Messtechnische Evaluation eines Seminars zur Reduktion von belastenden Körperhaltungen bei Pflegekräften in der Altenpflege – eine Pilotstudie
Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule kommen bei Menschen im erwerbsfähigen Alter häufig vor, ihre Ursachen sind multifaktoriell (Balague et al. 2012). Pflegekräfte leiden jedoch häufiger daran als die Allgemeinbevölkerung. Ein aktuelles Review ergab für einen Zeitraum von 12 Monaten eine durchschnittliche Rückenschmerz-Prävalenz von 55 % beim Pflegepersonal (Davis u. Kotowski 2015).
Hintergrund:
Ziel der Pilotstudie war die messtechnische Evaluation der Wirksamkeit eines Seminars zur Reduktion belastender Oberkörperhaltungen bei Beschäftigten in der Altenpflege.
Methode:
Auf zwölf Stationen sechs deutscher Pflegeheime wurde ein Seminar mit folgenden Inhalten durchgeführt: Theorie zu Körperhaltungen bei Pflegekräften, praktische Übungen zu Körperwahrnehmung und Entspannung, Einführung ergonomischer Hilfsmittel, Reorganisation verwendeter Arbeitsmaterialien, praktische Übungen zum ergonomischen Arbeiten am Bett und im Bad. Zur Erfassung der Körperhaltungen und –bewegungen trugen jeweils zwei Pflegekräfte pro Station während eines Frühdienstes das CUELA-Messsystem. Eine Videokamera erfasste zusätzlich die jeweiligen Tätigkeiten der Probanden. Eine speziell entwickelte Software (WIDAAN 2.79) synchronisierte die Messdaten und das Videomaterial. Insgesamt wurden 23 Frühdienste vor dem Seminar analysiert und 19 Frühdienste sechs Monate danach.
Ergebnis:
Der Median des Zeitanteils sagittaler Neigungen über 20 Grad verringerte sich sechs Monate nach der Intervention um 29 % [von 35,4 % (IQR 27,6-43,1) auf 25,3 % (IQR 20,7-34,1); P < 0,001]. Bei starken Neigungen über 60 Grad sank der Median um 60 % [von 2,5 % (IQR 1,1-4,6) auf 1,0 % (IQR 0,8-1,7); P = 0,002] und bei statischen Neigungen über 20 Grad, die länger als vier Sekunden gehalten wurden, um 22 % [von 4,4 % (IQR 3,0-6,7) auf 3,6 % (IQR 2,5-4,5); P < 0,001]. Die Videoanalysen zeigten, dass die empfohlenen ergonomischen Maßnahmen bei 49 % der geschulten Pflegesituationen vollständig oder teilweise umgesetzt wurden, bei 51 % wurden sie nicht ausreichend umgesetzt.
Schlussfolgerung:
Die Anzahl belastender Oberkörperhaltungen kann durch eine Kombination folgender Maßnahmen erheblich reduziert werden: Bewusstmachen der physischen Belastungen durch ungünstige Körperhaltungen, Veränderung von Arbeitsabläufen bei Grundpflegetätigkeiten und Umgestaltung der Arbeitsumgebung. Interventionsmaßnahmen zur Reduzierung von Rückenschmerzen würden sehr wahrscheinlich davon profitieren, wenn die Pflegekräfte nicht nur beim Patiententransfer im Hinblick auf ihre Körperhaltung sensibilisiert würden.
Diese Zusammenfassung ist ein Teil des Beitrages "Messtechnische Evaluation eines Seminars zur Reduktion von belastenden Körperhaltungen bei Pflegekräften in der Altenpflege – eine Pilotstudie", erschienen im Buch "RIRE - Risiken und Ressourcen in Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege", © 2018 ecomed MEDIZIN, ISBN 978-3-609-10095-1.