Durchblick beim Mutterschutz BGW magazin - 1/2024
Wie und wo darf ich Schwangere eigentlich beschäftigen? Diese Frage dürfen sich Verantwortliche nicht erst stellen, wenn eine Mitarbeiterin ihre Schwangerschaft bekannt gibt. Bereits im Vorfeld ist einiges zu tun. Und die Regelungen des gesetzlichen Mutterschutzes reichen bis in die Stillzeit.
Mutterschutz muss nicht beantragt werden und ist nicht von einer Zustimmung abhängig. Er gilt unmittelbar. Auch kann eine schwangere Frau nicht darauf verzichten. Deshalb sollte sie ihre Schwangerschaft mitteilen, sobald sie weiß, dass sie schwanger ist.
Basis ist das Mutterschutzgesetz (MuSchG). Es bezieht alle Frauen in einem Beschäftigungsverhältnis ein – egal ob befristet, in Teilzeit oder Vollzeit angestellt oder noch in der Probezeit. Der Schutz erstreckt sich auch auf Auszubildende, Schülerinnen und Studentinnen, Praktikantinnen oder Minijobberinnen. Nur Selbstständige sind nicht einbezogen.
Ziel ist es, die Gesundheit der Frau und ihres Kindes am Arbeitsplatz zu schützen, und zwar ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt. Frauen sollen ihre Tätigkeit möglichst weiter ausüben können und nicht durch eine Schwangerschaft benachteiligt werden.
Viele kennen einige der Fristen rund um den Mutterschutz. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber stehen aber von Anfang an in der Verantwortung, Gefährdungen für die schwangere und stillende Frau und ihr Kind möglichst zu vermeiden. Hierbei sind sowohl arbeitszeitliche Anforderungen als auch weitergehende Fragen des betrieblichen Arbeitsschutzes zu beachten.
Vor der Entbindung
6 Wochen
vor errechnetem Entbindungstermin darf eine Schwangere nicht mehr beschäftigt werden – es sei denn, sie stimmt ausdrücklich zu.
Nach der Entbindung
8 Wochen
nach der Entbindung darf die Mitarbeiterin nicht beschäftigt werden – auch dann nicht, wenn sie ausdrücklich zustimmt.
12 Wochen
Die Frist verlängert sich auf 12 Wochen
- bei Mehrlingsgeburten,
- bei medizinischen Frühgeburten,
- bei Geburt eines Kindes mit Behinderung.
Bei Frühgeburten verlängert sich der Anspruch zusätzlich noch um die vor der Geburt nicht genommene Zeit.
Dreh- und Angelpunkt: Gefährdungsbeurteilung
Der Mutterschutz wird für Unternehmen nicht erst relevant, wenn ein konkreter Anlass besteht. Das Thema ist bereits vorsorglich in der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung zu bearbeiten, selbst wenn zu diesem Zeitpunkt keine Frau beschäftigt wird. Tritt später tatsächlich eine Schwangerschaft ein, wird die Gefährdungsbeurteilung fortgeschrieben und durch eine personenbezogene Gefährdungsbeurteilung speziell für diese Mitarbeiterin an diesem Arbeitsplatz angepasst.
- Die allgemeine, anlassunabhängige Gefährdungsbeurteilung muss bereits eine Schwangerschaft berücksichtigen.
- Eine anlassbezogene Gefährdungsbeurteilung muss erstellt werden, wenn die Schwangerschaft bekannt ist.
Schon vor einer Schwangerschaft sind also die Tätigkeiten und möglichen Gefährdungen für Schwangere und ihr Kind am Arbeitsplatz grundsätzlich zu prüfen. Welche Schutzmaßnahmen sind erforderlich? Wie lassen sich beispielsweise die Ruhepausen ermöglichen, auf die werdende Mütter Anspruch haben?
Rangfolge der Schutzmaßnahmen
Anzustreben ist, dass die Mitarbeiterin ihre Tätigkeit fortführen kann. Sofern das angesichts der Gefährdungen nicht möglich ist, sind Schutzmaßnahmen in dieser Rangfolge zu ergreifen:
Liste: Rangfolge der Schutzmaßnahmen im Mutterschutz
Umgestaltung der Arbeitsbedingungen
Einsatz an einem anderen Arbeitsplatz (wenn Umgestaltung nachweislich nicht möglich oder unzumutbar)
Beschäftigungsverbot (auch Teilbeschäftigungsverbot)
Gibt eine Mitarbeiterin ihre Schwangerschaft bekannt, sind die Schutzmaßnahmen umzusetzen. Dazu ist der Schwangeren ein Gespräch über die Anpassung der Arbeitsbedingungen anzubieten – auch, um zu klären, ob zusätzliche Maßnahmen nötig sind. Das Angebot und das Ergebnis des Gesprächs müssen Arbeitgebende schriftlich dokumentieren. Außerdem melden sie die Schwangerschaft an die zuständige Behörde.
Zu beachten: Arbeitszeit
Für schwangere und stillende Frauen gelten besondere Anforderungen an die Arbeitszeit. Zum Beispiel dürfen sie nicht über 8,5 Stunden täglich beziehungsweise 90 Stunden in zwei Wochen beschäftigt werden. Für erforderliche Untersuchungen und zum Stillen sind sie freizustellen. Außerdem sind Ruhezeiten einzuhalten.
Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sind verboten. Nur unter bestimmten Umständen kann eine Ausnahmegenehmigung von der zuständigen Behörde eingeholt werden.
Was passiert bei einer "unverantwortbaren Gefährdung"?
Die Weiterbeschäftigung der schwangeren und stillenden Frau hat Priorität. Zunächst sind alle möglichen und zumutbaren Schutzmaßnahmen auszuschöpfen. Nur Tätigkeiten, die nach Mutterschutzgesetz unzulässig sind, dürfen grundsätzlich nicht ausgeübt werden. Dahingehend sind beispielsweise Tätigkeiten mit Biostoffen, Gefahrstoffen, körperlichen Belastungen oder physikalischen Einwirkungen besonders zu prüfen.
Liegt eine "unverantwortbare Gefährdung" (§ 9 MuSchG) vor und ist kein Arbeitsplatzwechsel möglich, müssen Arbeitgebende ein betriebliches Beschäftigungsverbot erteilen. Dann greift das sogenannte Umlageverfahren U2 und die Krankenkasse der Arbeitnehmerin erstattet auf Antrag deren Bezüge. Finanziert wird das über eine Pflichtabgabe aller Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber.
Ein Beschäftigungsverbot aufgrund unverantwortbarer Gefährdung kann auch von der zuständigen Behörde erteilt werden. Es bezieht sich wie das betriebliche Beschäftigungsverbot immer auf die Arbeitsumstände. Darüber hinaus sind Beschäftigungsverbote von ärztlicher Seite möglich, je nach individuellem Gesundheitszustand der schwangeren Frau.
§ 11 Mutterschutzgesetz benennt Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen, die eine unzumutbare Gefährdung für die schwangere Frau und ihr Kind darstellen. Eine solche liegt unter anderem vor,
- wenn sie Gefahrstoffen ausgesetzt ist, die krebserregend, erbgutverändernd oder fruchtbarkeitsgefährdend sind,
- wenn sie Kontakt mit Biostoffen der Risikogruppen 2, 3 oder 4 hat und über keinen ausreichenden Immunschutz verfügt,
- wenn sie in Räumen mit Überdruck (§ 2 DruckluftV) tätig ist,
- wenn es zu erhöhter körperlicher Belastung kommt, zum Beispiel
- wenn regelmäßig Lasten schwerer als 5 kg oder gelegentlich schwerer als 10 kg ohne mechanische Hilfsmittel zu tragen sind,
- wenn sie nach Ablauf des 5. Schwangerschaftsmonats mehr als 4 Stunden bewegungsarm ständig steht,
- wenn sie sich häufig erheblich strecken, bücken, dauernd hocken, gebückt halten oder sonstige Zwangshaltungen einnehmen muss,
- wenn erhöhte Unfallgefahren durch Ausgleiten, Fallen, Stürzen oder durch Tätlichkeiten zu befürchten sind.
Rückkehr an den Arbeitsplatz gestalten
Elternzeit? Rückkehr in Teilzeit? Stillt die Mitarbeiterin? Auch nach der Geburt und der entsprechenden Schutzfrist ist im Betrieb einiges zu klären. Stillende haben beispielsweise Anspruch auf Stillzeiten zusätzlich zu den regulären Pausen, sogar inklusive eventuell nötiger Wegzeiten nach Hause und zurück. Und für sie gelten weiterhin die Regelungen des gesetzlichen Mutterschutzes – von den arbeitszeitlichen Vorgaben bis hin zu erforderlichen Schutzmaßnahmen und unzulässigen Tätigkeiten.
Tipp: Online-Kurs "Mutterschutz"
Wenn schwangere Frauen oder stillende Mütter beschäftigt werden, müssen Arbeitgebende einiges beachten. In 45 bis 60 Minuten erläutert ein Online-Kurs auf dem BGW-Lernportal rechtliche Grundlagen, Zuständigkeiten sowie Schutzmaßnahmen. Dazu gibt es Tipps zum Vorgehen im Betrieb und zur Gefährdungsbeurteilung. Der Kurs ist kostenlos und frei zugänglich.
Die Themen:
- Grundlagen des Mutterschutzes: Zuständigkeiten, Ziele, Schutzfristen, Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz
- Umsetzung in der betrieblichen Praxis: Regelungen und Pflichten, anlassunabhängige und anlassbezogene Gefährdungsbeurteilung, Branchenspezifika
- Hinweise und Tipps zur Organisation und Durchführung im eigenen Betrieb: zuständige Aufsichtsbehörde, meldepflichtige Ausnahmen, Befugnisse der zuständigen Behörde, Checkliste
Von: Renate Korte und Dr. Johanna Stranzinger