Gewalt und Aggression in der Pflege – Ein Kurzüberblick

Artikelnummer: BGW 08-00-113

Aggressionen, Misshandlungen und Gewalt gegen Pflegebedürftige als auch gegen Pflegende sind ein gesellschaftliches Problem, welches immer noch häufig tabuisiert wird.

Hatten sich Wissenschaft und Gesellschaft bereits in den 1970-er Jahren intensiver mit der Thematik der Kindes- und Frauenmisshandlung beschäftigt, geschieht dies zur Misshandlung älterer Menschen erst seit den 1980-er Jahren. Zudem erschweren die unterschiedlichen Definitionen von Aggression und Gewalt, persönliche Scham und Hilflosigkeit der Betroffenen sowie der Mangel an Möglichkeiten und Zuständigkeiten (beispielsweise Notruf, Beratungsstellen) die Fassbarkeit (unter anderem Datenerhebung), Analyse und Reaktion auf diese Missstände. Die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung beziehungsweise Meldung von Gewalt im Pflegebereich ist daher häufig sehr gering und es kann von einer hohen Zahl nicht gemeldeter Fälle ausgegangen werden. So liefern auch vorhandene Daten nur einen ungefähren Einblick in die derzeitige Situation. Hieraus wiederum entsteht die Gefahr allzu schnell zu pauschalisieren oder gar zu diffamieren, was die grundlegende und objektive Auseinandersetzung mit der tatsächlichen Realität erschwert.

Systematische Untersuchungen über Gewalthandlungen in deutschen Pflegeeinrichtungen (zum Beispiel Altenheime, Kliniken) gibt es bisher kaum. Meist wurden einzelne Gewaltphänomene beispielsweise freiheitsentziehende Maßnahmen oder Medikamenten-Missbrauch untersucht. Weitere Problemfelder, die ebenfalls Anhalt für das Auftreten und die Häufigkeit für Misshandlungen sein könnten wie zum Beispiel künstliche Ernährung oder der Umgang mit einer rechtlichen Betreuung, sind bisher kaum untersucht worden.
Entscheidend in diesem Kontext ist jedoch, dass die Thematik von Aggression, Missstand und Gewalt im Pflegebereich von zwei Seiten – aus Sicht der Pflegebedürftigen und aus Sicht der Pflegenden (professionell sowie familiär) – betrachtet werden muss und zudem die Mehrdimensionalität von aggressiven und gewalttätigen Handlungen ebenso einbezogen werden muss. Das heißt, dass Pflegebedürftige sowie professionell und familiär Pflegende gleichsam als "Opfer" und "Täter" zu betrachten sind.