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Hilfe für Covid-19-Erkrankte BGW magazin - 2/2021

Rund 45.000 Covid-19-Fälle hat die BGW bis Ende März 2021 bereits als Berufskrankheit anerkannt. Welche Hilfe können Betroffene erwarten, wenn sie mit gesundheitlichen Folgen zu kämpfen haben?

In der Bezirksverwaltung Würzburg haben Reha-Managerin Theresa Sauer, der Leiter des Außendienstes René Rückel, der stellvertretende Geschäftsführer Karl-Heinz Schubert und der gesamte Bereich der Berufskrankheitensachbearbeitung viel mit Covid-19-Fällen bei Versicherten zu tun. Ein Gespräch über Erkrankungsbilder, Erfahrungen und den hohen Stellenwert von individueller Unterstützung.

Karl-Heinz Schubert: Im März 2020 wussten wir zwar, dass da etwas auf uns zukommt, aber die Dimension konnten wir uns nicht vorstellen. Gut war, dass wir bereits über umfangreiche Erfahrungen mit Infektionskrankheiten verfügen, zum Beispiel mit Tuberkulose. Das gab Orientierung für die Organisation von Rehabilitationsleistungen für Menschen, die unter Symptomen oder Langzeitfolgen von Covid-19 leiden.

René Rückel: Wobei wir zunächst damit beschäftigt waren, die Versorgung der anderen Schwerverletzten und Kranken aus unserem Versicherungsbereich sicherzustellen. Der Lockdown hatte gewohnte Versorgungsstrukturen und Einrichtungen lahmgelegt. Auch unser Außendienst war eingestellt. Die Betreuung von Covid-19-Fällen kam mit Verzögerung zum Tragen, als wir glücklicherweise den Außendienst wieder aufnehmen konnten. Vieles lässt sich eben erst vor Ort oder persönlich klären. Unsere Reha-Managerinnen und -Manager sind dabei selbstverständlich sehr darauf bedacht, sich und andere zu schützen, und wissen um ihre Vorbildfunktion beim Arbeitsschutz.

Porträt Karl-Heinz Schubert

Karl-Heinz Schubert, stellvertretender Geschäftsführer der BGW-Bezirksverwaltung Würzburg

Karl-Heinz Schubert: Die meisten Infizierten merken fast gar nichts oder es geht ihnen bald besser. Sie erhalten ein Informationsschreiben mit der Bitte, uns zu kontaktieren, falls die Beschwerden andauern oder sich verschlimmern. Wenn sich ein schwerer Verlauf abzeichnet, startet die persönliche Betreuung durch das Reha-Management …

Theresa Sauer: … und hier komme ich ins Spiel. Ich lade die Versicherten in unsere Corona-Sprechstunde ein. In der Bezirksverwaltung Würzburg kooperieren wir mit dem Thoraxzentrum Münnerstadt, einer Fachklinik mit Schwerpunkt Lungenheilkunde. Die BGW-Sprechstunde dort läuft anders ab als ein üblicher Termin in einer ärztlichen Praxis, das erklären wir den Versicherten im Vorfeld. Wir nehmen uns an dem Tag viel Zeit für sie. Vormittags finden verschiedene Untersuchungen statt. Danach gibt es ein gemeinsames Abschlussgespräch mit dem Lungenfacharzt und mir. Dieses kann bis zu eine Stunde dauern. Wir besprechen, wie das weitere Heilverfahren abläuft. Wir zeigen Optionen auf und legen gemeinsam in einem Reha-Plan Maßnahmen und Therapieziele fest. Die Versicherten nehmen das sehr dankbar an. Meine Erfahrung ist, dass viele sich vorher gefragt haben, wie es weitergehen soll und wer ihnen überhaupt helfen kann.

René Rückel: Die Besonderheit der gesetzlichen Unfallversicherung ist, dass wir alle Lebensbereiche betrachten. Es geht also nicht nur um medizinische Aspekte, sondern auch darum, wie jemand zu Hause zurechtkommt oder was nötig ist, um wieder ins Sozial- und Berufsleben einsteigen zu können.

Porträt: Theresa Sauer

Theresa Sauer, Reha-Managerin in der BGW-Bezirksverwaltung Würzburg

Theresa Sauer: 90 bis 100 Prozent der Covid-19-Fälle, die ich betreue, zeigen chronische Erschöpfung, die mit einer hohen psychischen Belastung verbunden ist – Zukunftsängste, innere Unruhe, Konzentrationsprobleme treten auf. Häufig kommt es auch zum Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn, zu Atembeschwerden oder neurologischen Auffälligkeiten wie Schwindel, Verwirrtheit. Wir empfehlen vielfach eine stationäre Reha-Maßnahme. Der Klinikaufenthalt kann meist innerhalb kürzester Zeit starten und umfasst umfangreiche therapeutische Maßnahmen. Manche rufen zwischendurch an und berichten von ihren Fortschritten. Ich nehme am Entlassungstag oder unmittelbar danach Kontakt mit den Versicherten auf und wir besprechen, wie es weitergehen kann.

Anfangs war es unser Wunsch, dass nach einiger Zeit zum Beispiel eine Belastungserprobung am Arbeitsplatz starten kann. Leider muss man aber feststellen, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch lange bleiben. Trotzdem profitieren die Versicherten von dem intensiven Training beim stationären Aufenthalt, der Unterstützung für die Psyche, den Kontakten beispielsweise zu Selbsthilfegruppen. Wir sorgen dann dafür, dass das ambulant fortgeführt wird, bis irgendwann vielleicht doch die ersten Schritte zurück in den Beruf erfolgen können.

Karl-Heinz Schubert: Zuerst dachte man bei Covid-19 vor allem an die Lunge, aber mittlerweile wissen wir, dass es sich um sehr heterogene Folgeerkrankungen handelt.

Porträt René Rückel

René Rückel, Leiter des Außendienstes in der BGW-Bezirksverwaltung Würzburg

René Rückel: Deshalb entwickeln wir unsere Netzwerke und Angebote weiter, zum Beispiel mit den BG Kliniken. Hier ist jetzt der "Post-Covid-Check" gestartet. Dabei handelt es sich um mehrtägige Diagnoseverfahren in den verschiedensten Fachgebieten. Vor allem neurologische und diffuse Erkrankungsbilder wollen wir noch genauer unter die Lupe nehmen. Ziel ist es, maßgeschneiderte Therapie- und Rehabilitationskonzepte anzubieten.

Karl-Heinz Schubert: Auch unter erschwerten Bedingungen bündeln wir Fachwissen und nehmen unseren Auftrag wahr, Versicherte tatsächlich mit allen geeigneten Mitteln zu unterstützen. So initiieren wir auch Expertengespräche mit dem Ziel, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation weiter zu verbessern.

René Rückel: Wir wollen die Menschen beraten und begleiten – und Lösungen anbieten, damit sie die besten Chancen auf eine Besserung haben.

Theresa Sauer: Der persönliche Kontakt ist für mich dabei das A und O. Gerade bei Covid-19 merkt man, wie wichtig das den Betroffenen ist. Eine konkrete Ansprechperson zu haben, hat für sie einen riesigen Stellenwert. Sie freuen sich vor allem auch, dass wir aus unserer Fallkenntnis das Erschöpfungssyndrom ernst nehmen, während sie im privaten Umfeld oft auf Unverständnis stoßen. Sie suchen Unterstützung. Und wir stehen ihnen bei.