Pflegeroboter: Was sie schon können und was nicht #112 BGW-Podcast "Herzschlag - Für ein gesundes Berufsleben"
Über Robotik und KI in der Pflege geht es auch im zweiten Teil des Gesprächs mit Professor Oliver Bendel, Experte für Informations-, Roboter- und Maschinenethik an der Hochschule für Wirtschaft FHNW in Windisch (Schweiz). Während in Teil 1 Fragen wie „Was können Pflegeroboter heute leisten?“, „Wohin entwickelt sich die Technologie?“ und „Wer trägt Verantwortung bei Fehlern von Pflegerobotern?“ im Mittelpunkt standen, wird nun dort angeknüpft, wo die letzte Folge endete.
Gemeinsam beleuchten Ralf und Oliver die Grenzen des KI-Einsatzes in der Pflege und die Herausforderungen, die Pflegeroboter und KI in diesem Bereich mit sich bringen könnten.
Hier kommen Sie zum Transkript dieser Folge
Moderator:
Willkommen zurück. Hier ist der zweite Teil zum Thema ‚KI und Robotik in der Pflege‘. In Teil eins, da habe ich mit Prof. Dr. Oliver Bendel gesprochen. Oliver ist Professor für Informations-, Roboter- und Maschinenethik an der Hochschule für Wirtschaft FHNW in Windisch in der Schweiz. Wir haben die Fragen geklärt: Was können Pflegeroboter bereits? Wo geht die Reise in Zukunft noch hin? Wer trägt die Verantwortung, wenn Pflegeroboter Fehler machen, ja vielleicht sogar Patienten und Patientinnen verletzten? Wie werden Betroffene am besten geschützt?
Wenn ihr den ersten Teil des Podcasts noch nicht gehört habt, dann holt das gerne mal nach. Jetzt spreche ich weiter mit Oliver. Die Künstliche Intelligenz und Roboter, die werden immer wichtiger für unsere Gesellschaft und Oliver hat gleich für euch weitere interessante News und praktische Beispiele.
Jingle:
Herzschlag! Für ein gesundes Berufsleben, der BGW-Podcast.
Moderator:
Ich freue mich jetzt, dass Prof. Dr. Oliver Bendel wieder am Start ist und wir heute noch mehr erfahren werden. Mit KI, Roboter und das in Bezug auf Pflege und was so alles in der Zukunft demnächst vor uns so rumhopsen wird mit metallischen Freunden. Hallo Oliver, schön, dass du wieder dabei bist.
Prof. Dr. Oliver Bendel:
Ja hallo, ich freue mich, wieder da zu sein. Ja, Metall und Kunststoff muss man natürlich sagen und überhaupt gibt es inzwischen sehr viele Materialien, die die Roboter haben. Ich freue mich auf die ganzen Themen, die dann auf uns zukommen gleich.
Moderator:
Welche Materialien sind denn bei Pflegerobotern besonders wichtig und entscheidend?
Prof. Dr. Oliver Bendel:
Das ist eine schöne Frage. Man hat natürlich wiederum die Unterscheidung, Assistenzroboter und soziale Roboter, da hat man verschiedene Materialien. Wenn der Roboter physisch manipulieren soll, wenn er unterwegs ist, wenn er mobil ist, wenn man ihn auch anfassen soll, wenn er vielleicht Umarmungen macht und so weiter, dann braucht man angenehme Materialien. Ein Roboter, mit dem ich viel zu tun habe in der Schweiz, der wirklich etwas physisch manipulieren kann, der hat zum Beispiel Kunstleder als Hülle. Das ist ein schönes Material. Es lässt sich gut abwaschen, gut pflegen und so weiter.
Also grundsätzlich haben natürlich Roboter oft ein Skelett oder eine Grundstruktur aus Metall und Kunststoff. Aber die Oberfläche wird dann bei bestimmten Robotern verkleidet und bei bestimmten Assistenzrobotern kann das durchaus auch weiches, angenehmes Material sein. Ansonsten viel Kunststoff. Bei Androiden, die wir ja auch haben. Wir kennen alle „Sophia“ von Hanson Robotics oder andere. Da kommen noch …
Moderator:
Das musst du mal ganz kurz beschreiben, für die, die sie nicht kennen.
Prof. Dr. Oliver Bendel:
Ja, „Sophia“ ging durch die Medien und im Gespräch um die Welt. Spätestens dann, als Saudi-Arabien ihr Staatsbürgerinnenrechte zugestanden hat. Was natürlich wiederum ein tolles Marketing war. Sie kann überhaupt keine Rechte und Pflichten wahrnehmen. „Sophia“ ist wie „Erika“ oder wie „Harmonie“ ein Android, also wirklich sehr, sehr menschenähnlich gestaltet. Das zeigt sich vor allem am Kopf. Das ist vielleicht auch noch ein wichtiger Unterschied. Die Roboter haben unterschiedliche Bewegungsstrukturen, Bewegungsapparate.
Aber bei Androiden wird der Kopf sehr menschenähnlich gestaltet. Das bedeutet, man nimmt zum Beispiel Silikon für die Haut, Silikon für die Zunge, Silikon für die Zähne. Silikon kann man hart oder weich ausarbeiten und entsprechend ist Silikon bei Androiden tatsächlich die erste Wahl. Es gibt noch billigere Lösungen, die sieht man oft aus China auch. Zweitens Haare beispielsweise. Man hat Perücken bei solchen Androiden und das können auch Echthaarperücken sein. Was auch ganz faszinierend ist, wenn man solche Roboter bestellt, über Plattformen oder beim Hersteller direkt, dann kann man oft wie beim Auto einen Customizer oder Generator anspringen lassen und sich das Ding dann zusammenstellen lassen.
Bei Androiden kann man dann auswählen zwischen Formen oder Strukturen der Haut. Zwischen verschiedenen Haaren, dunkle Haare, helle Haare und so weiter. Man kann verschiedene Augenfarben wählen, man kann verschiedene Augenbrauen wählen und jetzt wird es noch lustiger. Man kann auch Sommersprossen anbringen lassen oder Piercings oder Tattoos und so weiter. All das kann man wählen in so einem Konfigurator, wie er ja heißt. Auch in der Automobilindustrie. Am Schluss ist ja das Problem bei jedem Konfigurator, dass der Preis am Ende zu hoch ist, also man packt alles in den Warenkorb.
Moderator:
Das ist ja schon wie das Konfigurieren der „Love Doll“ mittlerweile. Du bist ja schon fast menschlich irgendwie.
Prof. Dr. Oliver Bendel:
Genau. Das ist dasselbe Prinzip. „Harmonie“ ist auch so eine „Love Doll“. Sie ist robotisch im Kopfbereich, ansonsten ist sie eine Puppe. Auch andere Androiden dieser Art funktionieren so. Man kann den Konfigurator anwerfen und sich dann das Material aussuchen. Ich möchte aber betonen, die Verwendung von Silikon und Haar und solchen Merkmalen, das ist etwas, was man Androiden vorbehält. Das ist nichts, was sich in normalen Assistenzrobotern findet oder in einem normalen Serviceroboter. Die sind in der Regel aus Kunststoff und irgendwo ist noch Metall dabei.
Man verwendet Displays, das ist ein toller Trick, um bestimmte Gesichtspartien abzubilden. Vor allem Augen und Mund. Es gibt eine Firma, Navel Robotics in München, die hat was sehr Beeindruckendes gebaut. Sie hat nicht nur Displays genommen, sondern hat vor die Displays Linsen gebaut. Diese Linsen bündeln das Licht und man glaubt dann, dass die Augen von „Navel“ rund sind. Es entsteht Dreidimensionalität, wo gar keine ist und dadurch wird der Roboter sehr eindrücklich und sehr echt.
Manche haben mir auch schon gesagt, etwas zu echt, es gruselt sie etwas, wenn dieser Junge sie anschaut, dieser robotische Junge. Aber es ist toll gemacht, es ist wirklich Ingenieurskunst. Solche Tricks gibt es noch, neben Kunststoff, Silikon, Metall. Man arbeitet mit Displays, die auch den Riesenvorteil haben, dass sie beliebige Dinge darstellen können. Ich weiß noch mein erstes Mal am Times Square in New York. Ich war so fasziniert, vor allem von den Displays, und dort hat man die Besonderheit, wie auch in Tokio, dass es auch gerundete Displays gibt, die sind sehr teuer, also in der Robotik verzichtet man eher auf sowas und versucht Tricks zu machen, wie mit dieser Linse.
Moderator:
Jetzt sind diese Maschinen menschenähnlich. Besteht ja die Gefahr, dass man sie auch quasi vermenschlicht?
Prof. Dr. Oliver Bendel:
Ja, die Gefahr besteht lustigerweise immer, und zwar schon bei unserem Auto. Ich frage immer regelmäßig ab, wer seinem Auto einen Namen gegeben hat. Es sind immer so fünf bis zehn Prozent, also fünf Prozent melden sich, die anderen fünf Prozent trauen sich nicht. Also ich würde …
Moderator:
So funktioniert Wissenschaft.
Prof. Dr. Oliver Bendel:
Traue nur der Statistik, die du selbst gefälscht hast. Genau, aber so ganz grob, es gibt genügend Leute, die tatsächlich ihrem Auto einen Namen gegeben haben. Jetzt habe ich schon ähnliche Umfragen gemacht in Bezug auf das Smartphone. Niemand gibt seinem Smartphone einen Namen und ich hab versucht herauszufinden, woran liegt das. Warum vermenschlichen wir bestimmte Maschinen, die noch gar keine Roboter sind? Meines Erachtens liegt es an mehreren Faktoren. Es ist die Bewegung dieser Maschinen. Es ist der Umstand, dass sie lange bei uns sind, dass sie Begleiter werden, dass sie zum Teil wie das Auto Wohnstuben werden. Für uns, für die Generationen, die in den 60ern, 70ern geboren sind, waren Autos ja auch ein Stück Freiheit. Man ist mit der Freundin rausgefahren oder dem Freund und hat da den ersten Sex gehabt und so weiter. Das waren Freiräume.
Moderator:
Damals noch keine Puppe.
Prof. Dr. Oliver Bendel:
Genau, damals noch mit echten Menschen, echtes Knutschen. Übrigens auch dazu eine kurze Geschichte. Es gibt eine wunderbare Maschine von einer japanischen Kollegin. Das ist der „Kissenger“, ein schönes Wortspiel aus mehreren Dingen. Das ist ein Smartphone mit einem Silikonaufsatz. Dort knutsche ich hinein und so kommt es dann am anderen Ende beim anderen Aufsatz heraus, 1000 Kilometer weiter. Das heißt, der andere bekommt wirklich meinen Kuss. Das ist toll, das ist eine schöne Sache. Also, es gibt unter den Maschinen auch sehr künstlerisch verspielte.
Moderator:
Menschen, die früher gedacht haben: Wenn ich jetzt beim Fax den Zettel hier reinstecke, dann kommt er. Sowas ist mittlerweile quasi doch auch schon fast wieder möglich.
Prof. Dr. Oliver Bendel:
Absolut, ja. Das ist wieder ein aufregendes Gebiet, muss ich sagen, aber ganz klar, die klassische Knutscherei war schon die Beste. Um das jetzt noch fortzuführen: Alles, was sich bewegt, was uns nahe ist, was Bedeutung für uns hat, vermenschlichen wir per se. Das können Autos sein, das können andere Gegenstände sein. Jetzt, wenn die Maschinen aber auch noch Augen haben, Münder haben oder sprechen können, dann stürzt alles in sich zusammen. Dann verlieren wir komplett die Grenze zwischen Maschine und Mensch, dann nehmen wir die Maschine als Mensch wahr.
Letzten Endes, die Natur hat uns auch beigebracht, alles sofort zu beurteilen, was Augen hat, was Mund hat, was uns anspricht. Wir müssen sofort Gefahr erkennen oder Chancen erkennen. Also ganz grob, ich weiß, dass ist eine schreckliche Verkürzung, aber wir müssen wissen, ob uns das Gegenüber umbringen will oder sich mit uns fortpflanzen will. Deshalb müssen wir die Augen lesen können. Wir müssen das Lächeln lesen können und so weiter. Alles, was Augen und Mund hat, Bewegung, menschenähnliche Bewegung, ist eine Falle, in die wir tracken müssen. Wir können nicht anders, wir können erst durch intensives Nachdenken reflektieren, durch Erfahrungen wieder aus der Falle herauskommen und irgendwann zur Einsicht kommen:
OK, es ist halt doch nur eine Maschine. Dort ist kein Interesse für uns, keine Liebe, kein Hass und es ist ungeheuer wichtig, aus der Falle herauszukommen. Denn wer in die Falle auch gerät, sind Kinder oder Alte, sind vulnerable Gruppen. Und deshalb brauchen wir dringend Medienunterricht, der eben auch Roboter und KI-Systeme beinhaltet. Das ist ganz wichtig. Wir Erwachsenen kommen wieder heraus aus der Nummer, aus der Falle, die uns die Maschine gestellt hat, aber Kinder nicht unbedingt. Es gibt eindrückliche Studien und Videos, wo man zeigen kann, dass Kinder nach zehn Minuten mit Robotern reden wie mit einem alten Freund, das ist eine große Gefahr.
Moderator:
Also zu sehr menschlich dürfen die Puppen nicht sein, gerade auch nicht in der Pflege. Ich denke auch so an Chucky die Mörderpuppe irgendwie. Die muss gar nicht richtig böse gucken, da reicht schon das normale Aussehen, was dann doch irgendwie auch so ein bisschen gruselig daherkommt. Dann lieber maschineller und praktischer Auftreten und dann eben die beschriebene Funktion ausführen, die du erwähnt hast. Nun ist der EU AI Act in Kraft getreten. Das klingt schon ziemlich wie so eine Spezialeinheit. Kannst du uns kurz erklären, was der alles beinhaltet und was hier gefordert wird, Stichwort Risiko-Management-Systeme?
Prof. Dr. Oliver Bendel:
Ja, der AI Act ist gar nicht schlecht gemacht. Natürlich ist das auch ein bisschen Marketing für die EU. Die EU will sich immer als Einrichtung verkaufen, die auf den Datenschutz achtet und so weiter. Trotzdem, der Vorschlag hier ist schon schön gemacht. Und zwar teilt dieser Act ein in verschiedene Kategorien und unvertretbares Risiko. Er geht ja vor allem auf KI-Systeme ein, die aber auch dann in Robotern implementiert sein können. Also er spricht von Stufe eins – unvertretbares Risiko, von Stufe zwei – hohes Risiko, von Stufe drei – begrenztes Risiko und von Stufe vier – minimales Risiko.
Man versucht jetzt, Systeme dort einzuordnen. Zum Beispiel Social Scoring, was ich schon untersucht habe am Beispiel von China, gilt als Stufe eins – unvertretbares Risiko. Das heißt, die EU will keine Systeme, die uns ständig bewerten, evaluieren und uns dann bestimmte Belohnungen geben oder bestimmte Dinge auch wegnehmen, wie Versicherung oder Reisemöglichkeiten. Das ist verboten. Unvertretbares Risiko, hohes Risiko, in diese Kategorien werden tatsächlich viele Systeme im Bereich Gesundheit fallen, manche auch in den Bereich begrenztes Risiko. Das sind KI-Systeme, die erhebliche Gefahren für Gesundheitssicherheit oder Grundrechte mit sich bringen. Hier gibt es strenge Anforderungen hinsichtlich Qualität, Transparenz, menschlicher Aufsicht und Sicherheit.
Du hast erwähnt, es braucht tatsächlich in diesem Bereich auf Stufe zwei – Hochrisiko – braucht es Risiko-Management-Systeme und für diese Risiko-Management-Systeme sind auch wieder bestimmte Schritte einfach vorgesehen. Zum Beispiel Identifizierung und Analyse der Risiken, Schätzung und Bewertung der Risiken. Dann bewertet man die Risiken, wenn Daten anfallen, im tatsächlichen Betrieb. Dann will man bestimmte Risiko-Management-Maßnahmen annehmen und aufgleisen, die darauf abzielen, die identifizierten Risiken zu adressieren. Also tatsächlich, ich habe jetzt kurz geschildert, es gibt vier Risikostufen nach diesem AI Act und auf der Stufe Hochrisiko braucht man unbedingt Risiko-Management-Systeme und das müssen Krankenhäuser und Pflegeheime erstmal implementieren. Das ist nicht ganz trivial, das alles umzusetzen.
Das bedeutet, wir brauchen neue Ressourcen, wir brauchen neue Abläufe und wir stecken mal wieder zu und Ressourcen auch in die nicht primären Prozesse. Das sehe ich natürlich auch an Hochschulen, wenn ich das so bemerken darf, nebenbei. Eigentlich denken wir ja, wir Dozenten, wir sind die Primärprozesse, wir machen die Lehre, wir unterrichten die Studierenden. Das ist auch so, und um uns herum bauen sich immer mehr Verwaltungsapparate auf, die zum Teil unsere Arbeit gar nicht verstehen, die die Ressourcen wegnehmen.
Jetzt sage ich wirklich böse Sachen, aber im Krankenhaus und Pflegeheim ist das auch die Gefahr und ich verstehe vollkommen wenn Pflegekräfte und Ärzte sagen, Moment, hier werden jetzt Dinge eingeführt, Roboter, KI-Systeme und wir brauchen so ein Bollwerk drumherum solche Maßnahmen, dass keine Zeit und kein Geld mehr für uns, für die eigentliche Tätigkeit übrig ist. Das ist ein Problem.
Moderator:
Das Problem ist wieder die Technik. Die schreitet selbst voran. Wir müssen sie integrieren, müssen natürlich aber auch Rahmenbedingungen dafür legen. Wir müssen gerade im Bereich der Pflege, wo es um Menschen geht, und auch für die Mitarbeitenden natürlich wichtige Hilfen schaffen, Sicherheiten einbauen. Das kommt alles auf einmal. Hier den Überblick zu behalten, das ist wahrscheinlich die allergrößte Herausforderung.
Prof. Dr. Oliver Bendel:
Das kommt noch dazu. Also, es gibt natürlich jeden Tag Unternehmen, die gar nicht mehr existieren, weil sie es nicht geschafft haben, gerade im Bereich der sozialen Robotik. Es gibt jeden Tag neue Entwicklungen. Ich sah die großen Sprachmodelle, das war mein großer Glücksfall, schon 2019 massiv auf uns heranrollen. Ich hab damals mit einem Androiden, mit einem sehr humanoiden Roboter gesprochen und hab mich gewundert, dass ich wirklich eine halbe Stunde mit ihm sprechen kann und der keinen Unsinn von sich gibt. Ich habe den anwesenden KI-Experten dann gefragt. Er hat gesagt Oliver schaut dir das genau an. Unser Roboter spricht mit einem großen Sprachmodell und das war damals GPT in einer frühen Version, nämlich GPT 2.0.
Aber um das klarzumachen, solche Änderungen, solche Neuerungen, solche Disruptionen wie die großen Sprachmodelle kommen im Moment jeden Tag. Ich bin wirklich einer, der sich jeden Tag mit KI und Robotik beschäftigt. Ich lege inzwischen selber Ruhepausen ein, weil ich mir sage, es nutzt nichts, wenn ich die siebte Version Sprachmodell wieder lerne und das Tempo ist selbst für mich zu hoch und das ist sehr schwierig. Im Krankenhaus, im Pflegeheim muss man genau auf dem Radar haben, wer bietet was an, was sind die technischen Entwicklungen, sind die morgen überholt? Das ist beliebig schwierig.
Moderator:
Hilft da vielleicht auch der Blick nach Japan zum Beispiel. Überalterte Gesellschafter sind schon seit Jahren Pflegeroboter im Einsatz, die düsen da durch die Heime hin und her, können wir aus deren Erfahrung lernen.
Prof. Dr. Oliver Bendel:
Ja und nein. Jetzt sage ich noch mal was Böses, was mir aber in Japan Kellner gesagt haben. Japan ist toll in Sachen Roboter, sowohl in Sachen Assistenzroboter und in Sachen soziale Roboter. Aber sie machen auch gutes Marketing und sie sprechen einfach sehr gerne über das, was bei ihnen stattfindet. Sie machen auch Robotercafés und Roboterrestaurants. Manchmal sind einfach verkleidete Menschen darin zu finden, die so tun, als wären sie Roboter. Ich würde sagen, tatsächlich Europa und USA müssen sich nicht verstecken in der Robotik. Wir haben gerade mit Kalifornien, mit Texas, mit Frankreich, mit Deutschland, mit der Schweiz, haben hervorragende Player. Vielleicht müssen wir mehr über unsere Leistungen auch sprechen.
Das wäre das eine, wenn die Medien und wenn die Öffentlichkeit bei uns in Deutschland oder in der Schweiz etwas aufgreifen in diesem Bereich, sind sie oft skeptisch, und das ist ein weiterer Punkt. Auch dort findet Marketing statt in Japan. Nicht nur bei den Entwicklern, bei den Herstellern, auch in den Medien. Man hat mehr Zugewandtheit zu den Robotern. Das liegt übrigens an ganz alten Geschichten, die wir in Europa von Robotern erzählen, wenn wir bei „Homer“ oder bei „Ovid“ in die Texte gehen, dann sehen wir schon roboterähnliche, gestalten, künstliche Kreaturen und die meisten von ihnen sind ziemlich schrecklich. Ich denke zum Beispiel an „Pandora“. Das ist die Frau mit der Büchse oder „Anthalus“, den Wächter der Insel Kreta.
Moderator:
Ich habe auch zu viele Terminator-Filme geguckt, muss ich sagen.
Prof. Dr. Oliver Bendel:
Genau, dadurch ist natürlich unser Blick extrem geprägt in Europa. Deshalb würde ich sagen, erstens, wir sprechen mehr über unsere Entwicklungsleistung in Europa, in den USA. Zweitens, vielleicht sind die Medien und die Öffentlichkeit etwas offener. Man darf absolut skeptisch sein. Man sollte sogar manche Systeme verbieten bin ich der Meinung. Aber wir sollten gelassener und offener über Roboter und ihren Einsatz sprechen.
Jetzt, wenn wir noch was konkret anschauen, was in Japan der Fall ist. Dort wird natürlich „Paro“ vieleingesetzt, die Therapierobbe ist nachempfunden an der Babysattelrobbe. Aber die gibt es auch in der Schweiz und in Deutschland in vielen Pflegeheimen. Dort wurde eingesetzt „Robear“ ein großer, schwerer Roboter, der Menschen aufrichten und umbetten kann. Der wird nicht mehr eingesetzt, weil er zu schwer ist. Eine zu große Unfallgefahr bedeutet. Ansonsten, wie gesagt, kommen inzwischen viele Entwicklungen genauso gut von uns und natürlich auch von China.
Das muss ich doch noch sagen. China rollt den Markt in einer Weise auf, dass man sich fast fürchten muss und sie machen das natürlich auch auf der preislichen Ebene. Wir können vier Beine und zwei Beine aus China kaufen, die praktisch so viel können wie unsere Roboter aus den USA oder aus Europa, die einen Bruchteil davon kosten. Das wird natürlich auch durch Subventionen erreicht und so könnte uns China wirklich platt machen in Sachen Robotik.
Ich glaube, natürlich ist Japan ein Vorbild. Es gibt auch wunderbare Forscher von dort, die grandiose Arbeit machen. Gerade in der Androiden Herstellung ist Japan ganz an der Spitze, neben anderen Firmen, die aus den USA kommen wie Hanson Robotics, die sind inzwischen in Hongkong und neben diesem großen Vorbild Japan müssen wir unbedingt einen Blick auf China werfen. Da sind Chancen und Risiken vorhanden.
Moderator:
Jetzt reden wir über KI, über Roboter und es fallen trotzdem immer wieder so Begriffe wie fürchten, verbieten, platt machen. Wie siehst du jetzt die Zukunft mit Robotern und wie können wir den Skeptikerinnen und Skeptikern unter uns die Angst nehmen?
Prof. Dr. Oliver Bendel:
Ja, erstmal: Ich verstehe die Angst. In Europa ist sie eben lang geschürt. Du hast auch den Terminator erwähnt. Der Terminator ist noch ein schönes Beispiel, weil die Roboter Filme dieser Art oder die Cyborg-Filme dieser Art, die faszinieren uns natürlich auch, also im Schrecken wohnt auch ein Vergnügen, ein Staunen, eine Lust fast.
Moderator:
Ich habe auch immer mehr Angst, dass Arnold Schwarzenegger wieder anfängt zu sprechen. Das war meine größte Befürchtung.
Prof. Dr. Oliver Bendel:
Also ein Vorschlag von mir ist, den habe ich vor ein paar Jahren von einem Bundesministerium zum ersten Mal geäußert, dass wir Roboter-Parks einrichten. Meine Idee ist, dass wir irgendwas haben zwischen Rust und Jurassic Park und dort haben wir 200 Roboter. Mit denen können sich die Leute abgeben. Sie können mit ihnen interagieren, kommunizieren und dann auf dieser Basis, die entsteht, weil dann bekommt man ein Gefühl für den Roboter, für das, was er kann und nicht kann. Auf dieser Basis hat man dann vielleicht ein besseres Urteilsvermögen in Bezug auf Roboter.
Das heißt, mir ist ganz wichtig, ich will den Leuten nichts einreden. Du fragst auch nach meiner persönlichen Sicht, ich liebe natürlich Roboter, das sage ich ganz offen. Ich habe viele Roboter. Roboter sind mein tägliches Brot, aber ich bin gleichzeitig der Meinung, alle Menschen sollten auf einer bestimmten Basis entscheiden, ob sie das wollen oder nicht wollen. Ob sie zum Beispiel gepflegt oder therapiert werden wollen von einem Roboter, das sollte jeder für sich selbst festlegen dürfen. Das bedeutet aber auch, wir sollten nicht alle öffentlichen Bereiche mit Robotern zukleistern. Dann hat man keine Chance mehr zu entkommen.
Was ich zum Beispiel auch betone, ich habe „Paro“ erwähnt, die Babysattelrobbe, das ist ein toll gemachtes Ding. Es kann sich auf den Flossen aufstützen, es kann einen angucken. Es kann nette Geräusche von sich geben. Die Effekte sind positiv. Es hilft den Dementen, es hilft Unruhigen, es hilft den älteren Menschen tatsächlich und ich möchte das für mich ausschließen. Ich sehe mich jetzt wie ich „Paro“ in der und habe in den Armen habe und mir gefällt dieses Bild nicht und ich möchte selbstbestimmt jetzt sagen, nein, das geht mir zu weit. Ich möchte bestimmte Dinge nicht. Was ich haben will, sind eher Assistenzroboter, die was für mich tun, wenn ich es nicht kann. Ich habe die informationelle Autonomie erwähnt, das schafft mir persönliche Autonomie. Ich liege im Bett, ich bin vielleicht querschnittsgelähmt und dann kann der Roboter etwas für mich tun. Das wäre eine tolle Zukunft.
Wenn wir Roboter-Parks schaffen, wo die Menschen Assistenzroboter, soziale Roboter, Exoskelette, vielleicht gehirngesteuerte Rollstühle und so weiter ausprobieren können, dann können Sie auf dieser Grundlage sagen „Hot or Not“. Das will ich oder ich will es nicht oder ich will es sogar für viele Menschen, oder nicht für viele. Menschen gehen die Politik um das Mitzusteuern und mit zu kontrollieren. Wir sind ja alles so schlecht zu sprechen auf unsere Politiker. Aber immerhin sind es Menschen, die es wagen, Dinge zu tun und das mit dem hohen persönlichen Risiko. Jeder von uns sollte in einer Demokratie auch Lust dazu verspüren, sich einzubringen, und das kann gegen oder für Roboter.
Moderator:
So ein Parlament aus Robotern, das würde ich jetzt auch kritisch sehen.
Prof. Dr. Oliver Bendel:
Ja, ich auch.
Moderator:
Aber das ist eine schöne Idee mit dem Roboter-Park auch, vielleicht in der Pflege. Vielleicht gibt es so ein Musterbereich im Krankenhaus, wo es speziell so eine Abteilung gibt, wo man da mal reinschnuppern kann oder wo es hier auch bedeutende praktische Fortschritte schon gibt, wo auch alle üben können. Auch die die da arbeiten, vor allem um da mal dran zu kommen. So könnte, weil es wird ja passieren, der Mix aus Mensch und Maschine werden in der Zukunft im Pflegeberuf.
Prof. Dr. Oliver Bendel:
Auch die Angehörigen könnten dorthin kommen. Denn wir stellen in unseren Projekten fest, die Pflegebedürftigen, die sind sehr schnell zu bekommen, wenn sie den Mehrwert von Robotern feststellen. Aber die Angehörigen haben Riesenangst, die denken, jetzt haben wir Oma und Opa ihr schon abgeschoben ins Pflegeheim, und jetzt kümmert sich noch ein Roboter um sie, dann verzweifelt man fast und lehnt die Roboter ab, obwohl die Roboter ganz anders daherkommen. Obwohl sie zum Teil wirklich einfach triviale, aber nützliche Dinge tun.
Das ist eine schöne Idee von dir und in diesem Bereich im Krankenhaus oder Pflegeheim. Dort müssten die Pflegebedürftigen rein, dort müssten Leute sein, die noch nicht pflegebedürftig seien müssen, dann müssten die Angehörigen mit rein und die Pflegekräfte. Die Pflegekräfte sind unbedingt abzuholen und diese Form von Robotik darf auch nicht ohne die Pflegewissenschaften stattfinden. Das wirft man uns immer wieder zurecht vor, dass wir zu wenig Pflegewissenschaftler hier hineinbringen. Also dieses Gebiet muss von allen gemeinsam gestemmt werden.
Moderator:
Einfach alle zusammenarbeiten und was du gerade beschrieben hast, das kann man ja zusammenfassen mit einem Wort: Inklusion. Auch mit Technik. Inklusion ist einfach immer richtig. Ganz viele interessante Facts zum Thema Pflegeroboter gibt es auch zum Lesen übrigens unter Olivers wissenschaftlicher Leitung. Da haben sich im Rahmen eines Ladenburger Diskurses der Daimler und Benz Stiftung Disziplinen getroffen und über den aktuellen und künftigen Einsatz von Pflegerobotern gesprochen. Den Link zum Buch findet ihr in den Show-Notes dieser Podcast-Folge. Auch die BGW, die hat sich intensiv mit der Technisierung in der Pflege beschäftigt im Projekt Pflege 4.0.
Sprecher aus dem Off:
Das Projekt Pflege 4.0 wurde 2016 von der BGW, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der ‚Offensive Gesund pflegen‘ ins Leben gerufen, um die Rolle moderner Technologien in der Pflege zu untersuchen. Es zeigt: Technik ist bereits weit verbreitet und hat großes Potenzial, den Pflegealltag zu erleichtern, sei es durch bessere Vernetzung, effiziente Arbeitsorganisation oder weniger körperliche Belastung. Doch es gibt auch Herausforderungen, beispielsweise bei Datenschutz, Refinanzierung und der Einbindung des Pflegefachpersonals in die Entwicklung neuer Technologien. Der Bericht basiert auf Befragungen und Workshops und gibt Einblicke in Chancen und Hürden der Digitalisierung in der Pflege.
Moderator:
Den ganzen Forschungsbericht, den findet ihr in den Show-Notes dieser Podcast-Folge. KI ist spannend ja, und so gehört immer mehr in unseren Alltag, egal in welchem Bereich. Oliver vielen Dank für deinen Input zu diesem Thema und wir könnten noch Stundenlang weiter sprechen und ich sehe auch schon die Verbindung von dir.
Prof. Dr. Oliver Bendel:
Machen wir es.
Moderator:
Ich sehe auch schon die Verbindung von dir, Wissenschaft und Ethik ist in diesem Bereich enorm wichtig.
Prof. Dr. Oliver Bendel:
Absolut. Und ich bin ja Informations-Ethiker, Roboter-Ethiker und Maschinen-Ethiker. Vor 20 Jahren haben alle den Kopf geschüttelt. Inzwischen ist es zum Thema geworden und das freut mich unheimlich. Vielleicht auf einen zweiten Podcast irgendwann. Es hat Spaß gemacht Ralf.
Moderator:
Sehr gerne. Seid ihr eher ängstlich bei diesem Thema, KI und Roboter oder seid ihr eher optimistisch? Haben euch Olivers Infos, die Angst vor Pflegerobotern genommen? Postet das gerne mal als Kommentar bei eurer Lieblings-Podcast-App und schreibt auch gerne eure Meinung. Folgen von Herzschlag findet ihr überall, wo es Podcast gibt und natürlich auch auf der Webseite der www.bgw-online.de/podcast. Ja, ich freue mich auf die nächste interessante Folge. Bis zum nächsten Mal.
Jingle:
Herzschlag! Für ein gesundes Berufsleben, der BGW-Podcast.
Interviewgast
Prof. Dr. Oliver Bendel
Wissenschaftler und Professor für Informations-, Roboter- und Maschinenethik an einer Hochschule für Wirtschaft FHNW in Windisch
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