Transkript #05: Personalbindung und –gewinnung #05 "Herzschlag - Für ein gesundes Berufsleben
Block 01: Begrüßung und Einleitung
Lena: Ich habe über zehn Jahre in der Pflege gearbeitet und das habe ich auch wirklich immer total gerne gemacht. Aber jetzt, mit Kindern und Familie schaffe ich das bei den Arbeitszeiten einfach nicht mehr. Ich muss leider nach was Anderen schauen.
Moderator: Das sagt Lena, 34, Mama von zwei Kindern. Sie war vor ihrer Elternzeit Pflegekraft in einer Altenpflegeeinrichtung und sie möchte, Stand jetzt, nach der Elternzeit nicht mehr in ihren Beruf zurückkehren. Weil-, das ist schade, denn wir alle wissen, Personal wird in der Pflege dringend gebraucht. Und damit sind wir auch schon mittendrin in unserem heutigen Thema. Wir schauen uns an, was Unternehmer und Unternehmerinnen in der Pflegebranche machen können, um Pflegekräfte wie Lena zu halten und auch neues Personal zu gewinnen. Wie kann das Arbeiten in der Pflege attraktiver gestaltet werden. Dazu gibt es heute spannende Impulse und Best Practices. Ich bin Ralf Podszus, schön, dass Sie mit dabei sind.
(Podcast-Opener)
Block 02: Interview mit Elke Ahlhoff, Patricia Drube und Myra Mani
Moderator: Ich spreche heute mit Elke Ahlhoff, sie ist Geschäftsführerin der ArbeitGestalten-Beratungsgesellschaft mbH. Außerdem ist Patricia Drube mit dabei, sie ist Referentin für Langzeitpflege beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe Nordwest e.V. Und ich freue mich auf Myra Mani. Sie ist Geschäftsführerin bei Mani Häusliche Pflege. Herzlich Willkommen, schön, dass Sie alle mit dabei sind. (Elke Ahlhoff, Patricia Drube, Myra Mani: Hallo.) Ja, Elke Ahlhoff, Sie als Geschäftsführerin der ArbeitGestalten-Beratungsgesellschaft mbH erarbeiten mit Ihrem Team Lösungen für Betriebe, damit das Arbeiten gut gelingt und auch alle zufrieden sind. Wie wichtig ist eine gute Gestaltung der Arbeitszeiten Ihrer Meinung nach für eine erfolgreiche Personalbindung?
Elke Ahlhoff: Das kann man sich leicht vorstellen, dass in einem Betrieb, in dem in Schicht gearbeitet wird, also in einer Pflegeeinrichtung, für die Beschäftigten eine gute Arbeitszeitplanung das A und O ist. Denn letztendlich entscheidet die gute Dienstplanung darüber, ob noch genügend Möglichkeit ist, sich zu regenerieren, Zeit für die Familie zu haben oder auch Zeit für Hobbys zu haben. Deshalb steht für Pflegekräfte eigentlich immer an erster Stelle diese Planungssicherheit durch eine gute und verlässliche Dienstplanung. Und nicht wie es häufig bei Veröffentlichungen die angemessene Entlohnung, natürlich ist die auch wichtig und auch eine Tarifbindung. Aber ob die Pflegekräfte im Beruf bleiben, da ist an erster Stelle die Dienstplanung der entscheidende Drehmoment.
Moderator: Was wünschen sich Pflegekräfte in diesem Zusammenhang genau?
Elke Ahlhoff: Die wünschen sich als erstes eine Planungssicherheit. Das heißt, dass sie wissen, ab wann die neue Dienstplanung wieder gültig ist, eben nicht erst eine Woche, zwei Wochen vorher. Dass die Dienstplanung möglichst lange ist und nicht ständige Änderungen erfolgen, sondern stabil ist und somit ihr soziales Leben auch entsprechend geplant werden kann oder sie sich auch mal was vornehmen können. Sie möchten natürlich beteiligt werden bei der Planung. Das heißt, nicht nur fremdbestimmt eingesetzt, sondern auch eine Beteilung soll ermöglicht sein, damit auch Wünsche untergebracht werden können. Und wenn die nicht berücksichtigt werden können eben auch eine Rückmeldung. Und sie möchten auch die Möglichkeit haben, dass spezielle persönliche Situationen sich widerspiegeln. Es gibt durchaus auch alleinerziehende Pflegekräfte, die eben nicht in allen Schichten arbeiten können.
Moderator: Myra Mani, Sie sind Geschäftsführerin der Mani Häusliche Pflege und haben hier jahrelange praktische Erfahrung gesammelt. Wie erfolgt denn die Dienstplanung in Ihrem Unternehmen, damit dass alles gelingt?
Myra Mani: Also bei uns fängt die Dienstplanung im Endeffekt schon mit dem Mitarbeitergespräch, mit dem Einstellungsgespräch und mit den jährlichen oder regelmäßigen Personalgesprächen an. Weil-, da erfahren wir, wie ist die persönliche Situation. Haben sie kleine Kinder, können sie erst um acht Uhr anfangen. Wir haben Mitarbeiter, die schlafen lieber länger, die machen lieber die Spätdienste. Das heißt, das sind so grundlegende Informationen, die Sie da erfahren. Genauso, ob es regelmäßige Sachen gibt, Sport der Kinder, wo man einfach drauf Acht geben muss. Dann wird der monatliche Dienstplan erstellt. Dann kommen natürlich immer noch die Änderungen oder es gibt Arzttermine im nächsten Monat, all das muss berücksichtigt werden. Und dann steht der neue Plan. Die Realität ist aber so, dass dann immer noch im Laufe des Monats angepasst werden muss, weil Mitarbeiter krank werden, weil jemand ausfällt. Und, anders als in anderen Berufen, unser Job kann nicht liegenbleiben. Die Arbeit muss erbracht werden und es muss dann einfach von den Mitarbeitern, die dort sind, auch erledigt werden. Und deswegen führt das dazu, dass so Dienstpläne im Laufe des Monats auch angepasst werden. Aber wir persönlich, das haben wir in den letzten Jahren eingeführt, versuchen schon, wenn jemand frei hat, die Leute nicht aus dem Frei zu holen. Es wird keiner aus dem Urlaub geholt, es wird keiner aus dem Frei geholt. Außer in extremen Notfällen, die Gott sei Dank nicht ganz so oft der Fall sind.
Myra Mani: Also nicht Heilig Abend, 17 Uhr, es klingelt das Telefon: „Könntest du vielleicht doch jetzt zur Schicht kommen?“ Das schaffen Sie schon mit Ihrem Konzept, dass das nicht passiert?
Myra Mani: Das schaffen wir. Und na gut, wenn Heilig Abend ist, da sind die ganzen Angehörigen zu Hause. Das heißt, Heilig Abend ist meistens gar nicht ganz so viel zu tun.
Moderator: Frau Ahlhoff, Pflege ist kein Nine-to-Five-Job Job. Wie kann die Arbeitszeit für Pflegekräfte dennoch attraktiv und gesundheitsförderlich geplant werden?
Elke Ahlhoff: Ja, das ist eben nicht nur die Stellschraube der Arbeitszeiten oder der Einteilung, es ist auch die Arbeitsorganisation. Die liegt dem Ganzen ja zugrunde. Und es muss einfach die Arbeitsorganisation auch überdacht werden und am besten ist es, man erstellt gemeinsam mit den Beschäftigten da erstmal ein grundlegendes Konzept. Überprüft nochmal die Aufgabenaufteilung, wann sind Arbeitsspitzen, wie kann man die entzerren. Wer hat welche Aufgaben, also auch eine Aufgabenklarheit. Der Personaleinsatz ist zu überprüfen, entspricht der den Anforderungen, den Pflegegraden. Und dann eben ganz wichtig, was häufig nicht gemacht wird, die Nettoarbeitszeit planen. Das heißt, abzüglich der durchschnittlichen Krankheitstage, der Tage, die für Weiterbildung oder Feiertage weggehen. Und dann kommt man meistens auf 80 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit, die verplant werden kann.
Moderator: Da schauen wir wieder in die Praxis, bei Frau Mani. Ich höre von Pflegekräften ab und zu, wie genau getimt ihr Ankommen und ihr Weggehen bei der Arbeit ist. Sie haben dann 30 Sekunden Zeit zum Anziehen, 45 Sekunden Zeit, um hier was vorzubereiten. Ist das bei Ihnen auch so, so richtig in so einem Korsett festgelegt, wie es denn losgeht und wie es aufhört, und wie die Pausen dann auch so zu nehmen sind?
Myra Mani: Ja und nein. Als zum einen ist es schon auch ein Irrglaube oder es ist, glaube ich, auch so ein Mythos, den es draußen gibt, dass gerade auch in der ambulanten Pflege alles so durchgetaktet ist. Das ist es nicht. Aber man muss sich das mal vorstellen, wir haben über 300 Patienten. Das sind über 500 Einsätze, die wir pro Tag haben. Die müssen koordiniert werden. Und die können nur koordiniert werden, wenn man einerseits die Zeiten, die Wünsche und die Anforderungen der Patienten hat und gleichzeitig auch schauen kann, was haben die Mitarbeiter und wie funktioniert das. Dadurch hat man Vorgaben. Und für manche Leistungen braucht man weniger Zeit und für manche mehr. Es ist aber nicht so, dass die Mitarbeiter das in der Zeit erledigen müssen. Sondern die laufen ganz normal und erbringen die Pflege so, wie es funktioniert. Und dann schaut man, dass es im Schnitt halt passt. Und wenn man merkt, bei einem Patienten braucht man länger Zeit, dann wird dort justiert und angepasst, dass die Zeiten erhöht werden. Es ist halt einfach eine Planungsgrundlage, und die funktioniert nicht anders. Das ist ähnlich, wie wenn ich in meinem Bürojob bin. Wenn ich morgens komme, überlege ich mir auch, was ich alles schaffen muss. Und wenn ich weiß, ich möchte heute um 16 Uhr gehen, dann muss ich zusehen, dass ich die Sachen einfach vorher schaffe. Das sind Sachen, die wir vielleicht intern machen, aber um einfach die Dienstleistung nach außen zu zeigen, das ist reine Logistik, wird das geplant.
Moderator: Das ist ein ganz schöner Organisationsaufwand. Und wie bewerkstellige ich als Unternehmerin oder als Unternehmer das nun, Frau Ahlhoff, haben Sie da Ideen?
Elke Ahlhoff: Ja, da bin ich vorhin schon kurz drauf eingegangen. Das ist die Erarbeitung wirklich gemeinsam mit den Beschäftigten. Ich glaube nicht, dass allein ein Leitungsteam die Dienstplanung hinbekommt, die die Beschäftigten gerne haben möchten. Da muss man schon alle mitnehmen. Und das ist, wenn man grundlegend was ändern möchte, zunächst erstmal sehr viel Arbeit. Indem man gemeinsam, wie gesagt, die Arbeitsplanung überprüft, die Einsätze überprüft und auch guckt, wer welche Aufgaben wahrnimmt. Und dann danach die Dienstplanung eben strickt oder aufstellt. Aber wenn diese grundlege Arbeit, die sehr intensiv ist, einmal gemacht ist, dann sind die Überprüfungen eigentlich kürzer. Und man kann dann auch bei der Gefährdungsbeurteilung viel eher und viel schneller dann nochmal gucken, ob die Grundsätze zur gesundheitsförderlichen Schichtplanung, ob die eingehalten werden. Es hat Vorteile, einmal richtig viel Arbeit zu investieren. Und vor allem auch ein Ausfallmanagement zu finden, das alle unterstützen.
Moderator: Die Arbeitszeitgestaltung ist ein wichtiger organisatorischer Aspekt. Führungskräfte in Pflegebetrieben können die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter darüber hinaus aber auch durch ihr eigenes Verhalten fördern. Da sind wir jetzt bei Patricia Drube, sie ist Referentin für Langzeitpflege beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe Nord-West e.V. Was sind Ihre Erkenntnisse aus der Mitgliederberatung im Berufsverband für Pflegeberufe? Und was braucht es für ein zufriedenes Arbeiten in der Pflege?
Patricia Drube: Als Pflegefachperson möchte ich das anwenden und umsetzen, was ich gelernt habe in meinem Berufsalltag. Ich möchte ermitteln, was braucht die pflegebedürftige Person, um sich wertgeschätzt zu fühlen, um Lebensqualität zu haben und auch um die Fähigkeiten, soweit wie möglich, zu erhalten, um so selbstbestimmt wie möglich zu leben. Und dann möchte ich das mit meinem Fachwissen und auf der Grundlage meiner Erkenntnisse mit dem Team und dem Pflegebedürftigen zusammen umsetzen. Was ich nicht möchte, ist, gegen mein Berufsverständnis arbeiten und ich möchte mich nicht treiben lassen von ökonomischem Druck und von bürokratischen Vorgaben.
Elke Ahlhoff: Ich kann das nur so unterstützen. Das ist nämlich das, was Pflegekräfte in Workshops oder bei Befragungen häufig äußern. Dass sie das Gefühl haben, dem ökonomischen Druck wird alles unterworfen in der Pflege.
Moderator: Wie ist da Ihre Erfahrung, Frau Mani?
Myra Mani: Ich glaube, das ist ein Balanceakt. Also gerade wir als Arbeitgeber liegen genau dazwischen. Wir haben die Kostenträger, die Kassen, die gewisse Anforderungen haben, sowohl an die Dokumentation als auch an die Finanzierung. Gleichzeitig haben wir die Mitarbeiter, die natürlich, wenn sie es sich aussuchen könnten, bestimmt auch anders arbeiten würden, mehr den Fokus nur auf die Patienten legen. Und wir sind aber verpflichtet, dass wir schauen, dass es den Mitarbeitern gut geht, aber auch den Patienten und dass die Kassen zufrieden sind und wir natürlich auch. Deswegen, ich glaube nicht-, also zumindest kann ich für unser Unternehmen sprechen, dass nicht der ökonomische Druck bei uns im Vordergrund steht. Aber wir sind in einem ökonomischen System, also es ist immer soziale Marktwirtschaft.
Moderator: Frau Drube, die Frage dann auch an Sie. Was wünschen sich Beschäftigte in der Pflege von ihren Führungskräften?
Patricia Drube: Die wünschen sich von ihren Führungskräften, dass sie hinter ihnen als Mitarbeiter stehen. Sie wünschen sich auch, dass die Führungskräfte ihnen was zutrauen, dass sie auch Vertrauen in ihre Fachlichkeit haben, und auch in ihre Identifikation mit dem Pflegebetrieb, in dem sie arbeiten. Aber sie wünschen sich eben auch Führungskräfte, die sich einerseits selber nicht zu schade sind, auch mal mit anzupacken. Also eben Personen, bei denen sie das Gefühl haben, die wissen auch, wie unser Alltag läuft. Gleichzeitig wünschen sie sich aber auch keine Führungskräfte, die ihren Führungsaufgaben nicht mehr nachkommen können, weil sie quasi darin versacken, immer die Personallücken aufzufüllen, und eigentlich quasi selber nur noch pflegen und damit ihre Führungsaufgaben nicht mehr wahrnehmen können.
Moderator: Welche Folgen kann das haben, wenn das passiert und auch wenn das Verhalten einer Führungskraft dem nicht entspricht?
Patricia Drube: Die Mitarbeitenden werden öfter krank, ihnen fehlt es an Identifikation mit dem Betrieb und sie werden eben insgesamt einfach unzufriedener mit ihrer Arbeit.
Myra Mani: Ich sehe das ganz ähnlich zu dem, was Frau Drube sagt. Also ich glaube, die Aufgaben der Führungskräfte sind essenziell. Ich glaube aber, da krankt das System auch so ein bisschen. Weil-, die Anforderungen, die von außen wirklich auf eine Pflegedienstleitung gelegt werden, sind horrend. Und ich kenne kein anderes Unternehmen, wo das von einer Person oder von einem Führungsteam verlangt wird. Und das ist etwas, was wir auch versuchen, es auf mehrere Schultern zu verteilen. Wir haben viele Verwaltungskräfte, die die PDLs unterstützen, also die Pflegedienstleitungen. Und ich finde auch das Thema Führung, also ein Führungskräftetraining ist wichtig. Auch zu wissen, wie kommuniziere ich mit Mitarbeitern. Wie führe ich ein Team, wie delegiere ich, was kontrolliere ich. Und das lernen die nicht. Also es gibt die Pflegedienstleitungsausbildung, die beinhaltet das gar nicht. Und das finde ich tatsächlich gefährlich, weil-, da entsteht ein großer Druck auf die Führungsperson. Und ohne die Führungskräfte können wir überhaupt nicht weiter irgendwie die Pflege auch gesund und qualitativ erbringen, weil sie natürlich auch kontrolliert werden muss.
Moderator: Eine besondere Herausforderung ist das Zusammenspiel von fest angestellten Pflegefachkräften und Leiharbeitnehmern und Leiharbeitnehmerinnen in einem Team. Worin besteht die Herausforderung und wie schafft man hier eine gute Balance?
Patricia Drube: Die Herausforderung ist, dass kein hierarchisches Denken oder keine Konkurrenz entsteht. Häufig ist es so, dass festangestellte Mitarbeitenden den Eindruck haben, dass die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter alle Privilegien haben. Sie verdienen mehr Geld, sie müssen weniger Verantwortung übernehmen, haben vielleicht noch die besten Parkplätze und können zu ihren Wunschzeiten arbeiten. Das ist schlecht für das Klima im Team und für die Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Die Kunst ist, denke ich, wenn man auf Leiharbeitenden verzichten kann. Denn wirklich eine Kultur diesbezüglich zu etablieren, in der klar ist und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitenden klar ist, Leiharbeit wird eingesetzt eben im Interesse der Stammmitarbeitenden, um zu gewährleisten, dass sie verlässliche Dienstpläne haben und dass eben nicht aus dem Frei gerufen werden oder kurzfristig ihre privaten Planungen über den Haufen werfen müssen. Sondern die Leiharbeit ist da eine Unterstützung. Und wichtig ist auch, dass in der Unternehmenskultur gelebt wird, dass sich alle dessen bewusst sind, dass die Stammmitarbeitenden immer noch eine andere Verantwortung tragen und damit auch eine höhere Belastung und dass das wertgeschätzt wird, und dass sich das auch in der Vergütung widerspiegelt.
Moderator: Frau Mani, was ist Ihnen im Umgang mit Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen wichtig? Wie schaffen Sie es kunstvoll, um den Begriff von Frau Drube zu übernehmen, dass das Miteinander so gut gelingt und alle zufrieden sind?
Myra Mani: Also, was uns wichtig ist, ist, dass der Mitarbeiter ein Mensch ist und wir den auch als Individuum sehen. Das ist natürlich ab einer gewissen Größe schwierig, weil-, wir können jetzt nicht alle Familiengeschichten von den Mitarbeitern kennen. Aber, dass wir merken, hier verändert sich was, wie ist die Stimmungslage, gibt es Probleme. Weil natürlich die privaten Probleme auch immer mit in den Job getragen werden. Und für uns ist auch wichtig, dass wir als Team wirklich als Menschen zählen. Und bei der Arbeit macht es schon natürlich einen Unterschied, welche Berufsqualifikation ich auch mitbringe. Und das ist uns wichtig. Wir sind ein Familienunternehmen. Meine Eltern haben von Tag eins wirklich auch eingeführt, dass wir eine offene Kultur haben, eine Gesprächskultur. Und diese Gesprächskultur versuchen wir auch mit den Mitarbeitern zu leben. Und wir feiern gemeinsam viel, die Mitarbeiter haben Stammtische. Und ich glaube, das sind alles so Sachen, die auch helfen, dass die Mitarbeiter sich wohlfühlen.
Moderator: Können Ihre Mitarbeiter auch selbst mitgestalten? Also können die auch mal sagen, ich möchte gerne-, ich hätte gerne-, ich würde gerne-?
Myra Mani: Ja. Bei uns steht die Tür offen und wir haben regelmäßige Personalgespräche, wo genau solche Sachen auch erfragt werden, was man sich wünscht, was verändert werden kann. Wir haben aber auch seit drei Jahren ein betriebliches Gesundheitsmanagement, was von einem externen Partner begleitet wird. Wo es moderierte Arbeitssituationserfassung gibt, wo die Mitarbeiter ohne uns auch ganz gezielt sagen können, was läuft gut, was läuft nicht gut. Und das ist etwas-, die bringen die Ideen mit ein, die wissen aber auch, dass wir nicht alle Ideen sofort umsetzen können. Manche werden geparkt, manche müssen auch wirklich reifen. Aber da sind viele Ideen, die gut sind. Und, ich glaube, was uns auch wichtig ist, ist, dass man weg von dieser Meckertendenz, die es in der Pflege ja doch sehr oft gibt, wegkommt und sagt: „Wenn man was verändern will und wenn etwas nicht gut läuft, dann muss es hier vor Ort aktiv mitgestalten und verändern.“ Weil-, wenn ich frustriert das Handtuch werfe und ich gehe, ich nehme die Probleme mit. Und das sind Sachen, die kommunizieren wir auch und das läuft ganz gut.
Moderator: Die wirksamste Methode, neue Mitarbeiter für ein Unternehmen zu gewinnen, ist Mund-zu-Mund-Propaganda. Deshalb trägt all das, was wir eben besprochen haben, auch zur Personalgewinnung bei. Zufriedene Mitarbeiter sind die beste Werbung. Wenn andere mitbekommen: „He, der ist gut gelaunt. Der hat Spaß an seinem Job, der geht da gerne hin.“ Dann möchte man vielleicht da auch arbeiten. Myra Mani, was tun Sie, um Personal für Ihr Unternehmen zu gewinnen?
Myra Mani: Ja, zum einen ist uns auch Mund-zu-Mund-Propaganda wichtig. Dass die Mitarbeiter sich wohlfühlen, dass wir eine gute Unternehmenskultur haben. Und wir haben auch ein Bonussystem, dass, wenn Mitarbeiter andere, neue Mitarbeiter werben, dass sie davon profitieren. Was wir auch haben, dass wir seit Jahren auch ausbilden, und in dem Zuge auch hier vor Ort auf allen Berufsmessen sind, Ausbildungsmessen. Wo ich dann tatsächlich immer wieder feststelle, dass es sehr, sehr wenig Pflegeunternehmen sind, die dort vor Ort sich präsentieren. Es ist doch meistens die Industrie oder Handwerk. Wir haben aber auch vor kurzem ein Pflegenetzwerk hier vor Ort gegründet, mit allen Trägern aus der Region, damit wir einfach gemeinsam die Region, aber auch den Pflegeberuf voranbringen können und das Image verbessern. Aber all das deckt den Bedarf nicht, also wir holen seit neun Jahren auch ganz bewusst Fachkräfte aus dem Ausland zu uns.
Moderator: Wie werden denn Mitarbeiter aus dem Ausland angeworben? Wie bekommen Sie da Fachkräfte? Und welche Erfahrungen haben Sie da gesammelt?
Myra Mani: Also wir haben uns ganz bewusst, damals, das war 2011, in Südeuropa umgeschaut und geschaut, welche Länder haben Fachkräfte, die dort keinen Job finden und die auch relativ einfach nach Deutschland kommen können. Das heißt, es gibt natürlich in der Pflege einen Anerkennungsprozess, der relativ viel Zeit auch mit in Anspruch nimmt. Aber auch wichtig ist, und das ist ähnlich zu dem, was Frau Drube vorhin bei den Leiharbeitern gesagt hat, man muss das Team mit ins Boot holen. Und auch ganz klar sagen, es geht nicht darum, dass jemand ersetzt wird oder dass günstige Arbeitskräfte geholt werden, sondern dass sind neue Teammitglieder, die einfach dabei unterstützen, dass die persönliche Arbeitsbelastung geringer wird. Weil-, wir haben einen Mangel an Pflegefachkräften, um das gemeinsam dann auch zu stemmen. Natürlich ist es immer eine Herausforderung, wenn man eine neue Kultur mit reinbringt, und da rede ich jetzt von nationalen Kulturen. Aber die sind ja auch ein anderes Arbeiten oft gewöhnt, das heißt, hier ist es wichtig, sowohl gewisse kulturelle Werte aus dem Umfeld dann beizubringen, aber auch die Unternehmenskultur frei zu geben und zu schauen, okay, passt es rein. Es ist viel Arbeit, es ist aber trotz allem ein guter Weg, das Team zu entlasten und das Team zu erweitern.
Elke Ahlhoff: Frau Mani, wenn ich mit ambulanten Pflegedienste spreche, es gibt einfach welche, die erzählen mir, die haben noch nie eine Stellenanzeige geschaltet. „Also uns laufen die Mitarbeiter, die Bewerbungen zu.“ Und dann gibt es die, die quasi wöchentlich Probleme haben, ihr Mindestpersonal überhaupt irgendwie zu haben. Oder wo gleich wieder Mitarbeiter weggelaufen sind oder gleich in Scharen. Meistens ist es ja dann auch so irgendwie, wenn einer geht, dann gehen gleich wieder ein paar andere mit. Und das macht mir eben auch ganz deutlich, dass es wirklich so viel abhängt von der Geschäftsleitung, von den Führungspersonen und auch von der Überzeugung, mit der dort gearbeitet wird. Und ich glaube eben auch-, also ich nehme diesen ökonomischen Druck natürlich auch wahr. Und das ist eben-, das ist unser System, dass unsere Pflegedienstleitungen immer in so einem Sandwich sind zwischen den ökonomischen Anforderungen und dem Versorgungsauftrag und auch dem, was Pflege bedeutet und was Mitarbeiter wollen. Aber ich glaube einfach, es gibt Führungskräfte, denen gelingt das sehr gut, da so einen Puffer zu bilden. Und bei anderen sozusagen kracht der Druck von außen eins zu eins auf die Mitarbeiter durch. Und das ist, glaube ich, eben eine besondere Kunst, für die es auch, glaube ich, kein Rezept gibt. Also sicherlich können da Trainings helfen, aber ich glaube, es hat auch was mit Persönlichkeitsprofilen zu tun und einfach damit, dass es eben Menschen gibt, die das einfach intrinsisch besser können.
Moderator: Eine gute Führungskraft sollte ein Airbag für die Mitarbeiter sein, dann funktioniert es besser fürs Team.
Myra Mani: Und die Geschäftsführung sollte ein Airbag für die Führungskräfte sein.
Block 03: Verabschiedung
Moderator: Was kann ich als Unternehmerin oder Unternehmer in der Pflegebranche tun, um Personal zu gewinnen und zu binden. Dazu gab es heute ein paar Tipps. Zufriedene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind der Schlüssel zum Erfolg. Und das lässt sich zum Beispiel durch eine gute Dienstplanung und wertschätzendes Führen erreichen. Welche Erfahrungen haben Sie bei sich im Unternehmen damit gemacht? Wir freuen uns auf Ihr Feedback dazu. Und auch über weitere inspirierende Tipps aus Ihrem Pflegealltag. Schreiben Sie uns gerne über unsere Website, www.bgw-online./podcast. Ich hoffe, Sie sind auch in der nächsten Folge wieder mit dabei. Bis dahin, bleiben Sie gesund.
(Outro - Herzschlag, für ein gesundes Berufsleben. Der BGW-Podcast)