Sexuelle Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz #08 BGW-Podcast "Herzschlag - Für ein gesundes Berufsleben"
Wie groß ist das Problem sexueller Gewalt im Gesundheits- und Sozialwesen? Und was lässt sich dagegen unternehmen? Das beleuchtet diese Podcast-Folge mit zwei Expertinnen der BGW.
In einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gaben 17 Prozent aller Frauen und 7 Prozent aller Männer an, schon einmal bei der Arbeit sexuell belästigt worden zu sein. Im Gesundheits- und Sozialbereich trifft man häufig auf eine noch höhere Betroffenheit.
Die Prävention spielt eine sehr wichtige Rolle beim Thema der sexuellen Belästigung und Gewalt. Denn Beschäftigte in Pflege- und Betreuungsberufen sind gefährdet bei der Arbeit sexuell belästigt zu werden - zum Beispiel von Menschen, die von den Beschäftigten betreut oder versorgt werden.
Diese Podcast-Folge informiert, wie Prävention möglich ist. Außerdem präsentieren wir erste Ergebnisse einer Studie darüber, welche Art der sexuellen Gewalt Beschäftigte bei der Arbeit erleben. Hinter der Studie stehen die BGW und die Universität Hamburg.
Hier kommen Sie zum Transkript dieser Folge
Block 01: Begrüßung und Einleitung
Moderator: Hallo Ralf Podszus ist hier mit der neuen Podcast-Folge der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege BGW. Wir haben schon mal in einer Folge darüber gesprochen, über das Thema Aggression und Gewalt am Arbeitsplatz. Da erzählte uns Hanna über ihre Gewalterlebnisse auf der Arbeit.
Hanna: In der Altenpflege passiert ganz viel, wenn die Menschen durcheinander sind oder wenn sie hilflos sind, werden die dann ganz oft brutal, schlagen mit dem Stock nach den Mitarbeitern, kneifen, schreien. Das ist ganz furchtbar auch für die Mitarbeiter, die den Menschen ja was Gutes tun wollen.
Moderator: In dieser Podcast-Folge geht es um eine andere, besondere Art der Gewalt am Arbeitsplatz. Wir sprechen über die sexualisierte Gewalt. In einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gaben 17% aller Frauen und 7% aller Männer an, schon einmal bei der Arbeit sexuell belästigt worden zu sein. Im Gesundheits- und Sozialbereich trifft man häufig auf eine noch höhere Betroffenheit. Und Studien zeigen auch, dass wenn nach konkreten Vorfällen gefragt wird, die Anzahl der Betroffenen noch höher ist. Wir sprechen heute darüber, wie sexualisierte Gewalt entsteht und was man gegen sie tun kann.
(Podcast-Opener)
Block 02: Interview mit Claudia Vaupel und Dr. Heike Schambortski
Auch Beschäftigte in Pflege- und Betreuungsberufen sind gefährdet, bei der Arbeit sexuell belästigt zu werden. Die Belästigungen gehen sehr häufig von Menschen aus, die durch die Beschäftigten betreut oder versorgt werden. Was das genau bedeutet und welche Art der sexuellen Gewalt die Beschäftigten bei der Arbeit erleben, das war bislang noch nicht erforscht. Die BGW hatte deshalb zusammen mit der Uni Hamburg eine Studie in Auftrag gegeben, die das herausfinden sollte. Und jetzt gibt es erste Ergebnisse. Über die spreche ich mit meinen Gästen, Claudia Vaupel und Dr. Heike Schambortski. Schön dass ihr heute dabei sind, hallo.
Claudia Vaupel: Hallo, ja hallo auch von meiner Seite.
Claudia Vaupel Sie sind Psycho-Traumatologin bei der BGW. Wir haben bereits in einer vorhergegangenen Folge schon darüber gesprochen, was Gewalt und Aggression am Arbeitsplatz für Folgen hat. Sexualisierte Gewalt ist eine besondere Art von Gewalt am Arbeitsplatz. Was genau ist sexualisierte Gewalt und was macht sie aus?
Claudia Vaupel: Ja sexuelle Belästigung, Gewalt ist jedes unerwünschte sexualisierte Verhalten und zentral ist, dass es die Würde von Beschäftigten verletzt. Das umfasst zum Beispiel unerwünschte Handlungen, Äußerungen, Gesten, die einen sexuellen Charakter tragen und bei den Betroffenen einschüchternd oder anstößig, beschämend, erniedrigend oder auch als bedrohlich empfunden werden.
Moderator: Sexuelle Belästigung und Gewalt sind ein weit umfassendes Themengebiet. Um es besser verständlich zu machen, wird grob zwischen drei unterschiedlichen Dimensionen unterschieden. Können Sie die benennen?
Claudia Vaupel: Ja das ist richtig. Also wir unterscheiden zwischen nonverbaler, verbaler und körperlicher sexueller Belästigung und Gewalt. Beispiele für verbale sexuelle Belästigungen sind Bemerkungen sexuellen Inhalts. Das ist typischerweise das Erzählen von anzüglichen Witzen oder Anspielungen, nonverbale sexuelle Gewalt sind Gesten oder Mimik mit sexuellem Bezug. Beispiele können sein das Zeigen von pornografischen Bildern oder das Entblößen von Körperteilen, zum Beispiel gegenüber einer Pflegekraft und dann gibt es noch die körperliche Gewalt und die reicht von ungewolltem Betätscheln, Streicheln, Küssen bis hin tatsächlich zu massiven sexuell körperlichen Übergriffen.
Moderator: Sie begleiten die Studie der BGW und Universität Hamburg. Ziel war es, herauszufinden unter anderem welche Art der sexuellen Gewalt Beschäftigte erleiden. Was ist jetzt dabei rausgekommen?
Claudia Vaupel: Ja wir sind im Moment noch in der Auswertephase, genauere Ergebnisse erwarten wir dann im Herbst. Aber was ich schon mal verraten kann ist, dass wir uns sehr gefreut haben, dass 900 Beschäftigte aus dem Gesundheitswesen sich die ganze Zeit genommen haben und unsere Studienfragen beantwortet haben und es zeigt jetzt schon, dass alle drei Arten von sexueller Belästigung und Gewalt über alle Branchen auftreten. Die Branchen, die wir untersucht haben, sind Allgemein-Krankenhäuser, Rehabilitationskliniken, psychiatrische Krankenhäuser, Einrichtungen der Behindertenhilfe und Werkstätten und stationäre und ambulante Altenpflege.
Moderator: Die Folgen dieser sexuellen Gewalt am Arbeitsplatz sind auf keinen Fall zu unterschätzen. Was haben Sie dabei herausgefunden?
Claudia Vaupel: Also grundsätzlich sind die Folgen von sexueller Belästigungen und Gewalt viel gravierender als andere psychische Belastungen. Das hängt einfach damit zusammen, dass diese Erfahrung sehr viel von der Intimsphäre verletzt und das ist in aller Regel mit starken Schamgefühlen verbunden und vielleicht, wenn sie sie selbst mal geschehen kann, dann weiß man wie unangenehm dieses Gefühl ist und dass es häufig dazu führt, dass man eher nicht darüber spricht und sich auch nicht öffnen kann, und das würden diejenigen Betroffenen nur tun, wenn ein großes Vertrauensverhältnis besteht. Grundsätzlich zusammengefasst kann man sagen, es können alle möglichen Symptome auftreten bis hin zu einer richtig ernsthaft behandlungsbedürftigen Störung wie die posttraumatische Belastungsstörung und auch hier nochmal, um zurück auf unsere Studie zu kommen. Wir haben eine Vorstudie, die zeigte ganz klar, dass es Zusammenhänge zwischen der sexuellen Belästigung und diversen Gesundheitsproblemen gibt. Also zum Beispiel negative Zusammenhänge mit emotionaler Erschöpfung, Depressivität, aber auch psychosomatischen Störungen, wie zum Beispiel die Schlafstörung und diese Zusammenhänge zeigen sich nicht nur bei körperlicher sexueller Gewalt, was man vielleicht denken würde, sondern eben auch schon niedrigschwelliger, also bei nonverbaler Belästigung und verbaler sexueller Belästigung.
Moderator: Viel zu lange haben Frauen und Männer über sexuelle Belästigung und Gewalt geschwiegen. Das wurde in den vergangenen Jahren ziemlich deutlich. Da bekam das Thema im Internet einen Namen #MeToo. Frauen und auch Männer haben sich unter diesem Hashtag im Internet zu Wort gemeldet und dann über ihre Erfahrungen offen und ehrlich berichtet. Dr. Heike Schambortski, Sie sind Präventionsexpertin bei der BGW. Welche Bedeutung hat die MeToo-Debatte für Beschäftigte?
Dr. Heike Schamborstki: Ja sie hat eine große Bedeutung, weil es immer gut und wichtig ist, dass öffentlich über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gesprochen wird. Die MeToo-Debatte, die hat dazu beigetragen, dass das Thema enttabuisiert wird. Es ist noch nicht komplett enttabuisiert, aber es ist auf einem guten Weg und das senkt die Schwelle für Betroffene, im eigenen Arbeitsumfeld darüber zu sprechen, weil wenn Menschen das Gefühl bekommen, sie sind nicht die einzige Person, die das betrifft, dann hilft das zu erkennen, dass es auch nicht das persönliche Versagen war, was zu einem Vorfall oder einem Übergriff geführt hat, sondern dass es etwas ist, was vielen Menschen passiert und diese Erkenntnis ist wichtig, um die Bereitschaft zu erhöhen darüber zu sprechen und auch sich dagegen zur Wehr zu setzen.
Moderator: Die Prävention spielt eine sehr wichtige Rolle beim Thema der sexuellen Belästigung und Gewalt. Normalerweise lernen wir, dass wir bei drohender oder aufkeimender Gewalt und Aggression deeskalieren sollen, also die Situation beruhigen. Wenn es jetzt um die sexuelle Gewalt geht, dann sagen sie, es sei dagegen besser die Situation zu eskalieren. Warum eskalieren?
Dr. Heike Schambortski: Ja, das hört sich vielleicht erst mal paradox an, hat aber einen ganz realen Grund. Normalerweise entsteht Gewalt und Aggression im Arbeitsalltag dadurch, dass Konflikte eskalieren. Sexuelle Belästigung aber hat andere Ursachen. Hier geht es häufig um Machtgefühle und die Demonstration männlicher Dominanz und es ist deshalb wichtig, dem Belästiger klarzumachen, dass er hier eine Grenze überschritten hat. Je klarer und eindeutiger das passiert, umso größer ist die Chance, dass er damit aufhört. Bei einer Deeskalation von Gewaltsituationen ist es hilfreich, sich in andere Personen hineinzuversetzen. Also bei normalen Konflikten ist es immer gut, sich zu fragen, warum regt der andere sich jetzt gerade so auf und wenn ich das verstehe, kann ich das gut deeskalieren. Bei sexueller Belästigung ist es aber häufig so, dass Frauen sich sowieso viel zu viele Gedanken darüber machen, warum der Belästiger das gerade mit ihnen macht und ob sie ihrem unguten Gefühl auch trauen dürfen. Sie setzen sich also viel zu viel in andere Personen hinein und deshalb ist es gut an der Stelle zu eskalieren und ganz klar zu sagen, das möchte ich jetzt nicht, das gefällt mir nicht.
Moderator: Und dafür haben Sie auch Tipp, das Drei-Schritte-Modell. Wie genau funktioniert das?
Dr. Heike Schambortski: Die Grundidee des Drei-Schritte-Modells ist die Schwelle für eine eindeutige und klare Zurechtweisung des Belästigers zu senken. Man ist in so einer Situation ja in der Regel überrascht, irritiert. Frau Vaupel hat ja auch angesprochen, wie beschämend und erniedrigend das ist. Ich bin also in der psychischen Ausnahmesituation. Da kann ich nicht besonders schlagfertig sein und deshalb ist es hilfreich sich solche Sätze schon im Vorfeld zurechtzulegen und das möglichst auch zu trainieren. Schritt eins ist deshalb einfach zu benennen, was der Belästiger gerade getan oder gesagt hat. Zum Beispiel, Sie haben Ihre Hand auf meinen Oberschenkel gelegt. Schritt zwei besteht dann darin, deutlich zu machen, was das bei den Betroffenen auslöst. Zum Beispiel, das ist mir unangenehm. Und im dritten Schritt mache ich dann klar, was ich möchte. Zum Beispiel: Nehmen Sie Ihre Hand sofort da weg und unterlassen Sie das in Zukunft! Das ist so eine einfache Abfolge, wo ich mich sehr leiten lassen kann auch durch das was passiert. Ich muss nicht schlagfertig sein. Ich muss mir da keine großen Gedanken machen, wie ich das jetzt genau ausdrücke und das macht es einfacher den Belästiger darauf hinzuweisen und ich empfehle darüber hinaus mit dem Belästiger nicht darüber zu diskutieren, ob meine Gefühle richtig sind. Da würde ich dann immer empfehlen, Diskussionen zu vermeiden und nicht die Diskussion aufgreifen, wie der Belästiger das gemeint hat.
Moderator: Prävention darf nicht nur von den Beschäftigten ausgehen, auch die Betriebe müssen dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschützt werden. Wie kann das dann nach Ihrer Erfahrung am besten funktionieren? Was gibt es da noch für Tipps von Ihrer Seite?
Dr. Heike Schambortski: Ja, es ist erstmal ganz wichtig auch zu betonen, dass es zu den gesetzlich verankerten Pflichten des Arbeitgebers gehört, für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz zu sorgen und dazu gehört auch, das ist vielen nicht klar, der Schutz vor sexueller Belästigung. Grundlage dafür ist immer eine betriebliche Gefährdungsbeurteilung, aus der der Arbeitgeber Maßnahmen ableiten muss und Maßnahmen könnten dann zum Beispiel in Bezug auf die Gefährdung durch sexuelle Belästigung sein, dass neutrale Ansprechpersonen im Betrieb installiert werden, an die sich der Betroffene wenden kann, dass Schulungen für Vorgesetzte und Beschäftigte durchgeführt werden oder dass eben Leitlinien, Hausordnungen, Klauseln formuliert werden, die es ermöglichen gegen Belästiger vorzugehen. Wenn es zum Beispiel Kunden oder Patienten sind, kann man auch Verträge kündigen und für den Umgang mit innerbetrieblichen Tätern, die gibt es ja auch, das können ja auch Kollegen oder Vorgesetzte sein, ist es hilfreich Betriebsvereinbarungen mit den Betriebsräten abzuschließen, weil es in diesen Fällen ja auch um Beendigung von Arbeitsverhältnissen gehen kann.
Moderator: Dabei ist es dann auch besonders wichtig, dass Arbeitgebende und Beschäftigte gemeinsam über das Thema sprechen und auch definieren, was ein harmloser Scherz oder was sexuelle Belästigung ist und dabei können dann Leitlinien helfen und auch ein transparenter Umgang im Betrieb mit dem Thema sexuelle Gewalt. Frau Dr. Schambortski, wenn es dann trotzdem passiert, dann darf auch nicht darüber geschwiegen werden. Sowohl das Opfer als auch die Betriebe sollten sofort reagieren. Welche Sofortmaßnahmen können Sie da konkret empfehlen?
Dr. Heike Schambortski: Ja, wie die Sofortmaßnahmen aussehen können, das hängt natürlich sehr von der konkreten Situation ab. Handelt es sich um einen gewalttätigen Übergriff, zum Beispiel um eine Vergewaltigung oder um eine sexualisierte Beleidigung, liegen körperliche Verletzungen vor, wer ist der Belästiger, gibt es Zeugen. Wenn ein Kunde belästigt und Kolleginnen und Kollegen das vielleicht auch mitbekommen haben, dann kann auch sofort ein Hausverbot ausgesprochen werden. Dafür braucht es natürlich eine transparente Leitschnur, die es den Beschäftigten auch ermöglicht das durchzusetzen. Wenn es sich zum Beispiel um eine betreute Person handelt, die sich aufgrund ihrer Erkrankung distanzlos und übergriffig verhält, dann sind unter Umständen noch andere Maßnahmen angezeigt. Ich empfehle dem Betroffenen sich immer möglichst schnell und direkt nach dem Vorfall an eine Vertrauensperson zu wenden und genau zu schildern was genau passiert ist, weil das für eine spätere Beweisaufnahme von Bedeutung ist. Bei körperlichen Übergriffen mit Verletzungen ist es wichtig, schnell eine Ärztin oder einen Arzt aufzusuchen, um diese zu behandeln und auch zu dokumentieren und die betroffene Person entscheidet natürlich letztlich selber, ob sie einen Vorfall zur Anzeige bringen möchte. Es kann auch gute persönliche Gründe geben, das nicht zu tun. Aber es ist natürlich wünschenswert, dass Übergriffe auch häufiger angezeigt werden, weil das auch dazu beiträgt, dass es in die Öffentlichkeit gerät und enttabuisiert wird und es ist auch für die Betroffenen selber häufig eine entlastende Situation, weil sie dann merkt, dass es auch ernstgenommen wird.
Moderator: Wir hatten vorhin schon kurz über die Folgen von sexueller Gewalt gesprochen und das können zum Beispiel ja Depressionen oder auch andere schlimme psychische Erkrankungen sein. Frau Dr. Schambortski in einer Studie, an der Sie beteiligt waren, ging es um die Bewältigungsstrategien von Frauen gegenüber sexueller Belästigung. Und eine wichtige Erkenntnis war, dass Frauen sich oft nicht wehren, wenn es ein Gruppenklima gibt, in dem sexuelle Belästigung als selbstverständlich hingenommen wird. Oft entwickeln die betroffenen Frauen dann so Bewältigungsstrategien, wie „ich muss lernen das auszuhalten, weil er nur mich stört“.
Dr. Heike Schambortski: Ja in dieser Interviewstudie, in der wir verschiedene Frauen aus unterschiedlichsten Berufen von der Polizistin bis zur Landwirtschaftsgärtnerin in mehrstündigen Interviews befragt haben, da interessierte uns vor allen Dingen, warum sich so wenig Frauen gegen sexuelle Belästigung zur Wehr setzen und da wurde deutlich, dass die Frauen den Fehler häufig bei sich suchen und dann versuchen, sich der Situation anzupassen oder die Situation zu verlassen. Anpassen kann zum Beispiel heißen, dass sie versuchen die Belästigung zu ignorieren, wegzuhören, so zu tun, als ob sie nichts merken. Anpassung führt aber manchmal auch zu scheinbar paradoxen Reaktionen, nämlich über sexistische Witze zu lachen und keine Schwäche zu zeigen. Aber es gab auch Frauen, die aufgrund des Arbeitsklimas, was geprägt war durch sexuelle Belästigung, gekündigt haben, um der Situation zu entkommen, weil sie es einfach nicht mehr ausgehalten haben. Es gab nur wenig Beispiele von Frauen, die gesagt haben, ich habe das offen gemacht. Ich habe mich gewehrt, ich habe das angesprochen. Das zeigte uns, wie wichtig die Arbeitskultur für die Prävention von sexueller Belästigung ist. Und da liegt eine große Verantwortung bei den Führungskräften, zum Beispiel auch selbst direkt gegen Abwehr oder belästigende Sprüche oder Witze einzuschreiten und deutlich zu machen, dass das nicht geduldet wird und dass das nicht zum Klima der Einrichtung des Teams, des Arbeitsbereiches passt.
Moderator: Auch Männer werden Opfer sexueller Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz. Wie reagieren Männer darauf? Was sind die Folgen?
Dr. Heike Schambortski: Ja, auch Männer werden belästigt, aber sie werden in der Regel durch andere Männer belästigt. Das ergibt zumindest die Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Wie Männer darauf speziell reagieren, ist noch wenig erforscht. Das gerät jetzt so ein bisschen mehr in den Fokus, dass sie auch eine Betroffenengruppe sind. Wir haben ja in der Vorstudie, die Frau Vaupel auch schon erwähnt hat, zur Erprobung eines Fragebogens zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz Hinweise bekommen, dass Männer teilweise sogar stärkere Symptome psychischer Fehlbelastungen entwickeln, wenn sie sexuell belästigt wurden, als Frauen, also so was wie Stress oder depressive Symptome. Aber woran das genau liegt, das können wir noch gar nicht sagen. Dazu müssten wir eigentlich nochmal weiter in die Forschung reingehen. Es könnte natürlich, das ist jetzt so eine persönliche Erklärung, damit zusammenhängen, dass Männer sich auch in ihrer Rolle als Mann angegriffen fühlen, wenn sie von anderen Männern sexuell belästigt werden.
Moderator: Welche Angebote hat die BGW, um Betriebe und Beschäftigte bei der Prävention von sexueller Gewalt zu unterstützen?
Dr. Heike Schambortski: Ja, wir haben das Thema schon viele Jahre, auch als wichtiges Thema erkannt. Da sind wir, glaube ich, auch so ein bisschen Vorreiter bei den Berufsgenossenschaften, haben da auch viele Unterstützungsangebote, wie Seminare, Beratungen, Veranstaltungen und Broschüren, mit denen wir zum einen auf das Thema aufmerksam machen, versuchen zur Enttabuisierung beizutragen, aber wo wir auch die Verantwortlichen im Betrieb schulen und ihnen Hinweise geben, wie sie mit dem Thema im betrieblichen Kontext umzugehen haben. Wir beteiligen uns an der Kampagne ‚Kommmitmensch‘ zur Verbesserung der Präventionskultur und aktuell vernetzen wir uns mit der Kampagne „make it work“ für einen Arbeitsplatz ohne sexuelle Diskriminierung, Belästigung und Gewalt. Wir sind allerdings nicht nur präventiv unterwegs, sondern wir sind auch für die Betroffenen da, wenn etwas passiert ist. Sexuelle Übergriffe können ja auch Arbeitsunfälle sein und neben den Versicherungsleistungen bei körperlichen Verletzungen kommen wir auch für psychotherapeutische Hilfen auf und bieten unkomplizierte schnelle telefonisch psychologische Beratungen für die Betroffenen an.
Moderator: Vielen Dank an meine heutigen Gesprächspartnerinnen. Vielen Dank an Psychotraumatologin bei der BGW, Claudia Vaupel, und Danke auch an die Präventionsexpertin und Organisationspsychologin, Dr. Heike Schambortski.
Claudia Vaupel: Vielen Dank für das interessante Gespräch.
Dr. Heike Schambortski: Vielen Dank für Ihr Interesse.
Block 03: Verabschiedung
Moderator: Informationen zum Thema sexuelle Belästigung und Gewalt im Gesundheits- und Sozialwesen finden Sie auch auf der Website der BGW unter www.bgw-online.de/gewalt. Dort informiert die Berufsgenossenschaft auch über aktuelle Forschungsergebnisse zum Thema und gibt weiterführende Informationen. Schön, dass Sie heute dabei waren, bei dieser Podcast-Folge. Bis zum nächsten Mal.
(Outro - Herzschlag, für ein gesundes Berufsleben. Der BGW-Podcast)
Die Interviewgäste
Claudia Vaupel
Dipl.-Psychologin, Verkehrspsychologin (BDP) und Notfallpsychologin und Traumapsychologin - BGW
Dr. Heike Schambortski
Leitende Präventionsdirektorin - BGW
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