Verzweifelte junge Frau sitzt auf dem Boden mit dem Rücken an der Wand

Hilfe für Betroffene nach Gewaltvorfällen

Betroffene brauchen Hilfe – doch was genau können und müssen Betriebe hierfür tun? Und welche Unterstützung bietet die BGW?

Menschen erleben Vorfälle mit Aggression und Gewalt sehr individuell. Unabhängig von der scheinbaren "Schwere" des Vorfalls oder körperlichen Verletzungen kann es zu psychischen Symptomen wie Angstzuständen, Depressionen und Schlafstörungen kommen. Psychische Gesundheitsschäden machen sich gegebenenfalls auch erst zeitverzögert bemerkbar.

Ein Gewalterlebnis ist für die betroffenen Beschäftigten mit einem Stressempfinden verbunden. Wie stark dieser Stress erlebt wird, hängt von vielen Faktoren ab, die zusammenwirken. Wenn beispielsweise Personen von sich den Eindruck haben, eine Situation in Griff zu haben, erleben sie diese als weniger belastend als wenn sie ihr hilflos ausgeliefert sind.

Aber auch die Bewertung einer Gewaltsituation hat Einfluss auf den individuellen Stressfaktor: Je bedrohlicher mir eine Situation erscheint, umso größer der Stress. 

Unmittelbare Hilfe und Dokumentation: Was Betriebe sicherstellen müssen

Priorität hat, schnellstmöglich die persönliche Sicherheit der Betroffenen zu gewährleisten und für eine angstfreie Atmosphäre zu sorgen. Erste Hilfe bei Verletzungen ist selbstverständlich. Ist eine ärztliche Behandlung notwendig, erfolgt diese beim Durchgangsarzt oder der Durchgangsärztin, da es sich in der Regel um einen Arbeitsunfall handelt. (Namen und Adressen erhalten Sie bei der BGW oder über die D-Arzt-Datenbank). Bedenken Sie, dass Betroffene häufig unter Schock stehen und zur ärztlichen Praxis oder nach Hause begleitet werden sollten.

Ist es zu einem Übergriff gekommen, geht es auch um eine "Erste Hilfe für die Seele", also um die psychische Entlastung der Betroffenen. Idealerweise ist im Betrieb ein Konzept zur kollegialen Erstbetreuung etabliert. Aber auch Vorgesetzte sowie Kolleginnen und Kollegen sollten unterstützend wirken.

Erlebte Anteilnahme ist hilfreich – daher sollte immer ein Auffanggespräch angeboten werden. Diese ersten lindernden Worte sind sehr wichtig, wobei immer das Zuhören im Vordergrund stehen sollte. Nachfragen zum Geschehen müssen jedoch unbedingt vermieden werden. Auffanggespräche können nicht das Gespräch mit einem Psychologen oder einer Psychologin ersetzen.

Jeder Übergriff muss grundsätzlich dokumentiert werden. Die Dokumentation ist in zweierlei Hinsicht notwendig: Einerseits dient sie der rechtlichen Absicherung beteiligter Personen – besonders wichtig, wenn auch Betreute verletzt worden sind –, andererseits bildet sie eine Grundlage für die hausinterne Gefährdungsbeurteilung. Die Dokumentation ermöglicht es, Problembereiche zu identifizieren und die Wirksamkeit der vorhandenen Schutzmaßnahmen nachzuweisen.

Unterstützung durch die BGW: Wie Betroffene Hilfe erhalten

Der Versicherungsschutz der BGW umfasst auch Gewaltereignisse in Zusammenhang mit der Arbeit, das heißt am Arbeitsplatz oder auf dem Weg dorthin beziehungsweise zurück. Ob der Übergriff "von außen" (beispielsweise bei einem Raubüberfall) oder durch Kundinnen und Kunden, betreute Personen oder Beschäftigte erfolgt, ist unerheblich.

BGW-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter aus den für Rehabilitation zuständigen Bezirksverwaltungen werden nach Übergriffen in Absprache mit den verantwortlichen betrieblichen Akteuren tätig.

Besteht ein Bedarf der Betroffenen, werden beispielsweise eine Frühintervention und probatorische psychotherapeutische Sitzungen angeboten – unbürokratisch und schnell. Auch eine kostenlose telefonisch-psychologische Beratung ist möglich (bis zu fünf Telefontermine à 50 Minuten mit geschulten Psychotherapeutinnen und -therapeuten).

Wichtig für Betriebe: Rechtzeitig melden!

Für die Rehabilitation ist entscheidend, dass die BGW frühzeitig informiert wird. In jedem Fall ist es ratsam, auch scheinbare "Bagatellunfälle", die weniger als drei Tage Arbeitsunfähigkeit nach sich ziehen, zu dokumentieren.

Wann ist ein Gewaltereignis der BGW zu melden?

 Bei Arbeitsunfällen gilt generell eine Meldepflicht, sobald es zu einer über drei Kalendertage hinausgehenden Arbeitsunfähigkeit kommt oder ein Todesfall vorliegt. Doch bei Gewalt- oder anderen Extremereignissen können psychische Folgen zeitverzögert auftreten. Daher empfiehlt die BGW:

  1. Extremereignisse immer melden*: insbesondere schwere Körperverletzungen, Sexualdelikte oder (Raub-)Überfälle, auch auf dem Arbeitsweg. Dabei müssen auch Beschäftigte berücksichtigt werden, die das Geschehen miterlebt oder Betroffenen geholfen haben und dadurch ebenfalls psychisch belastet sein können. *Achtung: Sofern keine Meldepflicht für den jeweiligen Arbeitsunfall besteht, muss für die Meldung an die BGW die Zustimmung der versicherten Person vorliegen!
  2. Gewaltereignisse immer dann melden*, wenn psychische Auffälligkeiten bei direkt oder indirekt betroffenen Beschäftigten bemerkbar werden. (Siehe Hinweis zu 1.)
  3. Bei häufigem Auftreten von Gewalt im Betrieb individuell Kontakt mit der BGW aufnehmen. Das gilt vor allem, wenn es regelmäßig jeden Monat oder gar täglich zu Vorfällen kommt und ein hohes Risiko von psychischen Folgen für die Beschäftigten absehbar ist.

Wiedereingliederung: Aufgabe für Unternehmen

Fallen Beschäftigte länger aus, stellt das alle Beteiligten vor Probleme. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind verpflichtet, Betroffenen Unterstützung im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) anzubieten, wenn sie innerhalb eines Jahres insgesamt länger als sechs Wochen krank sind. Das BEM kommt dabei nur mit Einverständnis der Beschäftigten tatsächlich zum Einsatz.

Unternehmen profitieren von einem gut organisierten und durchgeführten BEM genauso wie die Beschäftigten: Gemeinsam lassen sich Wege finden, auch unter schwierigen Umständen – wie beispielsweise nach einer traumatisierenden Gewalterfahrung - den Wiedereinstieg in den Beruf erfolgreich zu gestalten. Die BGW unterstützt Betriebe unter anderem mit einem Praxisleitfaden, Seminaren und Beratung zum BEM.