrenner, wie das schwere Heben und Tragen, Infektionsgefährdungen, Übergriffe auf Pflegende und andere psychische Belastungen, wie Zeitdruck und Stress. Zum Beispiel auch bei Personalmangel.
Susanne Scheffel: Ja, genau Frau Stranzinger. Das sehe ich genauso, wie Sie. Das öffnet nämlich die Tür für eine systematische Verbesserung im Sinne eines kontinuierlichen Prozesses für eine menschengerechte Arbeit. Die allen Mitarbeitern zugutekommen soll. Denn, auch vor einer Schwangerschaft müssen bestimmte Schutzmaßnahmen getroffen werden. Zum Beispiel Impfungen, die müssen rechtzeitig geplant werden.
Moderator: Wird die Gefährdungsbeurteilung nochmal extra angepasst, wenn es jetzt eine Schwangere im Unternehmen gibt, Frau Stranzinger?
Dr. Johanna Stranzinger: Ja, das Mutterschutzgesetz fordert tatsächlich nach Bekanntwerden einer Schwangerschaft zusätzlich zu der Gefährdungsbeurteilung nach Arbeitsschutzgesetz eine individuelle Gefährdungsbeurteilung und dann auch erst konkrete Maßnahmen zum Schutz der Schwangeren und dann später der Stillenden. Schade eigentlich, da die ersten Wochen und Monate die sensibelste Zeit für die Entwicklung des Fötus sind, deshalb sollen die Beschäftigen, egal ob Mann oder Frau, schon vorher bei betriebsinternen Schulungen zum Arbeitsschutz, bei Einweisungen und Unterweisungen auf mögliche Risiken und Schutzmaßnahmen für Schwangere und Stillende hingewiesen werden. Zur individuellen Gefährdungsbeurteilung und Beratung kann auch der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin einbezogen werden, um zum Beispiel den Immunstatus festzustellen oder über andere individuelle Beschäftigungsbeschränkungen der Schwangeren vertraulich zu beraten. Der Arbeitgeber muss die Meldung der Schwangerschaft an die staatliche Mutterschutzbehörde senden. Formulare dafür gibt es auf der Homepage der zuständigen Länderbehörden. Einfach googlen: Bundesland und Mutterschutz eingeben, dann erscheint die Startseite. Die BGW verlangt keine Schwangerschaftsmeldung der Arbeitgeber. Der Versicherungsschutz besteht auch ohne Meldung weiter.
Moderato: Jetzt wollen wir mal tiefer in die Materie einsteigen und uns die Umsetzung anschauen. Am Beispiel der Pflege. Frau Scheffel, der Gesundheitsschutz ist immer wichtig, in der Schwangerschaft ganz besonders. Was sind denn Tätigkeiten, die eine schwangere Mitarbeiterin konkret bei Ihnen auf der Abteilung ausführen darf. Und welche gehen überhaupt nicht oder nur mit Einschränkungen oder Hilfe?
Susann Scheffel: In meinem Arbeitsbereich werden unter anderem auch beatmete PatientInnen betreut, das bedeutet, dass werdende Mütter bei uns generell, bei allen Tätigkeiten FFP2-Masken tragen, die natürlich auch anstrengend sein können für werdende Mütter. Und damit sind generell Pausen jederzeit möglich. Ansonsten sind verbotene Tätigkeiten zum Beispiel Injektionen jeglicher Art, Versorgung in Notfällen, wenn die werdende Mutter da die Alleinverantwortung trägt, Krankentransporte sollen möglichst nicht alleine durchgeführt werden. Auch der Umgang mit unruhigen und aggressiven Patienten muss möglichst vermieden werden. Die Anwesenheit bei Röntgenkontrollen innerhalb des vorgeschriebenen Kontrollbereiches sollte nicht stattfinden. Ebenso die Verabreichung von radioaktiven Substanzen oder Cytostatika, die bei Krebserkrankungen notwendig sind. Auch die Versorgung von PatientInnen nach Operationen, wo eine Vollnarkose stattgefunden hat, sind eher kritisch zu sehen. Trotzdem gibt es sehr viele oder alle andere Tätigkeiten, die ich jetzt hier nicht aufgezählt habe, können werdende Mütter durchführen, wenn Sie entsprechende Schutzmaßnahmen einhalten. Im Grunde ist das Schutzkittel, Masken, Handschuhe. Ähnlich wie nicht schwangere Mitarbeiter das auch tun müssen. Und Hilfsmittel sollten sie benutzen, um einfach die Last des Gewichtes des Patienten zu minimieren, somit sind sie auch in meinem Arbeitsfeld sicher, in ihren Tätigkeiten.
Moderator: Frau Scheffel hat eben ja auch schon die Patientinnen erwähnt, die zum Beispiel beatmet werden. Es gibt in diesem Zusammenhang auch den Begriff der „unverantwortbaren Gefährdung“. Frau Stranzinger, was ist zum Beispiel, wenn eine Mitarbeiterin in der Radiologie arbeitet oder auf einer Infektionsstation? Dürfen diese Mitarbeiterinnen überhaupt noch weiterarbeiten?
Dr. Johanna Stranzinger: Ja, das ist ein wichtiges Thema. In der Radiologie darf die Mitarbeiterin in bestimmten Bereichen, ohne Strahleneinwirkung, auf alle Fälle weiterarbeiten. Außerdem können für Schwangere noch besondere Dosimeter ausgegeben werden, um eine Strahlenbelastung am Bauch und damit in der Nähe des Kindes, gesondert zu erfassen. Auf der Infektionsstation ist die Lage etwas anders, da hier die Schutzmaßnahmen nicht lückenlos greifen. Aber zuerst zum Begriff der „unverantwortbaren Gefährdung“. Der Begriff der „unverantwortbaren Gefährdung“ stammt aus dem Mutterschutzgesetz und beschreibt einerseits die Gefährdungen, die für Schwangere und Stillende und ihre Kinder bekanntermaßen schon immer schädlich und deshalb verboten waren und fordert auf der anderen Seite jedoch die Gesellschaft auf, sich Gedanken zu machen, ob die Tätigkeit noch zumutbar ist. Oder mit einem so hohen Schaden oder einer so hohen Eintrittswahrscheinlichkeit zu einem Schaden von Mutter und Kind führt, dass es nicht akzeptabel ist. Das ist zum Beispiel der Fall bei bestimmten Infektionskrankheiten der höchsten Risikogruppe 4. Aktuell auch bei Covid-19, obwohl der Erreger nur in Risikogruppe 3 eingeordnet wurde. Die Einstufung in Risikogruppen 1-4 berücksichtigt die Schwere der Erkrankung, die Präventions- und Therapiemöglichkeiten, aber nicht mögliche Fehlbildungen der Kinder. Für Einwirkungen von Gefahrstoffen, Biostoffen oder nichtstofflichen Gefährdungen, bei denen das noch nicht so klar ist, muss sich der stattliche Ausschuss für Mutterschutz und die Arbeitsschutzbehörden damit auseinandersetzen und Regelungen finden. Das hat auch für Covid-19 stattgefunden.
Moderator: Und wie haben da der staatliche Ausschuss für Mutterschutz und die Arbeitsschutzbehörden direkt entschieden? Weil, Covid-19 und Pandemie ist ja eine Gefährdung für werdende Mütter?
Dr. Johanna Stranzinger: Also, das ist etwas differenziert zu betrachten. Aber generell dürfe Schwangere nicht auf Covid-19-Stationen arbeiten oder mit Personen, die unter Verdacht stehen, SARS-COV-II infiziert zu sein. Man weiß heute noch immer zu wenig über diesen Erreger und seine Auswirkungen auf Mutter und Kind. Deshalb soll man SARS-COV-II Infektionen vermeiden. Durch manche Infektionserreger kann es eben nicht nur zu Erkrankungen der Mutter, sondern auch zu Störungen oder zum Absterben der Schwangerschaft kommen. Nicht bei allen Erregern ist ein spezifisches Schädigungsmuster, wie zum Beispiel nach einer Röteln- oder Zytomegalie-Infektion bekannt, auch nicht bei SARS-COV-II. Es deutet im Moment alles daraufhin, dass es durch SARS-COV-II jedoch in der späteren Schwangerschaft, bei der Schwangeren selbst zu einem komplizierten Verlauf und einer damit verbundenen Lungenentzündung kommen kann. Und dadurch das Leben und die Gesundheit von Mutter und Kind gefährdet werden. In den USA und England war es bei Covid-19-Fällen zu einer höheren Frühgeburtlichkeitsrate gekommen. Solche Daten sind aus Deutschland bislang nicht bekannt.
Moderator: Wir gehen natürlich davon aus, dass der Mutterschutz in jedem Unternehmen, ob in der Pflege oder irgendwo anders vorbildlich umgesetzt wird. Am Ende hat davon nämlich nicht nur die Mitarbeiterin etwas, auch das Unternehmen selbst profitiert davon. Wie genau Frau Scheffel?
Susann Scheffel: Nun ja, ein gut umgesetzter Mutterschutz bedeutet, dass eine gut ausgebildete Fachkraft, eben auch die werdende Mutter oder die Schwangere Mitarbeiterin noch bis zum Eintritt der Mutterschutzfrist in meinem Arbeitsbereich arbeiten kann. Eben sechs Wochen vor Geburtstermin steht sie mir noch zur Verfügung. Bei einem eng begleiteten und vertrauensvoll umgesetzten Mutterschutz kehrt diese Mitarbeiterin nach der Elternzeit wieder ins Team zurück. Und somit bleibt diese gut ausgebildete Fachkraft im Unternehmen und die Arbeitskraft erhalten.
Moderator: Ein guter Mutterschutz lohnt sich also gleich doppelt. Für das Unternehmen selbst, aber natürlich auch für die schwangere Mitarbeiterin. Ich bedanke mich bei Susann Scheffel vom BG-Klinikum Hamburg und bei Dr. Johanna Stranzinger von der BGW. Sie haben uns interessante Einblicke in das noch sehr umfangreiche Thema Mutterschutz gegeben. Vielen Dank.
Susann Scheffel: Sehr gerne.
Dr. Johanna Stranzinger: Sehr gerne und danke auch Ihnen Herr Podzus.
Moderator: Wir haben eben die ganze Zeit über das Mutterschutzgesetz gesprochen und wo es ein Gesetz gibt, da kann man sich auch strafbar machen. Wie es mit dem Vollzug des Mutterschutzgesetzes ausschaut, das wird und jetzt Ursula Höfer vom Amt für Arbeitsschutz erklären. Hallo Frau Höfer, noch einmal, schön, dass Sie dabei sind.
Ursula Höfer: Ja, hallo Herr Podzus, vielen Dank auch, dass ich dabei sein darf.
Moderator: Frau Höfer, was droht Arbeitsgebenden denn im schlimmsten Fall, wenn sie das Mutterschutzgesetz nicht einhalten?
Ursula Höfer: Ja, ein Verstoß gegen das Mutterschutzgesetz kann schon sehr teuer werden. Es kommt natürlich darauf an, was man den Arbeitgebenden vorwerfen muss. Soweit zum Beispiel eine Frau beschäftigt wird, obwohl diese eigentlich einem Beschäftigungsverbot unterliegt, müssen Arbeitgebende mit sehr hohen Bußgeldern bis zu 30.000 € rechnen. Im schlimmsten Fall, wenn durch die an sich verbotene Beschäftigung die Gesundheit der Frau oder ihres Kindes gefährdet wird, handelt es sich sogar um eine Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe bis ein Jahr bedroht ist. Bei formal Verstößen, zum Beispiel wenn Unterlagen nicht rechtzeitig vorgelegt werden, können Bußgelder bis zu 5.000 € entstehen.
Moderator: Wann beginnt und endet eigentlich genau die Schutzfrist mit Arbeitsfreistellung für schwangere Mitarbeiterinnen?
Ursula Höfer: Grundsätzlich darf die Frau in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung und bis zum Ablauf von acht Wochen, bzw. bei Früh- und Mehrlingsgeburten sogar bis zu zwölf Wochen nach der Entbindung nicht beschäftigt werden. Dabei berechnet sich der Beginn der Mutterschutzfrist vor der Geburt nach dem errechneten voraussichtlichen Geburtstermin. Entbindet eine Frau nicht am errechneten Tag, verkürzt oder verlängert sich die Schutzfrist vor der Geburt entsprechend. Soweit die Frau vor dem errechneten Geburtsdatum entbindet, geht ihr aber nicht verloren, denn in diesem Fall verlängert sich die Schutzfrist nach der Entbindung um den entsprechenden Zeitraum. Entbindet zum Beispiel die Frau 14 Tage vor dem errechneten Geburtstermin verlängert sich ihre Schutzfrist nach der Geburt genau um diese 14 Tage. Ich möchte an dieser Stelle aber auch darauf hinweisen, dass die Frau auf die Schutzfrist vor der Geburt verzichten kann. Auf der Schutzfrist nach der Geburt, dafür gilt das nicht, denn da unterliegt sie eine absoluten Beschäftigungsverbot.
Moderator: Kann man sich dann ja auch leicht so errechnen, je nach dem, wann der Geburtstermin ist. Frau Höfer, wo wir vielleicht auch noch so ein bisschen Licht ins Dunkle bringen sollten. Welche Arbeitsverhältnisse deckt denn das Mutterschutzgesetz überhaupt ab? Also fällt da auch die Auszubildende oder die Mini-Jobberin mit rein und wie schaut es bei einem befristeten Arbeitsvertrag aus?
Ursula Höfer: Das ist eigentlich ganz einfach. Das Mutterschutzgesetz gilt für alle Arbeitnehmerinnen. Egal, ob diese befristet, unbefristet, in Voll- oder Teilzeit, als Auszubildende oder auch nur als sogenannte Mini-Jobberin beschäftigt wird. Neu ist aber seit 2018, dass die Gesundheitsvorschriften des Mutterschutzgesetzes auch für Schülerinnen und Studentinnen gelten, soweit sie Tätigkeiten ausführen, die von den Schulen und Hochschulen festgelegt werden. Auch unter den Schutz des Mutterschutzgesetzes fallen mittlerweile verpflichtende Praktika im Rahmen einer schulischen oder hochschulischen Ausbildung. Wie zum Beispiel während eines Praktikums im Chemiestudium. Auch dann ist die Frau von dem Mutterschutzgesetz erfasst. Das heißt also, das Mutterschutzgesetz schützt Frauen, während der Berufsausbildung, Vorbereitung der Berufsausbildung, der beruflichen Fortbildung oder auch der betrieblichen Umschulung. Das heißt auch, Praktikantinnen, Frauen im Rahmen des freiwilligen sozialen Jahres oder des Bundesfreiwilligen Dienstes, unterliegen dem Schutz des Mutterschutzgesetzes.
Moderator: Was beim Mutterschutz garantiert auch gilt ist der Satz „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ oder?
Ursula Höfer: Auf jeden Fall. Wir haben ja schon gehört, das Kernelement des Arbeitsschutzes, aber auch des modernen Mutterschutzes im Betrieb ist die sorgfältige Gefährdungsbeurteilung. Dabei handelt es sich bei der Beurteilung der Gefährdung um Schwangere und Stillende, nicht um einen vom allgemeinen Arbeitsschutz abgekoppeltes Vorgehen. Vielmehr ist die Gefährdungsbeurteilung für werdende und stillende Mütter als Teil der Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz definiert. Das hatte ja auch Frau Stranzinger vorhin schon erwähnt. Arbeitgebende sind insoweit verpflichtet, im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung, die Gefährdung für Schwangere und Stillende Frauen zu betrachten. Schutzmaßnahmen festzulegen und jetzt kommen wir zu dem Thema Kontrolle, vor allem auch die getroffenen Maßnahmen regelmäßig auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Unabhängig von dieser regelmäßigen Überprüfung muss Arbeitgebenden natürlich auch bei Änderung der Arbeitsbedingungen die Gefährdungsbeurteilung und die daraus resultierenden Schutzmaßnahmen noch einmal besonders auf ihre Wirksamkeit unter den neuen Gegebenheiten überprüfen.
Moderator: Es gehört jede Menge dazu, wenn eine Mitarbeiterin Schwanger ist. Vor allem wenn sie weiterhin in ihren Beruf arbeiten möchte. Stichwort: Kündigungsschutz von Schwangeren. Auf was müssen unternehmen hier achten?
Ursula Höfer: Ja, die Kündigung einer Schwangeren oder einer Frau in den ersten vier Monaten nach der Geburt ist nicht so einfach möglich. Sondern kann nur dann von den Arbeitgebenden ausgesprochen werden, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde und das ist in Hamburg das Amt für Arbeitsschutz zum Beispiel, dieser Kündigung schriftlich zugestimmt hat. Soweit eine Kündigung ausgesprochen wird, bevor die Aufsichtsbehörde zugestimmt hat, wäre diese Kündigung unwirksam. Das heißt, das Arbeitsverhältnis kann nicht beendet werden. Nur dann, wenn die Aufsichtsbehörde zugestimmt hat, kann man wirksam das Arbeitsverhältnis beendigen. Dieser besondere Kündigungsschutz gilt im Prinzip aber nur dann, wenn dem Arbeitgeber, bzw. der Arbeitgeberin die Schwangerschaft zum Zeitpunkt der Kündigung bekannt war oder die zum Zeitpunkt der Kündigung bereits bestehende Schwangerschaft innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Kündigung mitgeteilt wird. Wird die Frau erst nach Zugang der Kündigung schwanger, so gilt das Kündigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz nicht.
Moderator: Jetzt kommen wir zum lieben Geld, auch ein wichtiger Punkt. Was steht schwangeren Frauen genau zu?
Ursula Höfer: Für die Zeit der Schutzfristen vor und nach der Geburt erhalten erwerbstätige Frauen grundsätzliche einen finanziellen Ausgleich: Das sogenannte Mutterschaftsgeld oder sie erhalten gegebenenfalls auch einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Dadurch soll die Frau finanziell so abgesichert werden, dass für sie kein Anreiz besteht unter Inkaufnahme von gesundheitlichen Gefährdungen für sich oder für das Kind während der Schutzfristen weiterzuarbeiten. In der Höhe entspricht das Mutterschaftsgeld grundsätzlich dem durchschnittlichen Nettoeinkommen der letzten drei Kalendermonate, in denen die Frau vor Beginn der Schutzfristen ein Entgelt bezogen hat. Aber auch dann, wenn die Schwangere außerhalb der Schutzfristen ein Beschäftigungsverbot unterliegt. Zum Beispiel ein betriebezogenes Beschäftigungsverbot, braucht sie keine finanziellen Nachteile zu befürchten. Denn, sie hat gegenüber ihrem Arbeitgeber einen Anspruch auf den sogenannten Mutterschutzlohn. Der Mutterschutzlohn entspricht in der Regel dabei ebenfalls mindestens der Höhe des Durchschnittsverdienstes der letzten drei Beschäftigungsmonate vor Eintritt der Schwangerschaft. Arbeitgebende brauchen aber jetzt keine Angst haben, dass sie auf den Kosten sitzen bleiben, denn sie bekommen Lohnkosten im Rahmen des Lohnausgleichsverfahrens, des sogenannten U2-Verfahrens auf Antrag von der Krankenkasse erstattet.
Block 03: Verabschiedung
Moderator: Wir haben in dieser Podcast-Folge viel zum Mutterschutz gehört. Das Thema ist sehr umfangreich und weitere Informationen dazu finden Sie auch auf der Website der BGW. Einfach mal reinklicken unter: bgw-online.de/Mutterschutz. In den Shownotes dieser Podcast-Folge gibt es außerdem einen Link zu einer Broschüre des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Auch da einfach mal draufklicken. Ich bedanke mich bei Ursula Höfer vom Amt für Arbeitsschutz. Mit ihrer Hilfe konnten wir auch die rechtliche Seite beim Thema Mutterschutz beleuchten.
(Outro - Herzschlag, für ein gesundes Berufsleben. Der BGW-Podcast)
Die Interviewgäste
Dr. Johanna Stranzinger, BGW, Hamburg
Fachärztin für Arbeitsmedizin
Susann Scheffel, BG Klinikum Hamburg
stellv. Bereichsleitung Ebene 40
Ursula Höfer, Amt für Arbeitsschutz
Referentin
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