Belastungen durch Aggression und Gewalt gegenüber Beschäftigten der Pflege- und Betreuungsbranche in Deutschland – eine wissenschaftliche Studie

Aggressive Übergriffe von Patientinnen und Patienten oder Klientinnen und Klienten gehören für viele Beschäftigte zum beruflichen Alltag. Ziel der wissenschaftlichen Studie (Survey) war es, die Häufigkeit und Art der Gewalt sowie den Umgang mit aggressiven Verhaltensweisen und Übergriffen gegenüber Pflege- und Betreuungspersonal in der Behindertenhilfe, der stationären und ambulanten Altenpflege sowie in Krankenhäusern zu untersuchen.

Die Querschnittstudie wurde 2017 durchgeführt. Insgesamt nahmen 81 Betriebe mit 4.852 Beschäftigten an der Befragung teil. Befragt wurden Beschäftigte mit Kontakt zu Patientinnen, Patienten, Klientinnen und Klienten. Der Erhebungsbogen umfasste

  • soziodemografische Angaben,
  • Fragen zur Häufigkeit von körperlicher und verbaler Gewalt,
  • Art und Ziel sowie Konsequenzen der Gewalt, den Ansätzen zur Prävention und zur Nachsorge von Übergriffen sowie dem Belastungsempfinden und dem Gesundheitszustand der Beschäftigten.

1.984 Beschäftigte nahmen an der Studie teil. Die Rücklaufquote lag bei 40,9 %. 79,5 % (n = 1.578) der Studienteilnehmenden haben in den vorausgegangenen zwölf Monaten Gewalt erlebt. Von diesen berichten 94 % über verbale und 70 % über körperliche Gewalterlebnisse. Aggressive Übergriffe kamen am häufigsten in Krankenhäusern und in Wohnbereichen der Behindertenhilfe vor. Es handelte sich überwiegend um Beschimpfen, Kneifen und Kratzen, Schlagen oder Bedrohen. Die Betroffenen reagierten mit Ärger, Hilflosigkeit oder Enttäuschung. Als Konsequenz sind sie vorsichtiger, angespannter oder haben weniger Spaß an der Interaktion mit den Patientinnen und Patienten bzw. Klientinnen und Klienten. Frauen sind weniger häufig von verbaler Gewalt betroffen (OR 0,5, 95-%-KI 0,2-0,9). Im Vergleich zur ambulanten Pflege ist die Arbeit im Krankenhaus, in der stationären Altenpflege und in Werkstätten und Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung mit einem erhöhten Risiko für das Erleben von körperlicher Gewalt assoziiert. Gesundheits- und Krankenpflegekräfte mit Leitungsfunktion haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko für Übergriffe. Rund ein Drittel der Beschäftigten fühlte sich durch die Übergriffe stark belastet. Je häufiger Beschäftigte verbaler Gewalt ausgesetzt sind, desto stärker fühlen sie sich belastet. Bei täglich erlebter verbaler Gewalt steigt das OR auf 2,3 (95-%-KI 1,3-3,9). Eine gute Vorbereitung durch die Einrichtung verminderte hingegen das Belastungsempfinden (OR 0,6, 95-%-KI 0,4-0,8) und die Wahrscheinlichkeit einer eingeschränkten Arbeitsfähigkeit (OR 0,3, 95-%-KI 0,2-0,4).

Aggressive Übergriffe kommen häufig vor. Ein Drittel der Befragten wird dadurch stark belastet. Allerdings wird deutlich, dass sich der Umgang mit dem Thema in den Einrichtungen verändert hat. Früher häufig tabuisiert, ist es nun präsent und es werden Präventionsangebote wie z. B. ein Deeskalationstraining angeboten und genutzt. Die Sensibilisierung führt wahrscheinlich zu höheren Meldezahlen von Vorfällen. Gute Vorbereitung und ein offener Umgang mit dem Thema in den Einrichtungen wirken sich positiv auf das Belastungsempfinden und die Arbeitsfähigkeit aus.


Der Beitrag wurde veröffentlicht unter:

  • A. Schablon, D. Wendeler, A. Kozak, A. Nienhaus, S.Steinke. Prevalence and Consequences of Aggression and Violence towards Nursing and Care Staff in Germany—A Survey. Int. J. Environ. Res. Public Health 2018, 15(6), 1274.
  • A. Schablon, D. Wendeler, A. Kozak, A. Nienhaus, S. Steinke. Belastungen durch Aggression und Gewalt gegenüber Beschäftigten der Pflege- und Betreuungsbranche in Deutschland - ein Survey. In: Angerer, Gündel, Brandenburg, Nienhaus, Letzel, Nowak (Hrsg.): Arbeiten im Gesundheitswesen – Psychosoziale Arbeitsbedingungen – Gesundheit der Beschäftigten – Qualität der Patientenversorgung. ecomed Medizin, Landsberg am Lech, 86 – 105.