"Dann bin ich halt die Erste": Wiedereingliederung nach Amputation und Prothesenversorgung #20 BGW-Podcast "Herzschlag - Für ein gesundes Berufsleben"
Auf dem Arbeitsweg, während dem Dienst oder in der Mittagspause - Unfälle können trotz guter Arbeitsschutzmaßnahmen überall passieren. Wer betroffen ist, braucht die richtige Unterstützung um seinen Arbeitsalltag wiederaufnehmen zu können.
Wir sprechen mit Britta Meinecke-Allekotte über ihren schweren Arbeitsunfall und ihren gemeinsamen Weg mit BGW-Rehamanagerin Astrid Burauen vom Krankenhausbett zurück in den OP - als erste OP-Schwester mit Armprothese.Nach einem Arbeitsunfall unterstützt die BGW Versicherte mit umfassenden Leistungen und Maßnahmen: von der optimalen medizinischen und psychologischen Unterstützung bis hin zur Hilfe im Alltag und bei der Rückkehr ins Berufsleben.
Hier kommen Sie zum Transkript dieser Folge
Block 01: Begrüßung und Einleitung
Moderator: Ein kleiner Fehlgriff, eine kurze Unachtsamkeit, oder ein technischer Defekt. Unfälle passieren jeden Tag, auch auf der Arbeit. Zu den Arbeitsunfällen können Unfälle auf dem Weg zur Arbeit, während der Arbeit, und sogar in der Mittagspause gehören. Laut Statistik der deutschen Unfallversicherer kam es im Jahr 2019 zu rund 800.000 meldepflichtigen Arbeitsunfällen. Circa 80.000 davon entfielen auf den Bereich des Gesundheitsdienstes und der Wohlfahrtspflege. In dieser Podcast-Folge sprechen wir mit einer Mitarbeiterin aus dem Gesundheitsdienst, die durch einen schrecklichen Arbeitsunfall ihren Arm verloren hat. Wir erfahren von ihr, wie sie die Zeit nach dem Unfall überstanden hat, und wie die BGW ihr zur Seite stand, vom Unfall über die Wiedereingliederung im Job, bis heute. Außerdem erfahren wir, mit welchen Rehabilitierungsmitteln die BGW Ihnen nach einem Arbeitsunfall helfen kann. Und das alles steckt in dieser Podcast-Folge. Ich bin Ralf Podszus, schön, dass Sie dabei sind.
(Podcast-Opener)
Block 02: Interview mit Britta-Meinecke-Allekotte und Astrid Burauen
Moderator: Wir sprechen in diesem Podcast immer davon, wie man sich selbst, und auch die angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vor Arbeitsunfällen schützen kann. Was aber, wenn es zu einem Arbeitsunfall kommt? Wer schon einmal einen Unfall hatte, der kennt vielleicht die Angst, nicht wieder arbeiten zu können, die Angst um den Job und die Sorge um die eigene Gesundheit sind groß. OP-Schwester Britta Meinecke-Allekotte, ihr ist das passiert. Ein Arbeitsunfall mit schwerwiegenden Folgen. Und trotzdem einem guten Ende. Schön, dass Sie heute in dieser Podcast-Folge dabei sind.
Britta Meinecke-Allekotte: Hallo, guten Tag, ich freue mich.
Moderator: Und ich habe noch einen zweiten Gast, Astrid Burauen, von der BGW, sie ist Reha-Managerin. Sie hat Britta Meinecke-Allekotte nach dem Unfall, bis zur Wiedereingliederung im Job begleitet.
Astrid Burauen: Hallo.
Moderator: Britta Meinecke-Allekotte, die ist wahrscheinlich die erste und einzige OP-Schwester der Welt, die mit einer Prothese anstelle der Hand arbeitet. Bevor wir jetzt darüber sprechen, wie so etwas überhaupt möglich ist, gehen wir doch kurz mal in der Zeit zurück. Donnerstagabend, der 9. November 2017. Sie waren als leitende OP-Schwester alleine in der Klinik, und mussten noch ein paar Instrumente säubern. Und was ist dann genau an diesem Abend passiert?
Britte Meinecke-Allekotte: Ja, an diesem Abend änderte sich mein Leben eigentlich von einer Sekunde auf die nächste. Als leitende Operations-Schwester in einer Praxisklinik stand ich damals eigentlich mitten im Leben, und ich hatte mich auch beruflich schon seit sehr langer Zeit wieder etabliert. Und der Arbeitsunfall, der sorgte dann, für mich, für einen ganz abrupten Wendepunkt. Beim Entladen eines Instrumentensiebes, aus einem Dampfsterilisator, kam es zu einem technischen Defekt. Und es war so, dass sich die Tür unvorhergesehen geschlossen hat. Das ist geschehen durch einen geplatzten Druckminderer, in diesem Gerät. Und es wurde meine linke Hand, und Teile des Unterarmes eingequetscht, mit neun Bar Druck, und Temperaturen von ungefähr 120 Grad Celsius, die in diesem Gerät gerade noch vorhanden waren. Resultierend daraus war dann eine lebensbedrohliche Kombinationsverletzung. Das heißt, es kam zu massiven Quetschungen der Hand und des Unterarmes, aber auch zu erheblichen, schwersten thermischen Verletzungen. Das Schlimme an diesem Unfall war jedoch, dass es unmöglich war, mich alleine aus dieser eingeklemmten Situation wieder zu befreien, und dass es zum Zeitpunkt des Unglücks, dass dort kein anderer Mitarbeiter vor Ort war. Und ich hatte noch ein bisschen die Hoffnung, dass es vielleicht noch eine Reinigungskraft in dem Haus gibt, die mich vielleicht hören könnte, oder dass vielleicht die Bettenstation des Hauses, dass die zu diesem Zeitpunkt besetzt ist, und dass dort vielleicht noch eine Patientin untergebracht ist, die vielleicht mein Schreien hören konnte. Nach 45 Minuten Wartezeit ist es mir dann gelungen, dass mich wirklich eine Patientin, deren Zimmer sich oberhalb des Sterilisationsraumes befunden hat, gehört hat. Die hat dann die Nachtschwester informiert, und somit wurde dann die Rettungskette in Gang gesetzt.
Moderator: Also Sie waren da wirklich eingeklemmt, eingequetscht, und 45 Minuten lang haben Sie geschrien? Das müssen ja auch Höllenschmerzen und Qualen gewesen sein?
Britta Meinecke-Allekotte: Ja. Das war wirklich schlimm. Und mir war wirklich klar, wenn man mich nicht finden würde, dann- oder hören würde, dann würde man mich am nächsten Tag leblos in diesem Gerät vorfinden. Als Krankenschwester, oder Operations-Schwester weiß man aber auch, dass man in so einer Paniksituation sehr schnell in eine sogenannte Hyperventilation gerät. Und das hat dann zur Folge, dass man in eine sogenannte Ohnmacht, oder sogar Bewusstlosigkeit fällt. Und ich habe mich gezwungen, meine Atmung zu kontrollieren, die Schmerzen auszuhalten, und das war eigentlich meine einzige Chance, die ich hatte. Und es hat natürlich, Gott sei Dank, auch geklappt. Was ich nicht wusste war, dass die Chancen eines Erhalts der Hand, in so einer Situation, schon nach zehnminütiger Einklemmzeit so rapide schwinden, dass eigentlich überhaupt gar keine Chance für einen Handerhalt vorhanden ist. Das wusste ich, Gott sei Dank, nicht. Ich wollte unbedingt aus dieser Situation befreit werden, um vielleicht meine Familie wiedersehen zu können.
Moderator: Sie haben es eben auch so nüchtern erzählt, die Person, die Sie dann gefunden hat, die dann letztendlich zum Glück Hilfe holen konnte, wie hat die reagiert? Wie ist der Dialog zwischen Ihnen da abgelaufen? Das ist ja auch eine wahnsinnige Situation.
Britta Meinecke-Allekotte: Die Schwester ist eigentlich fast ein bisschen in Panik geraten, als sie mich so in dieser Situation vorgefunden hatte. Ich war da ganz klar eigentlich im Kopf, weil ich habe gedacht gut, jetzt ist hier jemand, und jetzt wird alles Weitere wird jetzt in Gang gesetzt. Ich habe ihr eigentlich in diesem Moment gesagt, was sie zu tun hat, dass sie jetzt sofort den Notarzt rufen muss, dass die Situation halt extrem ist, dass ich da nicht mehr rauskomme, dass ich verbrenne. In so einem Moment, wenn jemand dazukommt, der realisiert gar nicht, was läuft da gerade ab. Nachdem die Feuerwehr aber dann da war, und man mich befreit hatte, da muss auch ich sagen, bin ich völlig zusammengebrochen. Ja, das ist so eine Erleichterung, so man ist aus diesem Gerät raus. Und als ich hörte, ich komme in die BG-Klinik Duisburg, ich wusste da sind die Spezialisten, und jetzt wird alles seinen Gang gehen, und jetzt wird alles gut werden.
Moderator: Sie erlitten ein Kombinationstrauma, also eine Quetschung und Verbrennung an der Hand und dem Unterarm, und nachdem dann Hilfe bei Ihnen war, wurden Sie umgehend medizinisch versorgt, und auch notoperiert. Nach einigen Wochen im Krankenhaus war dann klar, es muss eine Entscheidung getroffen werden, entweder Sie werden operiert und behalten Ihre Hand, die aber vollkommen funktionsfrei dann ist, oder Sie entscheiden sich für eine Amputation, und bekommen dafür eine Prothese. Und so eine Entscheidung treffen müssen, wie schwer ist das?
Britta Meinecke-Allekotte: Ich habe sechs Wochen Zeit eigentlich gehabt. Ja, ich bin notfallmäßig ja direkt operiert worden, und da hatte man noch die Hoffnung, dass die Gefäßversorgung wiederhergestellt worden ist. Nach einigen Stunden am nächsten Tag schon war klar, dass es nicht funktioniert hat. Ich bin dann nochmal sieben Stunden operiert worden, da hat man dann aus den Beinteilen Gefäßteile entnommen, und als Gefäßinterponate eingesetzt. Man hat halt versucht, dass die Durchblutung wieder dargestellt wird. Die Hoffnung war eigentlich sechs Wochen immer, dass es noch funktioniert. Jeden Tag gab es eigentlich eine andere Botschaft. Es hieß dann mal okay, es wird ein Finger wird amputiert, dann hat der sich erholt, dann wurden die anderen Finger dunkelschwarz. Ich habe immer nur gedacht, das wichtigste ist, ich behalte den Zeigefinger und den Daumen, damit ich einen Pinzetten-Griff irgendwann noch hinbekommen könnte, das wäre sehr hilfreich für das Leben gewesen. Und als ich an diesem Tag aus dem OP gekommen bin, hat man mir aber gesagt, dass alle Sehnen gerissen sind, dass- ja, dass gar keine Hoffnung mehr besteht. Aber man hat mir auch gesagt, es gibt die Möglichkeit über drei Jahre verschiedenste Operationen vielleicht zu versuchen. Also die Chance, die Hand zu erhalten, war bei ungefähr 20, 30 Prozent, und das war mir zu wenig. Ich habe trotzdem dann die Möglichkeit bekommen, von dem Prof. Homann, das ist der Chefarzt in der BG-Klinik in Duisburg, er hat mit mir zusammen, also mit meinem Ehemann, mit mehreren Freunden aus dem medizinischen Bereich, ein ganz, ganz langes Aufklärungsgespräch geführt, wobei alle Optionen, alle Möglichkeiten aufgezeigt wurden, und ich dann in diesem Gespräch, aber auch dann letztendlich in meiner Entscheidungsfindung, absolut stabilisiert wurde. Dann hatte ich noch eine Woche Zeit, aber mir war klar, es würde nur eine funktionslose Teilhand zurückbleiben, die ich vielleicht als Beihand hätte benutzen können, und da auch da schon für mich klar war, dass ich unbedingt in meinen Beruf wieder zurückwollte, wäre das vernichtend gewesen. Also gab es für mich eigentlich überhaupt gar keine andere Möglichkeit als eine Prothesenversorgung mit maximaler Funktionalität zu wählen.
Moderator: Wie hat Sie die BGW in dieser schwierigen Zeit unterstützt?
Britta Meinecke-Allekotte: Schon wenige Tage nach meiner Amputation bin ich von der Frau Burauen im Krankenhaus besucht worden. Und ich hatte ja bis dahin noch niemals einen Arbeitsunfall. Und der Unfall jetzt stellte mich natürlich vor eine ganz neue Herausforderung. Einmal auf der einen Seite dadurch, dass die medizinischen Folgen des Unfalls, dass ich die noch gar nicht beurteilen konnte, was wird aus mir. Aber ich habe mir auch sehr große Sorgen um meine Familie gemacht. Mein Sohn, der war damals 14, der war völlig geschockt, diese Vorstellung, der Mutter wird die Hand amputiert, da ist er gar nicht mit zurechtgekommen. Er hat eigentlich aufgehört zu sprechen, und wollte mich auch nicht besuchen. Mein Mann hat sich große Sorgen gemacht, wie wird das zuhause, wie wird das im Alltag wieder weitergehen. Und das war für mich eigentlich das Schlimmste. Und ich habe hier von der Frau Burauen sehr große Unterstützung erfahren. Sie hat mir Möglichkeiten gegeben, eine Jugendpsychologin einzuschalten, und sie war immer Ansprechpartner, nicht für mich, sondern halt auch für meinen Mann. Und sie hat mir eigentlich auch alles Unangenehme von anderen Seiten eigentlich von mir abgehalten. Mein alter Arbeitgeber hat immer wieder nachgefragt: "Wann wird die Frau Meinecke-Allekotte wieder arbeitsfähig sein? Können wir damit rechnen, dass sie zurückkommt?" Diese Fragen, die sind gar nicht erst bis zu mir durchgedrungen. Dann hat die BGW mir auch ermöglicht, eine sofortige Traumatherapie durchzuführen. Dieses schnelle Einsetzen dieser Traumatherapie war für mich im Nachhinein ganz hilfreich, weil es war ein Posttraumatisches Belastungssyndrom, und das habe ich sehr schnell über diese Traumatherapie bewältigen können. Mir wurde auch eine Entspannungstherapeutin zur Seite gestellt, dort war ich sehr lange. Und durch sie habe ich es geschafft, durch verschiedenen Entspannungstherapien ja auch die Phantomschmerzen sicher in den Griff zu bekommen.
Moderator: Astrid Burauen, Sie haben als BGW-Reha-Managerin schon sehr früh an Frau Meinecke Allekottes Seite gestanden. Das war für Sie auch ein außergewöhnlicher Unfall, oder?
Astrid Burauen: Ja, absolut. Also die Schwere der Verletzung ist nicht die, die bei unserer Berufsgenossenschaft alltäglich ist. Ich bin sofort von meiner Kollegin im Innendienst nach Meldung informiert worden, habe gedacht, ich muss da sofort hin, und habe eigentlich Frau Meinecke-Allekotte schon relativ kurz nach dem Unfall das erste Mal im Krankenhaus besucht, weil ich glaube, dass es bei so schweren Verletzungen wichtig ist, dass so ein Leistungsträger ein Gesicht bekommt, und nicht irgend so ein anonymes Teil, wo man sich jetzt irgendwo hinwenden muss, und weiß vielleicht noch gar nicht so genau wohin. Und mir war auch wichtig, erste Bedarfe zu erheben, und erste Aufklärungsarbeit zu leisten, was ist die Berufsgenossenschaft überhaupt, und wobei unterstützt sie.
Moderator: Nach einem solchen Unfall ist dann ja auch klar, es muss und sollte irgendwie weitergehen. Wir haben ja auch eben schon über Trauma und so geredet, und was für familiäre Probleme da auch auf jemanden zukommen, nach so einem Arbeitsunfall. Deshalb begann ab dem ersten Tag der Rehabilitationsprozess bei Frau Meinecke-Allekotte, und damit auch eine enge Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft. Was waren jetzt, konkret in diesem Fall, die ersten Maßnahmen der BGW?
Astrid Burauen: Gut, also wie ich das eben sagte, das erste aufklärende Gespräch, da wurde auch zum ersten Mal die Sorge um den Sohn vorgetragen. Und wir haben nun mal ein tolles Gesetzbuch, das Sozialgesetzbuch 7, und da gibt es immer irgendwo eine Hintertür, wo wir eine Härtefall-Entscheidung treffen können, und konnten eben auch so für schnelle Intervention beim Sohn sorgen, mit dem Hintergrund, diese Sorge Frau Meinecke-Allekotte zu nehmen, damit sie sich eben mehr auf sich selbst konzentrieren kann. Und natürlich die erste Aufklärung zur Heilbehandlung, was die Berufsgenossenschaft übernimmt, zu den Geldleistungen, zu Haushaltshilfe, Fahrkosten, Verletztengeld, Verletzten-Renten, dass eben auch zunächst dieser finanzielle Aspekt abgesichert ist.
Moderator: Und wie ist das jetzt grundsätzlich? Wie sieht der Maßnahmen-Prozess seitens der BGW aus?
Astrid Burauen: Ich mache das einfach mal fest am Beispiel von Frau Meinecke-Allekotte. Kontaktaufnahme, ganz klar, dann die Heilbehandlung, die Akut-Heilbehandlung, und dann wurde sich halt auch nachher gemeinsam Gedanken gemacht, sehr kurze Zeit nach der Amputation, über die weitere Rehabilitation, die bei Frau Meinecke-Allekotte dann zunächst auch im stationären Umfang erfolgt ist, im Rahmen einer sogenannten berufsgenossenschaftlichen stationären Weiterbehandlung, kurz BGSW. Hier sind dann erste Prothesen-Erprobungen erfolgt, und dann ist auch schon festgeschrieben worden, dass wir eben diese gemeinsamen Gespräche mit Frau Meinecke-Allekotte, mit Herrn Prof. Homann, mit mir als Reha-Managerin der Berufsgenossenschaft, fortführen, weil in diesen Gesprächen halt für alle Beteiligten der rote Faden durch die Rehabilitation geflochten wird.
Moderator: Mit einer Handprothese wieder in den Dienst als OP-Schwester, ja. Ihr behandelndes Ärzteteam wusste damals nicht, ob das klappen wird. Sie, Ihre Ärzte, und das Reha-Team haben aber nicht aufgegeben. Was hat Sie alle motiviert? Weil im ersten Moment denkt man ja nicht unbedingt, dass man jetzt da wieder dieser Tätigkeit nachgehen könnte.
Britta Meinecke-Allekotte: Auch nach der Entscheidung für eine Amputation stellte sich für mich eigentlich niemals die Frage, dass ich diesen Weg nicht gehen würde. Ich wollte es zumindest versucht haben, um dann irgendwann zu sagen, okay es funktioniert halt wirklich nicht, aber ich muss es ausprobieren. Und es ging mir darum halt auch anderen Betroffenen zu zeigen, dass halt auch eine Rehabilitation in sehr schweren Fällen möglich sein kann. Und ich wollte unbedingt zeigen, dass man auch als instrumentierende Kraft wieder am OP-Tisch stehen kann. Das war ein Versuch. Und für mich ging es dann darum, in erster Linie, meinen Prof. Homann zu überzeugen, dass ich überhaupt den Willen dazu habe, diesen Weg zu gehen. Ich habe mir dann überlegt, was kann ich machen. Und ich habe viele Videos erstellt, ich bin mit der Handprothese Klettern gegangen, bin Fahrrad gefahren, habe die verschiedensten Muskelsignale gegeben. Ich habe versucht, all diese Videos zu drehen, und dann hat er irgendwann gesagt: "Okay, die Frau, die hat so viel Willen, mit der probieren wir es. Es gab damals ein Standardsystem in der BG-Klinik Duisburg. Es wurden einem drei verschiedene Hände zur Verfügung gestellt, die man austesten konnte, die sogenannte Myo plus vita, das ist eine Hand, die charakterisiert ist durch ein ganz schnelles Öffnen- und Schließen-Signal. Die zweite Hand war die Michelangelo-Hand, das ist eine Hand die schon viel mehr Möglichkeiten hat, ein flexibles Handgelenk, mehrere Griffe stehen dort zur Verfügung, die gibt es leider aber auch nur als Männerhand. Die dritte Prothese die ich dann bekommen habe, das war dann schon eine multi-artikulierende Hand, und die hat wahlweise 14 Griffe. Und ich wollte ganz schnell weiter, ich wollte möglichst schnell in die Reha-Maßnahme kommen, und ich musste mich vorher für eine Hand entscheiden, also habe ich mich für diese Hand entschieden. Und wir haben dann in der ersten Reha-Maßnahme geschaut, was wirklich erstmal im Alltag alles mit dieser Hand zu bewältigen ist. Und da musste ich dann leider nach sehr kurzer Zeit feststellen, dass die Hand für meinen Kombinationsanspruch aus Fein- und Grobmotorik überhaupt nicht ausreichend war, also nicht für meinen Beruf als Operations-Schwester. Da bin ich erstmalig in so ein großes Loch gefallen, weil ich gedacht habe, wie soll der Weg jetzt weitergehen, was passiert jetzt? Bin dann aber über einen Zufall, über meinen Orthopädietechniker an die Vincent 3 Evolution geraten, das ist die Firma Vincent Systems aus Karlsruhe, und diese Hand habe ich dann getestet, und es war eigentlich sofort klar, dass das die Hand ist, mit der alles funktionieren könnte.
Moderator: Das klingt immer so krass, als ob man jetzt ein technisches Gerät kauft, und man sieht da die ganzen Funktionen - (Britta Meinecke-Allekotte: Es ist ein technisches Gerät) - und genau, also nur dass es halt für den eigenen Körper ist, darauf wollte ich hinaus. Das ist also eine andere Entscheidung, ob man jetzt hier mit den technischen Spezifikationen einfach ein Gerät holt, was man gerne haben möchte. Es ist etwas, was Sie ja unbedingt brauchten, und dann haben Sie diese neue Prothese gefunden, 14 verschiedene Griffarten, sechs Motoren, also es klingt auf jeden Fall wahnsinnig futuristisch, aber damit können Sie jetzt wieder alles machen, oder wie sieht es da jetzt aus mit der Fingerfertigkeit?
Britta Meinecke-Allekotte: Man muss da auch ein bisschen differenzieren. Es ist eine Roboterhand, aber sie ist in der Erlernung sehr diffizil, sie ist sehr schwer. So, das bedeutet am Anfang wirklich lernen, lernen, lernen. Auch hier hatte ich dann das ganz große Glück, dass der Prof. Homann mir die Gelegenheit gegeben hat, und er hat gesagt: "Okay, wir machen eine weitere Reha-Maßnahme. Jetzt geht es nicht nur mehr um die Alltagsbewältigung, sondern Sie gehen jetzt mit dieser Hand in meinen OP, und schauen dann, ob es wirklich funktionieren kann." Ich hatte anfänglich gedacht, okay drei Wochen intensives Training. Es sind daraus sieben Monate geworden. Im Nachhinein betrachtet gar keine lange Zeit, weil ich habe diese Zeit auch gebraucht, ich bin dort sehr oft an meine Grenzen gestoßen. Aber es hat sich im Endeffekt natürlich dann auch gelohnt. Also es war eine ganz, ganz intensive Zeit, und sehr anstrengende Zeit, aber sie hat halt auch zu dem Ergebnis geführt, dass ich heute wieder fest angestellt in einer Hand-chirurgischen Abteilung, in der BG-Klinik jetzt halt wieder tätig bin.
Moderator: Frau Meinecke Allekotte, Sie arbeiten nicht nur als OP-Schwester, Sie sind auch ehrenamtlich aktiv, als Unterstützerin und Beraterin für Menschen mit Behinderungen. Darüber hinaus halten Sie auch Vorträge und bieten Trainingsprogramme für Prothesenträger an. Würden Sie sogar sagen, ihr Leben hat sich positiv verändert? Sie haben nicht den Kopf hängen lassen, nach diesem Unfall.
Britta Meinecke-Allekotte: Mein Leben ist spannender geworden, sagen wir so. Es hat sich nicht positiv verändert. Es ist also vielfältiger geworden, ja. Also diese Tätigkeit als Peer, das ist natürlich für mich eine Herzensangelegenheit. Und ich arbeite nebenbei halt auch noch als Prothesengebrauchstrainerin, bei meinem Orthopädietechniker. Und dieses neue Arbeitsprofil, was ich im Moment besetze, hat einfach gezeigt, das ist der Weg, wo die Patienten wirklich über ihre eigenen Grenzen hinauswachsen, weil das ein tolles Beratungsangebot ist.
Moderator: Und Sie haben auch ein Buch geschrieben, sogar mit Ihrer neuen Hand?
Britta Meinecke-Allekotte: Ich habe- Ja. Nein, die ganz neue Hand, die habe ich noch gar nicht, die ist jetzt gerade in der Erprobungsphase, aber ich habe ein Buch geschrieben, weil mir einfach aufgefallen ist, dass, wenn so eine Reha-Maßnahme abgeschlossen ist, und man geht dann mit seiner neuen Prothese in sein häusliches Umfeld, dann merkt man einfach, dass da niemand mehr ist, der einen engmaschig betreut. Man findet keine Hilfestellung im Internet. Das Problem ist, wie benutze ich welchen Griff wofür, wie wird der Rehabilitationsweg ablaufen, was kommt auf einen zu. Da ist eine Versorgungslücke, wo es noch nichts wirklich Gutes gibt. Und das habe ich mir so ein bisschen auf meine Fahne geschrieben, und habe gesagt, gut da muss ich Abhilfe leisten, das soll diese Patienten unterstützen, und so ist halt dieses Buch entstanden. Und ich hoffe, dadurch viel Gutes leisten zu können, und das auch wirklich dahin bringen zu können, wo es hingehört. Es klingt alles ganz schön, ganz toll, ich trete öffentlich auf, ich halte Vorträge, aber man darf nicht vergessen, das steht niemals in einem Verhältnis zu zwei gesunden Händen.
Moderator: Darum ist es jetzt einmal wichtig, am Schluss dieser Folge zu sagen, am besten ist es natürlich einen Arbeitsunfall durch guten Arbeitsschutz zu verhindern. Allerdings kann es trotz der besten Arbeitsschutzmaßnahmen natürlich passieren, dass es zu einem Unfall kommt. Und dann stehen die Berufsgenossenschaften den Versicherten zur Seite. Vielen Dank an OP-Schwester Britta Meinecke-Allekotte, und der Reha-Managerin Astrid Burauen von der BGW.
Britta Meinecke-Allekotte: Danke auch.
Astrid Burauen: Danke auch.
Block 03: Verabschiedung
Moderator: Das Berufsleben nach einem Arbeitsunfall, das muss nicht vorbei sein, das haben wir heute sehr schön gehört. Eine Rehabilitierung, und eine damit verbundene Wiedereingliederung, sind nach einer schweren Verletzung sehr wohl möglich. Die BGW, die berät und unterstützt Sie hierbei. Wie genau, das haben wir unter anderem am Fall von Britta Meinecke-Allekotte gehört. Ihre Geschichte können Sie auch noch einmal auf der BGW Webseite nachlesen, den Link den finden Sie in den Show-Notes. Da finden Sie auch weitere Informationen dazu, wie die BGW Versicherte unterstützt, und wer hierfür die richtigen Ansprechpartner sind. Schön, dass Sie auch bei dieser Podcast-Folge mit dabei waren. Unseren Podcast, den hören Sie auf allen Podcast Plattformen. Gerne können Sie diesen Podcast weiterempfehlen oder bewerten, oder uns über unsere Webseite einfach ein Feedback schicken. Das wäre www.bgw-online.de/Podcast. Ich freue mich, wenn Sie auch beim nächsten Mal wieder dabei sind, und bis dahin, bleiben sie gesund.
(Outro - Herzschlag, für ein gesundes Berufsleben. Der BGW-Podcast)
Die Interviewgäste
Britta Meinecke-Allekotte
OP-Schwester im BG Klinikum Duisburg
Astrid Burauen
Rehamanagerin bei der BGW
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