Nachsorge von Stich- und Schnittverletzungen mit infektiösem Material Empfehlungen der gesetzlichen Unfallversicherung

Stich- und Schnittwunden (Nadelstichverletzungen, NSV) bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst, die mit potenziell infektiösem Material kontaminiert sind, müssen angemessen versorgt werden. In die Versorgung sind D-Ärzte, Betriebsärzte und in ländlichen Regionen ggfs. auch Hausärzte eingebunden.

Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallkassen und Berufsgenossenschaften) und die Ärzte tragen die Verantwortung für einen evidenzbasierten Standard der Nachsorge von NSV. Die Unfallversicherungsträger (UVT) kommen zudem für die Kosten der Nachsorge auf. Sie verfassen deshalb Handlungsempfehlungen für beteiligte Arztgruppen. Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und die Unfallkassen Berlin, Baden-Württemberg (UK BW), Nord (UK Nord) und Nordrhein-Westfalen (UK NRW) haben ein Konsenspapier erarbeitet, das mittlerweile bundesweit gilt.

Die Sofortmaßnahmen und das weitere Nachsorgeprogramm nach NSV sind seit vielen Jahren Standard im Arbeitsschutz von Beschäftigten im Gesundheitsdienst. Als Entscheidungshilfen für HIV-PEP und Hepatitis B-Impfungen stehen nationale Leitlinien zur Verfügung. Die Empfehlungen zur Serodiagnostik wurden zwischen den Unfallkassen und Berufsgenossenschaften abgestimmt. Nach einer NSV muss sofort eine Risikoabschätzung vorgenommen werden. Die Serodiagnostik sofort nach der NSV dient dem Ausschluss einer bereits bestehenden Infektion sowie der Entscheidung über Impfungen bei unsicherem Hepatitis B-Immunschutz.
Verletzten Personen ohne aktuellen Hepatitis B-Immunschutz (Ungeimpfte, Non-Responder und Low-Responder mit aktuellem Anti-HBs <10 IE/L) muss in Situationen mit erhöhtem Risiko zügig postexpositionell Hepatitis-B-Immunglobulin und eine Hepatitis-B-Impfung verabreicht werden. Die HIV-PEP kann innerhalb von 24 Stunden begonnen werden, bringt aber in den zwei Stunden nach einer NSV die besten Ergebnisse. Sie sollte beim Verdacht auf eine effektive HIV-Transmission deshalb frühestmöglich begonnen, gleichzeitig sollten erfahrene Spezialisten beigezogen werden. Die Antikörperdiagnostik der Hepatitis C sollte bei erhöhtem Risiko, HCV-infektiöser oder unbekannter Indexperson durch eine HCV-NAT ergänzt werden. Es steht zwar keine HCV-PEP zur Verfügung, aber eine hocheffektive Therapie der chronischen Hepatitis C mit DAA. Bei der Labordiagnostik für aktiv Beschäftigte geht man im Allgemeinen von Immunkompetenz aus. Es wird jeweils der sichere Ausschluss einer HBV-, HCV- und HIV-Infektion gefordert mit einem zusätzlichen, nicht reaktivem Test zum Abschluss unter Berücksichtigung der maximalen Inkubationszeit der Erreger.

Das Nachsorgeprogramm wird erneut angepasst, sobald sich die gesicherten Erkenntnisse zu Diagnose, Impfungen, PEP oder Therapie von Infektionen mit HBV, HCV und HIV sowie die entsprechenden Empfehlungen der Fachgesellschaften ändern. Eine engere Zusammenarbeit mit virologischen Fachgesellschaften wird angestrebt.

  • Haben Sie inhaltliche Fragen zur Nachsorge von Stich- und Schnittverletzungen mit infektiösem Material? Bitte nehmen Sie Kontakt auf (Arbeitsmedizin).
  • Haben Sie Fragen zur Abrechnung? Bitte wenden Sie sich an die zuständige Bezirksverwaltung.

Es wurde ein Hintergrundartikel zum Konsenspapier nach NSV veröffentlicht unter: Stranzinger, J et al. Konsenspapier zur Nachsorge von Stich- und Schnittverletzungen mit infektiösem Material. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2018; 53: 249–255. Dieser steht zum kostenlosen Download zur Verfügung.