
Alarmsignal Schulterschmerz BGW magazin 3/2025
Manche Tätigkeiten können auf Dauer die Schulter schädigen. Die Berufskrankheitenliste trägt dem seit April 2025 mit einer neu aufgenommenen Berufskrankheit Rechnung: der Läsion der Rotatorenmanschette durch langjährige und intensive Belastung. Doch Schmerzen und chronische Erkrankungen müssen nicht sein. Wie sich gegensteuern lässt.

Arbeiten über Schulterhöhe bei der tiermedizinischen Untersuchung am Großtier
Im Friseurhandwerk gehört es zum Alltag, mit erhobenen Armen zu arbeiten – sei es beim Schneiden, Föhnen oder Stylen der Haare. Auch in zahnärztlichen Praxen oder bei der Behandlung von Großtieren in der Tiermedizin wird häufig auf oder über Schulterhöhe hantiert. Solche Tätigkeiten können jedoch eine erhebliche körperliche Belastung für Muskeln und Sehnen im Schulter- und Nackenbereich mit sich bringen.
Es kommt auf die Dauer und Häufigkeit der Belastung an
Physiotherapeut Thomas Krehl kennt die Warnsignale: Verspannungen, Ziehen in Schulter und Nacken, Schmerzen. Im BGW studio 78, einem Schulungszentrum für das Friseurhandwerk, rät der Referent für Gesundheitspädagogik Seminarteilnehmenden deshalb, auf Abwechslung bei der Arbeit, Pausen und Ausgleichsübungen zu achten. Bewegungseingeschränkte Haltungen oder ergonomisch ungünstige Bewegungen sind zunächst noch kein größeres Problem. Jeden Tag stundenlang mit über Schulterniveau erhobenen Händen arbeiten, Haare föhnen oder glätten, kann aber durchaus ein gesundheitliches Risiko darstellen.
Im Friseursalon ist der Spiegel eine tolle Hilfe, um die eigene Haltung zu überprüfen. Ansonsten einfach mal an eine Wand stellen, um die Aufrichtung zu üben!

Die Belastung summiert sich auf. Im schlimmsten Fall kann das weitreichende Folgen haben. Seit Kurzem findet sich in der Berufskrankheitenliste – dem Verzeichnis der in Deutschland anerkannten Berufskrankheiten (BK) – als neue BK 2117 die "Läsion der Rotatorenmanschette der Schulter". Diese Diagnose bezieht sich auf Schäden an den Muskeln und Sehnen rund um das Schultergelenk, die durch langjährige, intensive Belastung entstehen können. Die Abnutzungserscheinungen äußern sich in Sehneneinrissen oder komplettem Sehnenriss. Betroffene klagen über ziehende, stechende Schmerzen, vor allem auch nachts, beim Liegen auf der betroffenen Schulter. Die Schmerzen können in den Nacken und Oberarm ausstrahlen. Die Beweglichkeit ist eingeschränkt.
- Arbeiten mit den Händen auf Schulterniveau oder darüber
- häufig wiederholte Bewegungsabläufe des Oberarms im Schultergelenk
- Arbeiten, die eine Kraftanwendung im Schulterbereich erfordern, insbesondere das Heben von Lasten
- Hand-Arm-Schwingungen
Tätigkeiten prüfen
In Tätigkeitsfeldern wie Friseurhandwerk, Zahn- und Tiermedizin wirkt sich in erster Linie die "Überschulterarbeit" aus. Dagegen haben beispielsweise Beschäftigte in der Kranken- und Altenpflege viel mit dem Bewegen von Menschen zu tun – Stichwort: Handhaben von Lasten. Hier gilt es, insbesondere Transfers ergonomisch zu gestalten und die Kraftanwendung durch schweres Heben zu reduzieren.

Bei zahnmedizinische Behandlungen kann es zu Zwangshaltungen kommen, die die Schulter belasten.
Hier wie dort sind sowohl Betriebe als auch Mitarbeitende gefordert, ihren Beitrag zu leisten, damit es nicht zur Erkrankung kommt. So lässt sich zwar kaum vermeiden, dass im Friseursalon die Haare der Kundschaft mit erhobenen Händen schön gemacht werden. Oder dass zahnärztliche Behandlungen in ungünstigen Haltungen auch mal länger dauern. Aber wie oft, in welcher Reihenfolge und wie die Tätigkeiten ausgeführt werden, ist eben doch beeinflussbar. Genauso wie zum Beispiel der Hilfsmitteleinsatz in der Pflege Belastungen vermindern kann.
Am Anfang steht die entscheidende Frage: Wo liegen eigentlich gesundheitliche Risiken vor? Antwort gibt die Gefährdungsbeurteilung. Mit ihr ermitteln die Verantwortlichen im Betrieb, wie wahrscheinlich Gefährdungen bei den jeweiligen Tätigkeiten sind und welche Schutzmaßnahmen erforderlich sind. Das fängt bei technischen Maßnahmen an, wie dem Einsatz von Hilfsmitteln und der ergonomischen Ausstattung am Arbeitsplatz.
Arbeitsplatz anpassen, Ausgleich schaffen
In der Kranken- und Altenpflege kann es beispielsweise hilfreich sein, im Team die richtige Haltung beim Transfer sowie die Nutzung von Hilfsmitteln zu trainieren. Gesundheitspädagoge Krehl hat das Beispiel Friseursalon vor Augen: Dinge, die man häufig braucht, sollten nicht oben im Regal gelagert werden. Shampoo, Handtücher und Ähnliches sind besser griffbereit auf Tischhöhe platziert. Und den Bedienstuhl jedes Mal auf die passende Höhe einstellen!
Krehl empfiehlt auch, Pausenzeiten richtig zu nutzen: Der Körper benötigt Ausgleich zur bewegungseingeschränkten Haltung während der Arbeit. Wer stattdessen länger aufs Handy schaut, sorgt für zusätzliche Belastung. Viele ziehen die Schultern eher hoch, neigen sich vor, strecken das Kinn nach vorn. Besser ist es, rauszugehen, aktiv zu werden, sich aufzurichten und vor allem die Schulter-Nacken-Muskulatur zu dehnen.
Das gilt auch für die Freizeit: Laufen ist toll, aber wer beruflich Belastungen des Schulterapparats ausgesetzt ist, sollte mit moderatem Training gezielt etwas für den Oberkörper tun.
Tipps für Beschäftigte
Wie oft kommen "Überschulterarbeit" oder Tätigkeiten mit Kraftanwendung im Schulterbereich vor? Lässt sich mehr Abwechslung einbauen?
Bewusst aufrichten, Schultern entspannen, zwischendurch die Schulterblätter nach hinten unten ziehen.
Was fällt anderen auf? Wie machen sie es? Gegenseitig korrigieren und inspirieren.
Von: Anja Hanssen